Martina Gleissenebner-Teskey: Zu Fuß nach Paris

Das Best-Ager Model geht 1.600 Kilometer gegen Fast Fashion.

8 Min.

© Gregor Hartl Photography

Als Mutter-Tochter-Gespann modelten sich Martina Gleissenebner-Teskey und Tochter Lou-Anne vor zwei Jahren bei „Germany‘s Next Topmodel“ in die Herzen der Zuseher. Derzeit marschiert Martina rund 1.600  Kilometer zu Fuß nach Paris, um ein Zeichen gegen Fast Fashion zu setzen. Dabei machte die gebürtige Linzerin einen Zwischenstopp bei Modemacher Gottfried und schlüpfte prompt vom Wanderoutfit in dessen Kleider. 

Martina Gleissenebner-Teskey ist zweifelsohne eine Vorreiterin. In der 17. Staffel von GNTM, bei der ihre Tochter gewann, schaffte sie es als erstes Best-Ager-Model ins Finale und wurde Drittplatzierte. Im Jahr 1998 hat sie in ihrer Heimatstadt Linz mit der „Ökostyle“ die erste Nachhaltigkeitsmesse im Design Center auf die Beine gestellt. „Mit wenig Erfolg“, wie sie im Interview erzählt, „denn Nachhaltigkeit war damals noch ziemlich unsexy.“ Dafür ist die Zeit, in der Überproduktion und Überkonsum die Modeindustrie dominieren, jetzt mehr als reif und Martina kämpft auf ganz besondere Art und Weise für eine nachhaltigere Zukunft in der Modeindustrie.  

Unter dem Motto „WALK4FUTURE – REThink Fashion“ startete Martina Gleissenebner-Teskey am 21. April von ihrem Wohnort Klosterneuburg bei Wien los und ist momentan zu Fuß nach Paris zur „Haute Couture Week“ unterwegs. Damit will die studierte Ökologin ein wichtiges Statement für Nachhaltigkeit in der Modeindustrie setzen und immer wieder auch inspirierende Menschen und Unternehmen besuchen. In Linz machte sie bei Modemacher Gottfried halt, wo sie mit uns über ihren Job als Charisma Coach, die ersten Erfahrungen mit Baby-Botox und ihr Aufwachsen in Linz geplaudert hat. 

Martina, rund 1.600 Kilometer in sechs Wochen. Wie gehen Sie das mental an? Denken Sie in Tagesetappen?

Martina Gleissenebner-Teskey: Ja, ich denke wirklich Tag für Tag. Die größte Herausforderung ist, dass ich auf meinem Weg nach Paris neben dem Gehen auch Termine wahrnehme. Aber das ist schließlich der Sinn der Wanderung. Ich besuche Freunde, Designer und nachhaltige Unternehmen, diese Stopps muss ich immer miteinplanen. 

Ist das nicht ziemlich stressig?

Ja, manchmal kann ich das Gehen gar nicht so richtig genießen, weil ich weiß, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein muss. Das macht das Ganze ein bisschen schwierig, weil ich neben der körperlichen auch die mentale Belastung habe. 

Eine derart weite Wanderung geht sicher auch auf die Gelenke. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Am ersten Tag bin ich mit speziellen Kniestrümpfen gegangen, die aber leider gar nichts bewirkt haben. Mittlerweile tape ich meine Knie und das funktioniert sehr gut. Außerdem verwende ich täglich einen genialen Balsam. Mit dem creme ich mich am Abend ein und am nächsten Tag sind alle Wehwehchen wie weggeblasen. 

Sie sind gebürtige Linzerin. Wie sind Sie aufgewachsen? 

Ich bin in Linz aufgewachsen und in die Kreuzschwestern-Schule gegangen. Damals war es eine reine Mädchenschule. Wir durften keine Spagetti-
träger-Shirts tragen und auch Hosenröcke waren verboten. Es war richtig streng, aber ich habe das sehr genossen. Ich hätte auch meine Tochter Lou-Anne gerne in eine reine Mädchenschule gegeben, weil dort der Fokus nur auf den Mädchen liegt. Aufgrund unbewusster geschlechterspezifischer Vorurteile weiß man ja, dass von Mädchen generell mehr verlangt wird als von Buben. Dieser Bias fiel bei mir in der Mädchenschule komplett weg. Es wurde sehr viel verlangt, aber es wurde auch angenommen, dass wir alles schaffen und machen können. Insofern habe ich das sehr genossen.

Danach sind Sie zum Studieren nach Wien gegangen. Was haben Sie studiert?

Da ich in die Umweltbewegung, vor allem in die Umweltbildung wollte, habe ich Ökologie zu studieren begonnen. Leider ist mir beim Reinschauen in das Mikroskop immer schwummrig geworden. Daraufhin habe ich eine Fächerkombination aus Ökologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften beantragt und diese auch bekommen. Neben dem Studium habe ich gemodelt. 

© Gregor Hartl Photography

Sie haben 1998 die erste große Messe für nachhaltige Lebensstile im Design Center in Linz organisiert. Zu einer Zeit, in der Nachhaltigkeit noch unsexy war und den Öko- und Bio-Freaks zugeschrieben wurde. Wie ist diese Messe gelaufen?

Leider gar nicht gut. Ich bin mit 600.000 Schilling (Anm. d. Red.: ca. 43.600 Euro) Schulden ausgestiegen. Ich war vom Zeitgeist her viel zu bald dran und auch viel zu idealistisch. Ich habe mir gedacht, dass die Massen reinströmen werden, allerdings waren wir vier Tage lang fast alleine im Design Center. Damals war ich 27 Jahre alt und habe mir gesagt: „Okay Martina, jetzt musst du Geld verdienen. Schluss mit lustig.“ Ich habe zwar während des Studiums immer gearbeitet, war selbstständig und auch als Model bei Andrea Weidler in der Agentur „Wiener Models“ gut gebucht. Eigentlich habe ich ununterbrochen gearbeitet und viel verdient, aber auch viel verloren. 

Wo haben Sie danach Ihr Geld verdient?

Ich bin nach Mailand gegangen, habe dort für einen Konzern gearbeitet. In späterer Folge war ich für denselben Konzern in Monaco tätig, wo auch meine Tochter Lou-Anne geboren ist. Rückblickend hat sich alles so entwickelt, wie es sein sollte, und daher bereue ich auch nichts. Nach viereinhalb Jahren bin ich nach Wien übersiedelt. Lou-Anne war damals drei Jahre alt.  

Sie sind auch Coach und Charisma-Trainerin. Worum genau geht es da?  

Charisma ist für mich das, wo jemand seine Gnadengabe lebt. Da jeder von uns eine besondere Gabe hat, hat auch jeder Mensch Charisma. Als Ökologin sage ich, wenn der Haushalt der Natur in Ordnung ist, dann hat jedes Element seinen Platz, das heißt, eine Bestimmung sowie eine Richtigkeit – und alles harmoniert. Genauso kann man das auf unsere Gesellschaft umlegen. Am besten funktioniert es, wenn jeder das macht, wofür er bestimmt ist. Wenn jeder diese Gnadengabe findet, erlebt und auch ausstrahlt. Diesbezüglich war auch das Modeln ganz wichtig für mich, denn wenn man den Körper aufrichtet und mit dem Geist arbeitet, dann richtet das den ganzen Menschen auf. 

Sie haben ein Buch mit dem Titel „Charisma: Das 9-Wochen-Programm für ein gelingendes Leben“ geschrieben. Verraten Sie uns ein paar Tipps für ein gelingendes Leben?

Das Wichtigste ist, mit sich selbst in Verbindung zu bleiben. Sich immer wieder zu fragen: Wie fühle ich mich gerade? Wo stehe ich? Ist das stimmig für mich? Es geht darum, sich nicht nach außen zu orientieren, sondern stark in Verbindung mit sich selbst zu bleiben. Wichtig ist auch, dass man sich in Verbindung mit der Umwelt sieht. Ich glaube ganz fest  daran, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat, einen Beitrag in dieser Gesellschaft zu leisten. Jeder will sich in diesem Leben sinnvoll fühlen und Feedback bekommen. Daher ist es wesentlich, dass man erkennt, was einem Freude macht und wo man ohne Stress und Druck das Beste geben kann. Dann ist man in seiner Komfortzone, die ich übrigens liebe (lacht)

Sie waren in den 1990er-Jahren als Model in Wien, Paris, Mailand und Toronto erfolgreich unterwegs, was hat sich seither verändert? 

Heute geht es stärker um Personality. Die Models werden mehr als Personen wahrgenommen. Damals ging man zu einem Casting, wurde gebucht, aber als Person kaum wahrgenommen. Dennoch sollen Models auch heute mehrheitlich einen bestimmten Look haben. Passt dieser dem Auftraggeber nicht, dann ist es vorbei. 

Was hat Ihnen „Germany‘s Next Topmodel“ gebracht, außer den hohen Bekanntheitsgrad? 

Nun ja, ich würde sagen, das ist eh schon viel(lacht). Es hat uns beiden super gefallen. Lou-Anne meint sogar, dass sie es gleich noch einmal machen würde.  

© Gregor Hartl Photography

Gilt das auch für Sie?

Nein, es war zwar ein unglaubliches Abenteuer und echt klasse, aber ich würde es nicht mehr machen, auch deshalb, weil ich grundsätzlich nichts wiederholen möchte. 

Durch Ihren Bekanntheitsgrad sind Sie sicher als Model sehr gefragt. Wie wählen Sie Ihre Modeljobs aus?

Es ist jetzt nicht so, dass ich mit Modeljobs überrannt werde, nur weil ich bekannt bin. Ich bekomme viele Angebote auf Instagram, wo ich als Influencerin auch das Modeln hineinbringen könnte. Das mache ich nicht, weil ich zu hundert Prozent hinter einem Produkt stehen muss. Heute für die eine Creme werben, morgen für die andere, geht sich für mich nicht aus. 

Wie war es, beim Walk4Future einen Zwischenstopp in Ihrer alten Heimat Linz zu machen?

Es war wie ein Homecoming. Meine Halbschwester und ihr Mann sind mir in Dornach entgegengekommen und wir sind gemeinsam über die Brücke gegangen. Da wurden Erinnerungen wach, denn meine Mutter und ich sind früher oft mit dem Fahrrad über die alte Eisenbahnbrücke gefahren. Die Leidenschaft zum Gehen habe ich seit meiner Kindheit. Ich habe das Spazierengehen geliebt. Wir waren viel am Pleschinger See oder sind auf den Bauern- und Freinberg gewandert. 

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