Was tun, wenn man Angst hat nach Hause zu gehen?

Krisenstelle Wàki in Linz hilft Jugendlichen und deren Familien

5 Min.

© Shutterstock

Hilfe findet man in der Krisenstelle Wàki in Linz, dort werden seit 30 Jahren Jugendliche und deren Familien begleitet.

Ella ist 14 Jahre alt (Name geändert). Ihre Leistungen in der Schule sind im vergangenen Jahr massiv zurückgegangen. Sie hat viele Fehlstunden. Immer wieder muss sie ins Krankenhaus, weil sie sich ritzt. Sie raucht und trinkt Alkohol. Schließlich wird ihr alles zu viel, und Ella vertraut sich ihrer Klassenlehrerin an: „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren und hab‘ Angst, nach Hause zu gehen.“

Die Lehrerin wendet sich an die Kinder- und Jugendhilfe. Eine Sozialarbeiterin wird eingeschaltet. Sie findet einen Platz in der Krisenstelle Wàki in der Linzer Innenstadt für die 14-Jährige. Dort werden seit mittlerweile 30 Jahren Jugendliche und deren Familien in Krisensituationen begleitet.

Ella darf erst einmal zur Ruhe kommen und erzählen: „Ich trau mich nicht mehr nach Hause. Meine Mama schlägt mich mit der Hand ins Gesicht, und mein Stiefvater beschimpft mich. Er mag nur seine eigene Tochter. Ich bin lästig für ihn. Und wenn er mich nicht beschimpft, ignoriert er mich. Außerdem gibt er mir die Schuld daran, dass es meiner Mama schlecht geht.“

Gerhard Eisschill, Leiter „Krisenstelle Wáki“ © Diakonie Zentrum Spattstraße

Sicherer Ort für Jugendliche.

Im Wàki geht es erst einmal darum, den Jugendlichen einen sicheren Ort zu bieten und Beruhigung in die angespannte Familiensituation zu bringen. „Es tut ihnen gut, dass sich jemand Zeit für sie nimmt, ihnen zuhört und sie auch ernst nimmt“, erzählt Gerhard Eisschill, Leiter der Einrichtung. „Das Wichtigste ist, dass sich die Jugendlichen bei uns sicher fühlen und spüren, dass wir ihnen nur Gutes wollen.“ 

Insgesamt sechs Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren finden im Wàki Platz. Ein siebtes Zimmer gibt es für jene, die von sich aus in die Krisenstelle kommen. Sobald sie aufgenommen wurden, kümmert sich ein zwölfköpfiges Team um sie. Gelebt wird wie in einer Familie oder Wohngemeinschaft – auch im Wàki gibt es Regeln, an die sich alle halten müssen, wie Eisschill betont.

Das Wichtigste ist, dass sich die Jugendlichen bei uns sicher fühlen.

Gerhard Eisschill

Hilfe auch für Eltern.

Wenn Jugendliche aufgenommen werden, stellen die Mitarbeiter den Kontakt zu den Eltern her. Auch die Mutter von Ella wird rasch mit ins Boot genommen. Sie ist erleichtert, dass ihre Tochter in Sicherheit ist, und erzählt von ihrer eigenen Überforderung: „Ich kann einfach nicht mehr! Als Ella vier Jahre alt war, ist ihr Papa verstorben. Seitdem bin ich alleine für sie verantwortlich.“ Ihr neuer Partner macht die Situation nicht leichter, im Gegenteil – es gibt häufig Streit, und die Auseinandersetzungen werden zunehmend heftiger.

Im Wàki finden auch Eltern Unterstützung durch erfahrene Mitarbeiter sowie psychologische Begleitung. Nicht immer ist es allerdings möglich, die Situation so weit zu entspannen, dass die Jugendlichen wieder zu Hause leben können. Dann geht es in einem weiteren Schritt darum, gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfe einen guten Platz für sie zu finden. Das kann innerhalb der Herkunftsfamilie sein oder auch in einer sozialpädagogischen Wohngruppe.

Unbürokratischer Zugang.

Die Krisenstelle Wàki ist übrigens an 365 Tagen rund um die Uhr geöffnet. Der Zugang erfolgt kostenfrei und völlig unbürokratisch. Wer Hilfe braucht, bekommt sie auch. Wie lange die Jugendlichen dort bleiben, ist von Fall zu Fall verschieden. Es können von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten sein. „Sie sind so lange bei uns, bis wir eine gute Einschätzung treffen können, was sie brauchen und wie es für sie weitergehen kann“, erklärt Eisschill, der das Wàki von Beginn an mit aufgebaut hat.

Seine Arbeit für die Jugendlichen erfüllt ihn bis heute. Das Wichtigste ist für ihn dabei, ein Gespür für die jungen Leute und deren individuelle Situation zu haben: „Sie sollen sehen, dass es eine andere Welt gibt als all die Schwierigkeiten, die sie bisher erlebt haben. Sie sind wertvolle, liebenswerte Menschen, auch wenn sie mal Blödsinn machen.“

Berührende Worte im Gästebuch.

Wie wichtig das Wàki ist, zeigen die zahlreichen Besuche von ehemaligen Schützlingen und deren berührende Einträge im Gästebuch. Immer wieder spürt man große Dankbarkeit. Viele berichten, dass sie es ohne die einfühlsame Begleitung nicht geschafft hätten.

Auch für Ella hat sich bereits nach vier Wochen vieles entspannt. Langsam, aber sicher dürfen die Ritzwunden an ihren Unterarmen ebenso heilen wie  ihre seelischen Verletzungen. Mit ihrer Mama kann sie wieder reden. So weit, dass sie ohne Angst nach Hause zurückkehren kann, ist es allerdings noch nicht. Daher sucht das Wàki-Team eine passende Wohngruppe für Ella. Eines ist für sie jedoch schon sicher: „Ich komme euch auf jeden Fall wieder besuchen!“

Der Name Wàki stammt aus der Sprache der Hopi-Indianer und bedeutet „Zufluchtsort“. Im Wàki in der Linzer Schubertstraße 17 finden Jugendliche ab zwölf Jahren kostenfrei Unterstützung und Hilfe – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Etwa zwei Drittel der Jugendlichen sind Mädchen und ein Drittel Burschen. Durchschnittlich sind sie zwischen 14 und 15 Jahre alt. 

Seit der Eröffnung im Frühjahr 1994 wurden bereits 2200 Jugendliche und deren Familien begleitet.
Mehr Infos: www.diakonie.at/waki

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