Bewusst zurück in die Lust

Sexualberaterin Mag. Heidemarie König hat Tipps.

4 Min.

Verliebtes-Paerchen-im-Bett ©-Shutterstock

„Es tut mir so leid für ihn, dass ich keine Lust mehr habe.“ „Ach, ich hätte gerne wieder mehr Lust auf Sex.“ Sehr häufig konsultieren mich Frauen mit dem Thema Lustlosigkeit. Oftmals, weil sie für sich selbst wieder mehr in die Lust kommen möchten, aber manchmal auch aus einer Paardynamik heraus. Also, weil der Partner oder die Partnerin sich mehr Intimität und partnerschaftliche Sexualität wünscht. Die Diskrepanz zur fehlenden Lust führt oft zu einem enormen Leidensdruck.

Aber nicht alle Menschen, die sich selbst lustlos definieren, leiden darunter oder suchen nach Unterstützung. Wenn man keine Lust auf Sex hat und damit völlig zufrieden ist, wird man wohl nie eine Beratung aufsuchen. Auch in Beziehungen kann das gut funktionieren. Wenn es für beide passt, dass in der Beziehung wenig oder keine Sexualität gelebt wird, besteht kein Handlungsbedarf. Die Beziehungsqualität hängt nicht ausschließlich von der Sexualität ab.

warum die lust weniger wird

Ist allerdings der Wunsch nach Veränderung da oder der Leidensdruck schon groß, kann eine Beratung Klarheit bringen. Dabei fragen sich Frauen häufig, wo denn ihre Lust geblieben ist. „In der ersten Verliebtheit konnten wir kaum die Finger voneinander lassen – aber das ist längst vorbei.“ Es gibt viele Gründe, die die Lust auf partnerschaftliche Sexualität vermindern: Stress, ein hoher Workload, Unzufriedenheit mit der Arbeit, das schlafende Baby nebenan, partnerschaftliche Probleme, psychische Themen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.

genussvolle sexuelle begegnung

Ein Faktor, der manchmal vergessen wird, ist jener, dass nicht alles, was funktioniert, auch lustvoll sein muss. Wenn der Genuss in der sexuellen Begegnung nicht großgeschrieben wird, wird der Appetit darauf mit der Zeit oft weniger. Selbst wenn Penetration schmerzfrei und gut „funktioniert“, heißt das noch lange nicht, dass sie lustvoll erlebt wird. Wenn das zufällig noch gekoppelt ist mit einem Erregungsmuster, das mit sich bringt, dass man von der Lust der anderen Person abhängig ist, um selbst in die Lust zu kommen, kann es früher oder später eng werden – beispielsweise, wenn eine Frau in einer heterosexuellen Beziehung die Lust des Partners braucht, um selbst ihre eigene Lust spüren zu können. Vor allem dann, wenn der Partner in der Sexualität genauso tickt – also wenn auch er die Lust der Partnerin braucht, um sich selbst lustvoll zu spüren. In der Sexualberatung spricht man in diesem Fall von Heterozentriertheit. Bei Frauen führt eine Heterozentriertheit oftmals in die Lustlosigkeit, bei Männern wiederum in eine erektile Dysfunktion.

sich auf sich selbst konzentrieren

In der Beratung geht es deshalb darum, den Weg in die Autozentrierung zu finden. Das bedeutet: Wie kann ich die eigenen Sinnesempfindungen wahrnehmen, die eigene Erregung generieren und gleichzeitig achtsam präsent bleiben? Also weg von: Was muss ich tun, damit es der anderen Person gefällt? Hin zu: Was muss ich tun, damit es mir gefällt und wir uns gemeinsam auf Augenhöhe begegnen können?

Oftmals geht es nicht darum, die große Abwechslung ins Bett zu bringen. Der Tipp, im Sexleben doch einfach ein wenig experimentierfreudiger zu werden, geht nicht immer auf. Weil Sex an aufregenden Orten, die ausgefallensten Sexualpraktiken oder die ausgeklügeltsten Stellungen keine intensive Wahrnehmung der Erregung garantieren. Denn die Wahrnehmung kann auch bei 08/15-Sex großartig sein. Genau darum geht es! Wie ist die eigene Wahrnehmung in der sexuellen Begegnung mit einer anderen Person? Und wie sehr ist diese Person selbst im Spüren?

übungen zur körperwahrnehmung

Doch wie kommt man nun in so ein intensives Spüren? Gleich vorweg, Stress und die resultierende Muskelspannung reduziert die Wahrnehmung. Eine tiefe Bauchatmung und in der Sexualität ein wenig in die Bewegung zu kommen, können hier erste Schritte in Richtung intensiverer und besserer Wahrnehmung sein. Zeitgleich kann über unterschiedliche Körperwahrnehmungsübungen an einer vaginalen Erregbarkeit gearbeitet werden. Denn auch die Tatsache, dass viele Frauen in der Selbstbefriedigung ausschließlich die Klitoris stimulieren, um zum Orgasmus zu kommen, kann dazu führen, dass Penetration nicht als besonders lustvoll erlebt wird.

Letztendlich geht es darum, den Genuss während einer sexuellen Begegnung mit sich selbst oder mit anderen Menschen auszubauen und zu intensivieren, denn dann wird auch der Appetit wieder ein größerer. Der Körper folgt da einem sehr einfachen Prinzip: Spürmomente, die genuss- und lustvoll erlebt werden, werden auch wieder öfter gesucht.

Redaktion: Mag. Heidemarie König

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