ChatGPT: Revolution für die Bildung?

Eine Entmystifizierung.

3 Min.

Copyright: Shutterstock

Die Angst vor ihnen einerseits und der Hype um sie andererseits eint alle neuen Technologien vor allem in der Anfangszeit nach ihrer Einführung. ChatGPT ist hiervon nicht ausgeschlossen. Was es indessen bedürfte, ist Nüchternheit. Ob die Software Potenzial hat, die Bildung zu revolutionieren, darf bezweifelt werden.

Wenn es ein politisches Ressort gibt, das verlässlich das Gegenteil dessen umsetzt, was seinen Zielen, zu denen etwa die Erhöhung des Bildungsniveaus gehört, zuträglich wäre, ist das jenes der Bildung. Seien es die Gratis-Tablets, die seit dem Schuljahr 2021/22 von Schülern dazu verwendet werden, sich fortan nicht nur die Frei-, sondern auch die Schulzeit mit den neuesten App-Spielen zu vertreiben, sei es der starke MINT-Fokus, der mit ein Grund ist für den Sprachnotstand an Schulen und Universitäten – eine Entwicklung, die noch schneller voranschreitet als der technologische Fortschritt –, sei es der Wandel des Gymnasiums von der Schule für die Leistungsstärkeren zur Mehrheitsschule, oder sei es das Lehramtsstudium, das in Österreich zwar länger dauert als die meisten anderen Universitätsstudien und auch länger als in jedem anderen europäischen Land, aber Gymnasiallehrer hervorbringt, die fachlich mit jeder Reform weniger versiert sind – all dies legt den dringenden Verdacht nahe, das Bildungsressort verstehe von Bildung gar nicht so viel, wie sein Name vermuten ließe. Ausgerechnet ChatGPT jedoch soll nun das Ende von Bildung einläuten. Zu Recht? 

Wie hast du’s mit chatgpt?

Verteufeln, verbieten, euphorisch beklatschen, ignorieren oder gleichgültig hinnehmen, die Gretchenfrage entlarvt den, der sie beantwortet, schnell als technologiefeindlichen Ewiggestrigen, KI-Euphoriker oder Ignoranten. Ersterem entgegenzuhalten ist, dass die Dämonisierung – und damit oft einhergehend: Verbotsforderung – einer mindestens die Berufswelt bereits jetzt stark verändernden Entwicklung angesichts ihrer rasanten Verbreitung und ihrer Nutzenpotenziale weltfremd ist. Wenn die technische Evolution einem Gesetz folgt, dann demjenigen, dass Innovationen nicht durch Verbote aufgehalten werden können. Die KI-Software in verfrühter Euphorie kritiklos zu feiern dagegen ist naiv und zeugt von Unkenntnis (s. Kasten S. XX), und neue Entwicklungen nicht nur technologischer Natur schlicht zu ignorieren, hat noch nie zu wünschenswerten Ergebnissen geführt. Was fehlt, ist eine rationale Antwort. Diese könnte lauten, sich die an und für sich vorteilhafte Erfindung zunutze zu machen, ohne dabei mögliche Risiken, Gefahren und Schwächen sowie ihre Untauglichkeit für gewisse Anwendungsbereiche aus den Augen zu verlieren. Dies gilt ganz besonders für den Bildungsbereich.

leicht entlarvt

Wurden schriftliche Arbeiten und Referate, von Lehrern selten unbemerkt, einst aus Wikipedia kopiert, so vertrauen Schüler heute ChatGPT. Innert weniger Sekunden spuckt der Chatbot eine Antwort aus, die obendrein sprachlich einwandfrei formuliert und inhaltlich meist mehr oder weniger zufriedenstellend gestaltet ist. Und genau hier liegt die Krux, denn man muss der Software zugestehen, was Konrad Paul Liessmann sinngemäß einmal folgendermaßen auf den Punkt gebracht hat: Sie schreibt orthografisch, grammatikalisch und hinsichtlich Interpunktion einwandfrei – und es gibt keinen einzigen Maturanten in ganz Österreich, der das nur annähernd kann. 

Das Entlarven von KI-generierten Hausübungen ist folglich ein Leichtes, Programme, die dabei helfen sollen, brauchen Lehrer nicht. Dass sich künftig immer mehr Schüler ganze Hausarbeiten von ChatGPT schreiben lassen werden, ohne dass ihre Lehrer den Schwindel durchschauen, ist folglich unwahrscheinlich. Auch die Befürchtung, dass Studenten sich wissenschaftliche Arbeiten von ChatGPT schreiben lassen, wird sich nicht bewahrheiten, zumal das KI-Sprachmodell keine Texte erstellen kann, die über die Trainingsdaten, also diejenigen Texte, mit denen die KI trainiert wurde und auf denen die von ihr erstellten Texte basieren, hinausgehen und folglich weder neue Forschungsergebnisse präsentieren noch neues Wissen generieren kann. 

Den ganzen Text findet ihr in der aktuellen Ausgabe des Oberösterreichers.

das könnte dich auch interessieren:

Digitaler Humanismus

Herr  Horx erklärt die Zukunft

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus