Herr Horx erklärt die Zukunft

Der Zukunftsforscher im Talk.

6 Min.

© Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com), Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)

Kriege, ökologischer Wandel, Digitalisierung, Angst und Verunsicherung – die großen Krisen unserer Zeit machen einen neuen Ansatz des Zukunftsdenkens notwendig. Dem trägt Zukunftsforscher Matthias Horx mit seinem neuen Unternehmen „The Future:Project“ Rechnung und versucht mit einem Thinktank, durch den Nebel der Krisen hindurchzuschauen in eine neue Normalität.

Ich besuche Matthias Horx in seinem „Future Evolution House“ am Rande des Wienerwaldes in Wien, wo neben dem Wohnhaus auch das modulare Büro des renommierten Zukunftsforschers untergebracht ist. Umgeben von 4.000 Büchern erklärt er mir, warum er mit „The Future:Project“ die Zukunftsforschung neu denken will. Der Thinktank ist ein Netzwerk aus 15 Expertinnen und Experten, das sich nicht so sehr an Trends, sondern an Veränderungsprozessen orientiert. Denn die großen Umbrüche und Krisen unserer Zeit machen einen neuen Ansatz des Zukunftsdenkens notwendig.

© Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com), Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)

Herr Horx, Sie haben vor mehr als 25 Jahren mit der Trend- und Zukunftsforschung begonnen. Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Als wir begonnen haben, war die grobe Richtung immer klar. Es ging um mehr Wohlstand, mehr Frieden, Globalisierung, Individualisierung, erweiterte Konsumgesellschaft, he-
donistische Lebenskonzepte, mehr Digitalisierung. Im Grunde genommen war es ein ziemlich lineares Entwicklungsmodell. Heute leben wir in einer Zeit der allgemeinen und auch radikalen Verunsicherung. Die Demokratie zerfällt, und plötzlich haben wir wieder Vernichtungskriege. Das bedeutet, dass unsere Modelle falsch waren. Sie waren zu linear, zu idealistisch gedacht, zu technokratisch. In der Zukunftsforschung geht es immer viel um Technologie und jetzt eben auch um künstliche Intelligenz und alles, was damit zusammenhängt.

War das ein Grund mit dem Thinktank „The Future:Project“ neu durchzustarten?

Ja, denn die großen Umbrüche und Krisen unserer Zeit machen einen neuen Ansatz des Zukunftsdenkens notwendig. Wir brauchen eine Disziplin, die aus der Ganzheit der Zukunft heraus denkt. Die Krisen als Teil von Transformationsprozessen begreift, anstatt in Zukunftsangst zu erstarren. Wir brauchen eine neue Zukunfts-Bewusstheit. Ich wollte noch einmal wissen, ob man so etwas wie Thinktanks machen kann, also multidisziplinäre Denkfabriken, die aus verschiedenen Wissenschaften zusammengesetzt sind und auch für politische Organisationen und Unternehmen arbeiten.

Wie darf man sich diese Thinktanks vorstellen?

Unser Netzwerk besteht derzeit aus 15 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Forschungs- und Fachbereichen. Das reicht von Kognitions- und Digitalphilosophen, Publizisten und Soziologen bis hin zu Psychologen, denn wie Menschen die Wirklichkeit wahrnehmen, ist ein Teil unserer heutigen Verunsicherung. Nicht umsonst haben wir das Gefühl, dass die Welt so irrational wird, dass wir sie nicht mehr einschätzen können.

Gefühlt schlittern wir von einer Krise zur nächsten …

Wir brauchen die Theorie des Krisenhaften, denn Krisen sind auch immer Zeiten des Wandels. In der Geschichte gibt es alle 50 bis 100 Jahre Krisenzeiten, in denen alles durcheinandergerät. Krisen können Ökonomien von innen heraus verändern, neue Epochen einleiten und Kultursysteme neu konfigurieren. Aktuell befinden wir uns in einem Zivilisationswandel, einer Zeitenwende, die entweder mit einem globalen Zerfall enden wird oder mit einer neuen Integration in eine neue Kultur. Und das zu erahnen, zu beschreiben, ist eigentlich unser Ziel. Daher heißt unser neues Jahrbuch „Beyond“, was bedeutet, durch diesen Nebel der Krisen hindurchzuschauen in eine neue Normalität.

Wo sehen Sie im Moment die großen Krisen? 

Es gibt die Globalisierungskrise, es gibt eine Wohlstandskrise, eine Umweltkrise, eine kognitive Krise, eine Medienkrise, und diese Krisen hängen zusammen, deshalb nennen wir sie auch „Omnikrise“. Das eine beeinflusst letztlich das andere. Das liegt daran, dass die klassische fossile, industrielle Zivilisationsform zu Ende geht, was zu unglaublichen Verwerfungen führt.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist eigentlich ein fossiler Krieg, bei dem das alte Industrieprinzip verteidigt wird. Währenddessen gehen andere Kulturkreise bereits in diese Transformation. Das ist wichtig für jeden Einzelnen, für Unternehmen und für die Politik. Mit „The Future:Project“ versuchen wir, eine Art Resonanzraum zu sein, in dem man diese Transformation spüren und verändern kann. Man muss sich darauf einstellen, dass das länger dauern wird.

Wie lange schätzen Sie, dass es dauern wird?

Historisch gesehen dauern solche Übergangsphasen Jahrzehnte. Und wir fragen aus der Zukunft heraus, was es braucht, damit sich diese Krisen auflösen. Also welche Art von Wirtschaft, welche Art von Ökonomie, welche Art von Denken brauchen wir? Wir brauchen holistische Denkweisen. Ein massives Problem ist, dass ein Großteil der Menschen vom Bürger zum Konsumenten geworden ist. Und Konsumenten sind anstrengend, weil sie immer alles billig und sofort haben wollen.

Das ist auch die Haltung der Bürger gegenüber dem Staat, und das überfordert den Staat. Deswegen brauchen wir ein anderes Bürgerbewusstsein. Weiters brauchen wir auch ein anderes Mediensystem, eines, das uns nicht paranoid macht. Das panische Denken, das wir im Moment haben, wird auch sehr stark durch mediale Überformungen hervorgerufen. Die Hysterie, die verbreitet wird, führt zu Phänomenen wie dem Populismus. Das heißt, die Demokratie muss sich neu erfinden. Bei den Produktionsformen ist im Prinzip klar, dass wir am Ende dieses Verbrennungsprinzips ganz andere Produktionsweisen brauchen. 

Wie steht es um die Digitalisierung? Wird das ständige Präsent- und Online-Sein wieder zurückgehen? 

Das ist bereits im Gange. 30 bis 40 Prozent der ehemaligen „Heavy User“ reduzieren ihre digitale Präsenz bereits. Auch die Digitalisierung selbst ist in der Krise und hat unglaubliche Nebenwirkungen. Und jetzt kommt die künstliche Intelligenz, die die Kultur noch einmal von innen heraus extrem gefährden wird. Denn die Illusion, dass wir menschliche Kreativität in Maschinen verlagern können, ist eine riesige Herausforderung für die menschliche Würde und Integrität. Das kann die Menschen sehr verdummen.

Früher fuhren wir mit Straßenkarten durch die Gegend und wussten vorher, wo wir hinwollten, heute fahren wir mit dem Navi irgendwohin und wissen am Ende meistens nie, wo wir sind. Man hat keinen Kontext mehr. Und diese Verwirrung hängt sehr stark mit dieser Hypermedialität des Digitalen zusammen, weil alles in Pixel zerlegt, die Kontexte zerstört und ein hektisches Jetzt erzeugt, in dem wir uns nicht mehr zurechtfinden.

Deshalb brauchen wir eine digitale Revision, bei der man die sinnvollen, nützlichen und nicht schädlichen Anwendungen bevorzugt und der Mensch das andere macht. Wir nennen das auch die digitale Rehumanisierung, wo wir zum menschlichen Maß der Dinge zurückkehren. Sonst werden unsere Schulen auf Dauer dysfunktional, weil Wissen Langsamkeit und auch menschliche Vermittlung braucht. Die Maschinisierung von vielem wird nicht funktionieren.

Vor allem nicht in Sozial- oder Empathie-Berufen.

Ganz genau, man kann nicht alles digitalisieren, aber natürlich gibt es auch Sinnvolles. Ich habe vor Kurzem einen Unkraut-KI-Roboter gesehen, der sehr schnell Unkraut zupfen kann. Das ist toll, weil man keine Pflanzenschutzmittel mehr braucht. Man muss das Positive, das Sinnvolle, das Erleichternde vom Stupiden trennen. Als Thinktank ist es auch unsere Aufgabe, Vorschläge zu machen und diese Auswahl voranzutreiben. Das ist schwierig, aber nicht neu, denn neue Technologien haben am Anfang immer Gefahren mit sich gebracht. 

… die ganze Story findest du im aktuellen OBERÖSTERREICHER.

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