ANTIHELD AUS DEM MÜHLVIERTEL

Er trägt Schnauzbart und Norwegerpulli und überzeugt durch seinen trockenen Humor: Benedikt Mitmannsgruber (26), ursprünglich aus Liebenau im Mühlviertel, ist der neue Shootingstar der Stand-up-Comedy-Szene in Österreich.

10 Min.

© Thom Trauner

Seine Kindheit im Mühlviertel hat den Comedian geprägt: Benedikt Mitmannsgruber wuchs mit einem toxischen Männerbild auf – jeden Tag Schweinefleisch am Teller und die mühlviertlerische Abneigung gegenüber Neuem, ein Grund, warum er sich nie dazugehörig gefühlt hat. Seit dem Jahr 2018 verarbeitet der introvertierte Satiriker seine Erfahrungen aus der Heimat nun auf der Bühne und sahnt damit alle Preise ab. Heute trägt Benedikt Mitmannsgruber Ohrring und Schnauzbart, ernährt sich vegan, lebt mit seiner Freundin und ihrem Labrador, den er liebevoll „Schweinsbraten“ nennt, in Linz und tourt mit seinem Programm „Der seltsame Fall des Benedikt Mitmannsgruber“ durch Österreich und Deutschland. Wir haben den sympathischen New-
comer zum Interview getroffen und über Vorbilder, die Grenzen des Humors und die neue, junge Stand-up-Comedy-Szene in Österreich gesprochen. 

Benedikt, du hast Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert. Heute lebst du von der Comedy. Wie bist du zum Stand-up gekommen? 

Ich habe schon immer gerne lustige Texte geschrieben. Über das digitale Satiremagazin „Der Sportprophet“ wurden dann meine ersten Texte veröffentlicht. Da hat es mich schon gereizt, das mal auf der Bühne auszuprobieren. Meine Freundin hat mich dann ermutigt, sodass ich im September 2017 meinen ersten Auftritt auf der „Offenen Bühne“ am Salonschiff Fräulein Florentine in Linz hatte. Der erste Auftritt war gut, aber es waren auch fast nur Freunde von mir da (lacht).  

Du trägst auf der Bühne immer einen Norwegerpulli. Seit Weihnachten hast du einen neuen. Gibt’s da eine Geschichte dahinter? 

Ich hatte den Pulli mal bei einem Comedy-Wettbewerb an, den ich dann gewonnen habe. Ich bin ein bisschen abergläubisch, seitdem ist das mein Glückspulli (schmunzelt). Ich habe Angst, dass es kein guter Auftritt wird, wenn ich den Pulli nicht anhabe. 

Aber jetzt wurde er ja ausgetauscht. War das kein Problem? 

Ja, das war ein ziemlich großer Schritt für mich, der mich viel Überwindung gekostet hat. Aber ich habe es gewagt, und die ersten Auftritte damit waren super (lächelt). 

Skurril, absurd, trocken und schwarz!

Benedikt Mitmannsgruber über seinen Humor
© Thom Trauner

Deine Bühnenfigur wirkt sehr stoisch, sprich monoton, und auch etwas traurig à la Olaf Schubert. Wieviel hat der Bühnen-Benedikt mit dem echten Benedikt zu tun? 

Sehr viel eigentlich. Ich würde schon sagen, dass ich auf der Bühne sehr authentisch bin. Natürlich ist manches überzeichnet, aber der Bühnen-Benedikt und der private Benedikt sind sich sehr ähnlich. 

Wie würdest du deinen Humor beschreiben? 

Skurril, absurd, trocken und schwarz (schmunzelt). 

Hast du Vorbilder?

Ja, da gibt es viele. Früher habe ich immer Josef Hader, Thomas Stipsits und Klaus Eckel geschaut, aber seitdem ich selbst Stand-up-Comedy mache, schaue ich viel US-amerikanische Comedy. Ich bin ein riesengroßer Fan von James Acaster! Auch die britische Stand-up-Szene finde ich total lustig. Olaf Schubert ist natürlich ein Vorbild für mich. Generell gibt es in Deutschland richtig gute Comediennes und Comedians. Von der jüngeren Generation finde ich Till Reiners, Alex Stoldt und Helene Bockhorst richtig gut. Mittlerweile schaue ich also mehr deutsche, britische und amerikanische Comedy als österreichische. 

Konntest du schon jemanden davon treffen? 

Ja, Olaf Schubert habe ich schon einmal getroffen. Das war schön! Er ist privat eigentlich genauso wie auf der Bühne. Wir waren auf Anhieb beste Freunde (schmunzelt). 

Also der Spruch „Never meet your heroes” stimmt in deinem Fall nicht?

Nein, Olaf war wirklich genauso, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. 

Wie wichtig sind Comedy und Kabarett in globalen Krisenzeiten? 

Ich habe während der Coronakrise viele neue Geschichten geschrieben und auch einige Corona-
themen mit eingebracht. Also das ist schon cool, wenn man die aktuellen Themen in seine Stand-ups einbauen kann. Meine Comedy ist aber nicht nur politisch, ich habe auch viele Alltagsthemen. Aber wenn jemand richtig gute politische Comedy oder politisches Kabarett macht, finde ich das cool und wichtig! Um darin wirklich gut zu sein, muss man sich in der Thematik auskennen, auch schwierige Themen ansprechen und das Lustige im Makabren finden können.   

Was darf Humor? Muss Humor alles dürfen? 

Nein, da gibt es schon Grenzen. Ich mache mich auf der Bühne zum Beispiel nicht über Minderheiten, zu denen ich nicht gehöre, lustig. Das finde ich auch nicht witzig. Schwierige Themen anzusprechen ist meiner Meinung nach schon sehr wichtig, aber nach unten treten ist einfach uncool. Da mache ich lieber über mich selbst Scherze oder über Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Über private Personen mache ich mich nicht lustig – außer über meine Familie, oder eigentlich mehr über meine Mühlviertler Verwandten (lacht). 

Österreich-Termine (Auswahl):

06.04. GUNSKIRCHEN Veranstaltungszentrum

12.04. WIEN Kabarett Niedermair

16.04. FREISTADT Salzhof

20.04. WIEN Theater am Alsergrund

22.04. SCHWARZENBACH Wirtshausbühne Bernhart

27.04. OBERTRUM Braugasthof Sigl

29.04. ROHRBACH Centro

03.05. LINZ Kultur Hof

04.05. LINZ Kultur Hof

05.05. HARTBERG Stadtwerke-Hartberg-Halle

14.05. WIEN Orpheum

25.05. TRAUN Spinnerei

02.06. WIEN Kulisse

03.06. OBERNEUKIRCHEN Kulturwerkstatt Schnopfhagen

16.06. KLEINNEUSIEDL Papierfabrik Varieté

17.06. WALS BEI SALZBURG Die Bachschmiede

18.06. WIEN Kabarett Niedermair

25.06. KIRCHBERG A. D. PIELACH 

30.09. GALLSPACH Kursaal

14.10. HIRSCHBACH Kulturwerkstatt

19.10. LINZ Posthof

© Thom Trauner

Die Mühlviertler bekommen in deinem Programm ganz schön viel Fett ab.  Du spielst oft mit Klischees über die Provinz. Was magst du an deiner Heimat? Was nicht? 

Ich mag meine Eltern, meine Schwester und unser Haus (lacht). Auch die Natur finde ich voll schön im Mühlviertel. Aber die Engstirnigkeit und die Verschlossenheit gegenüber Neuem mag ich gar nicht an den Mühlviertlern. Gerade die Männer sind sehr verschlossen und alles ist ziemlich oberflächlich. Das mag ich nicht so gern. 

Warum, was ist los mit den Mühlviertler Männern?

Naja, so habe ich das zumindest in meiner Jugend erlebt. Ich war im Fußballverein und beim Roten Kreuz, da habe ich mich überhaupt nicht wohlgefühlt. Im Mühlviertel wird ein schwieriges Männerbild gelebt, mit dem ich mich nicht identifizieren kann. Es wurde ausschließlich über Autos und Alkohol geredet. Die größten Legenden waren diejenigen, die nach dem Trinken den Magen ausgepumpt bekommen haben (lacht). Das ist heute, glaube ich, immer noch so. 

Du lebst jetzt in Linz. Bist du noch oft im Mühlviertel? 

Ja, meine Freundin und ich fahren mit unserem Hund oft raus aufs Land und besuchen meine Eltern in Liebenau. 

Warst du schon als Kind der Klassenclown?

Nein, überhaupt nicht. Als Kind war ich eher schüchtern. Ich bin eigentlich sehr introvertiert.

Das ist in deiner Branche anscheinend gar nicht so unüblich. Der Comedian Felix Lobrecht, der mittlerweile Arenen füllt, sagte mal: „Ich mag Menschenmassen nur, wenn sie wegen mir kommen.“ Dir geht’s also ähnlich? 

Ja, das würde ich unterschreiben (lacht). Ich bin privat gar nicht so gerne unter vielen Leuten und im Mittelpunkt. Das mag ich nur auf der Bühne.

Was unterscheidet deine Comedy-Generation von der „alten“ Kabarettszene in Österreich?

Ich finde die junge Szene, die derzeit in Österreich und in Deutschland aufkommt, richtig gut. Die ältere Generation macht mehr politisches Kabarett, da werden Szenen gespielt und Nummern extrem lange aufgebaut. Die junge Generation ist stärker von der amerikanischen Stand-up-Comedy beeinflusst, bei der die Erzählbögen viel kürzer sind und mehr mit One-Linern (ein kurzer Witz, der in einem Satz erzählt wird, Anm. d. Red.) gearbeitet wird. Stand-up-
Comedy ist meiner Meinung nach authentischer.

Du schreibst auch für die Satirezeitung „Die Tagespresse“. Wie kam es dazu? 

Ja, genau. Ich schreibe zwei bis drei Artikel pro Monat. Der Chefredakteur von „Die Tagespresse“, Fritz Jergitsch, hat selber einmal Stand-up-Comedy gemacht, dabei haben wir uns kennengelernt. Ich bin jetzt seit zwei Jahren bei der „Tagespresse“ und mir macht das satirische Schreiben extrem viel Spaß, fast noch mehr, als auf der Bühne zu stehen. Beim Schreiben hat man kein direktes Feedback. Im Gegensatz dazu bekommt man auf der Bühne sofort bitter zu spüren, wenn die Leute etwas nicht lustig finden.

Ich habe gelesen, dass du gerade an einem Roman schreibst. 

Ich versuche es, ja. Ich schreibe einfach drauflos, mal sehen, was am Ende dabei rauskommt (lacht). Es war schon immer mein Traum, einen Roman zu schreiben. Mein Ziel ist es, vor meinem dreißigsten Geburtstag fertig zu werden. Das könnte sich ausgehen (schmunzelt). 

Kannst du schon verraten, worum es gehen wird?

Die Geschichte soll im Mühlviertel spielen, mehrere Erzählebenen haben und lustig, aber auch traurig sein. 

© Thom Trauner

Der Bühnen-Benedikt und der private Benedikt sind sich schon sehr ähnlich.

Gemeinsam mit deinem Stand-up-Kollegen David Stockenreitner spielst du demnächst auch das Programm „Neue Besen kehren gut“. Worum geht’s? 

David und ich haben beide einen „Stuttgarter Besen“ gewonnen. Der „Stuttgarter Besen“ ist ein Kabarett- und Kleinkunst-
Wettbewerb, der im Rahmen des Stuttgarter Kabarett-Festivals stattfindet. So entstand der Titel und wir haben geplant, künftig einmal im Monat gemeinsam aufzutreten und dabei einen Teil aus unseren alten und aktuellen Programmen zu spielen, aber auch neues Material zu testen. 

Apropos Material testen. Wie entsteht ein Soloprogramm bei dir? 

Ich teste alle meine Nummern, bevor sie ins Programm aufgenommen werden. Wenn ich neue Geschichten ausprobiere, bin ich immer unglaublich nervös. Sollten die Leute nicht an der Stelle lachen, an der ich damit gerechnet habe, bringt mich das so stark aus dem Konzept, dass ich völlig den Faden verliere und zum Heulen anfange (lacht). Ich schreibe auch jetzt schon wieder neue Geschichten, weil ich nicht auf Druck schreiben kann. Wenn ich wüsste, ich habe nächstes Jahr Premiere und muss mir jetzt dafür etwas einfallen lassen, dann würde ich komplett die Nerven wegwerfen. Deswegen fange ich jetzt schon einmal zum Sammeln an und teste die neuen Sachen bei Open-Mics (Comedy-Events mit offener Bühne, Anm. d. Red.) in Wien, Mixed-
Shows, die ich selber organisiere oder eben bei „Neue Besen kehren gut“ mit David Stockenreitner. 

An deinem großen Traum vom eigenen Roman arbeitest du schon. Hast du noch andere große Träume, die du verwirklichen möchtest?

Ich würde gerne ein Drehbuch für einen Film schreiben. Irgendwann im Globe Wien aufzutreten, ist auch ein Traum von mir. Vielleicht schaffe ich das in ein paar Jahren.

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