Endlich gut schlafen
Besser schlafen beginnt nicht im Bett, sondern im Kopf. Mediziner Andreas Kaindlstorfer erklärt, wie kleine Veränderungen einen großen Unterschied machen können.
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Wer kennt das nicht? Man liegt im Bett, wälzt sich von einer Seite auf die andere, die Gedanken kreisen. Ein Blick auf die Uhr: 2.17 Uhr. Nicht einmal vier Stunden noch bis zum Wecker. Bei dem Gedanken daran ist schon gar nicht mehr an Schlafen zu denken.
„Solche Nächte sind völlig normal“, sagt Dr. Andreas Kaindlstorfer. Der Facharzt für Neurologie und Leiter des Schlaflabors am Kepler Universitätsklinikum Linz beschäftigt sich täglich mit Menschen, die genau das erleben – wachliegen, grübeln, verzweifeln. Er weiß, warum uns der Schlaf oft so schwerfällt und warum weder Smartwatches noch Melatonin die Lösung sind.
Der Körper im Nachtmodus
„Schlaf ist viel mehr als nur Ausruhen“, erklärt Kaindlstorfer. Denn während wir schlafen, arbeitet unser Körper wie ein eingespieltes Orchester: Zellen und Organe regenerieren sich, das Immunsystem läuft auf Hochtouren, und das Gehirn räumt auf – Erinnerungen werden sortiert, Unnötiges gelöscht. Sogar Abfallstoffe werden aus dem Gehirn abtransportiert. „Im Schlaf laufen unzählige lebenswichtige Vorgänge ab“, so der Experte. „Deshalb ist er so wichtig für unsere Gesundheit.“

Wie viel Schlaf ist genug?
Rund acht Stunden gelten als ideal, aber keine Sorge: Jeder Mensch ist anders. Manche kommen mit sechs Stunden aus, andere brauchen zehn. „Wichtiger als die Dauer ist, dass man sich am nächsten Morgen erholt fühlt“, sagt Kaindlstorfer. Auch die Zusammensetzung spielt eine Rolle: Bei gesunden Erwachsenen entfallen etwa 20 bis 25 Prozent auf den Tiefschlaf, ebenso viel auf den Traumschlaf. Wie viel und wie tief wir schlafen, hängt stark vom Alter ab. Zum Beispiel werden die Tiefschlafphasen mit zunehmendem Alter kürzer.
Wenn Technik den Schlaf raubt
Viele Menschen verwenden Schlaf-Apps und Smartwatches, die messen, wie lange und „gut“ man geschlafen hat. Doch der Experte sieht das kritisch: „Für Menschen mit Schlafproblemen können solche Geräte zusätzlichen Druck erzeugen. Etwa, wenn die Uhr ,schlechten Schlaf‘ bestätigt und damit das subjektive Gefühl – oft unberechtigt – verstärkt.“ Denn noch sind die Daten dieser Geräte nicht seriös genug, um medizinisch zuverlässig zu sein. Schlaftracking könne hilfreich sein, wenn man entspannt damit umgeht, aber wer sich davon stressen lässt, sollte die Uhr lieber nachts ablegen.
Wer glaubt, er könne Schlaf am Wochenende nachholen, der irrt. Regelmäßigkeit ist der Schlüssel.
Dr. Andreas Kaindlstorfer
Warum aber schlafen heute so viele Menschen schlecht? „Unser Alltag ist reizüberflutet“, sagt Kaindlstorfer. „Früher haben wir am Morgen oder abends die Zeitung gelesen, heute prasseln ständig Informationen über die verschiedensten Kanäle auf uns herein. Wir scrollen durch Nachrichten, Chats und Social Media und unser Gehirn kann kaum noch abschalten. Und was uns tagsüber stresst, nehmen wir oft auch mit ins Bett.“
Sein Schlaflabor war beim diesjährigen Ars Electronica Festival mit einem Projekt dabei. Bei einer großen Befragung von rund 2000 Besucherinnen und Besuchern gab etwa ein Viertel an, in der Nacht zuvor schlecht oder sehr schlecht geschlafen zu haben. Besonders betroffen sind auch junge Menschen. Sie leiden unter dem sogenannten „sozialen Jetlag“ – also unter der Woche spät ins Bett, am Wochenende ausschlafen. Das bringt den inneren Rhythmus vollkommen durcheinander.
Echte Schlafstörung erkennen
Doch woran erkennt man, ob man ein echtes Schlafproblem hat? „Von einer Schlafstörung sprechen wir, wenn jemand über vier Wochen hinweg dreimal pro Woche nicht ein- oder durchschlafen kann und tagsüber müde, unkonzentriert oder gereizt ist“, erklärt Kaindlstorfer. Wer dagegen wenig schläft, sich aber fit fühlt, hat in der Regel kein Problem – auch wenn die Smartwatch etwas anderes behauptet.
Kleine Veränderungen, große Wirkung
Was hilft? „Das Bett sollte wirklich nur zum Schlafen da sein“, betont Kaindlstorfer. Wer länger als 20 Minuten wachliegt, sollte lieber aufstehen, etwas Entspannendes tun, lesen zum Beispiel, und erst dann wieder ins Bett gehen, wenn die Müdigkeit zurückkommt. Mindestens genauso wichtig sind feste Schlafenszeiten – auch am Wochenende. Wer glaubt, er könne Schlaf am Wochenende nachholen, der irrt. Regelmäßigkeit ist der Schlüssel.
Auch tagsüber lässt sich übrigens viel für guten Schlaf tun: ausreichend Bewegung, frische Luft, leichte Mahlzeiten am Abend und mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen bildschirmfreie Zeit. „Es ist weniger das blaue Licht als die Inhalte – Nachrichten, Social Media, E-Mails –, die uns gedanklich wachhalten“, weiß der Experte. Stattdessen: Musik hören, meditieren oder einfach nur entspannt atmen.
Viele Menschen greifen zu Melatonin-Produkte, die seit geraumer Zeit sehr gehypt werden. Andreas Kaindlstorfer winkt allerdings ab: „Melatonin klingt verlockend, weil es ein ‚natürliches‘ Hormon ist. Doch der Schlaf ist ein hochkomplexes Zusammenspiel vieler Botenstoffe. Da kann Melatonin allein wenig ausrichten.“ Die Studienlage sei bisher nicht überzeugend.
Und was macht der Schlafexperte selbst?
„Ich achte auf feste Schlafzeiten und versuche, regelmäßig acht Stunden im Bett zu verbringen“, sagt Kaindlstorfer. Tagsüber gehören für ihn ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung dazu. Und wenn es mit dem Schlafen mal nicht klappt? „Dann akzeptiere ich das. Ich stehe notfalls um vier Uhr auf, wenn ich gar nicht mehr schlafen kann. Solche Nächte gehören einfach dazu. Wichtig ist, ruhig zu bleiben – die nächste Nacht wird wieder besser.“
5 Tipps für besseren Schlaf:
- Regelmäßiger Schlafrhythmus: Möglichst jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gehen und zur gleichen Zeit aufstehen – idealerweise auch am Wochenende. Das sorgt dafür, dass die innere Uhr im Gleichgewicht bleibt, und verhindert so genannten „Social Jetlag“. Beispiel: Wer unter der Woche um 6 Uhr aufsteht und am Wochenende bis 10 Uhr schläft, hat einen Unterschied von vier Stunden, also quasi eine Zeitverschiebung wie zwischen London und Dubai. Langfristig kann das unter anderem zu chronischer Müdigkeit, Gewichtszunahme und Konzentrationsproblemen führen.
- Digitaler Feierabend: Mindestens zwei Stunden vor dem Zubettgehen kein Handy, Laptop und Computer. Das blaue Licht und besonders aber auch die Inhalte und Reize halten das Gehirn aktiv und verhindern, dass man in den Entspannungsmodus kommt.
- Mini-Rituale vor dem Schlafen: Entspannungstechniken, wie Atemübungen, Meditation oder progressive Muskelentspannung, helfen dabei, Stresshormone (Cortisol) zu senken. Auch eine Tasse beruhigender Tee, ein Buch oder ein kurzer Spaziergang können beim Abschalten helfen. In weiterer Folge kann der Körper besser in den Regenerationsmodus wechseln.
- Optimale Schlafumgebung: Im Schlafzimmer sollte es kühl, dunkel und leise sein. Die ideale Raumtemperatur liegt bei 16 bis 18 Grad. Hilfreich können Verdunklungsvorhänge, Schlafmasken und Ohrstöpsel sein. Auch elektronische Geräte haben im Schlafzimmer nichts verloren.
- Schlafvorbereitung am Tag: Guter Schlaf beginnt bereits tagsüber – mit ausreichender Bewegung an der frischen Luft und leichten Mahlzeiten am Abend. Auf Alkohol sollte man hingegen verzichten. Er wirkt anfangs zwar beruhigend, weil er das zentrale Nervensystem dämpft und die Einschlafzeit verkürzt. Doch sobald der Körper beginnt, den Alkohol abzubauen, kippt dieser Effekt. Die Stoffwechselprozesse regen den Organismus an und man schläft unruhiger, wacht häufiger auf und erreicht seltener die wichtigen Tief- und Traumschlafphasen.
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