ECHT: Ausstellung im Alten Rathaus in Linz
In ihrer Ausstellung „ECHT – Frauen, die sich nicht beugen“ porträtiert Tetyana Aleks bis zum 7. Dezember im Alten Rathaus in Linz 25 Frauen im Alter zwischen 40 und 80 Jahren – unverstellt, unretuschiert, mit all den Spuren, die das Leben hinterlässt.
Tetyana Alex und Fotograf Johann Wimmer © Johann Wimmer
Tetyana Aleks (42) kennt die Mechanismen der Schönheit bestens. Die gebürtige Ukrainerin hat Kunstgeschichte und Philosophie an der KTU Linz studiert, bis sie merkte, dass sie nicht über Kunst reden, sondern sie machen will. Seit fünfzehn Jahren arbeitet sie als Maskenbildnerin, Friseurin und Künstlerin und bewegt sich zwischen internationalen Filmproduktionen, der Berlin Fashion Week und dem ORF.
Nach ihrem Projekt „New Religion – Another Perspective“, das die Schattenseiten der Modeindustrie zeigte, geht ihr zweites Projekt ECHT tiefer hinein in die Seele, dorthin, wo Ideale zu Selbstzweifeln werden.
Tetyana, als Maskenbildnerin arbeiten Sie seit vielen Jahren mit Schönheit. Wann haben Sie begonnen, sie zu hinterfragen?
Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben, aber ich wollte sie verstehen. Als Maskenbildnerin arbeite ich zwar mit Gesichtern, aber in Wahrheit arbeite ich mit Menschen. Ich beobachte, wie sie sich selbst sehen, wie sie zweifeln, wie sie versuchen, „richtig“ zu wirken. Irgendwann wurde mir klar: Wir alle haben Angst. Angst, älter zu werden. Angst, etwas zu verlieren. Angst, nicht mehr zu genügen. Und genau da wollte ich ansetzen, in diesem Raum zwischen Schein und Sein.

Wie ist aus dieser Beobachtung die Ausstellung ECHT entstanden?
Ich sah in einem Museum eine Frau mit vielen Falten, aber unglaublich schön. Sie hatte eine großartige Frisur, elegante Kleidung, Stil, Haltung – und das hat mich fasziniert. Ich konnte meinen Blick kaum abwenden, weil sie gezeigt hat, dass Schönheit nichts mit Glätte zu tun hat. Sie war ein Statement. Vielleicht war es genau in diesem Moment, dass ich wusste: ECHT muss entstehen.
Was wollen Sie mit ECHT bewirken?
Es ist ein Weckruf – leise, aber ehrlich. Ich möchte, dass Frauen aufhören, sich zu bekämpfen. Wir leben in einer Zeit, in der uns erzählt wird, dass Älterwerden eine Krankheit ist, die man behandeln sollte, und in der Natürlichkeit zum Mut geworden ist. Nehmen wir „Sex and the City“-Schauspielerin Sarah Jessica Parker. Niemand spricht über ihr Talent oder ihre Rollen, alle reden über ihre grauen Haare und Falten. Wann ist es passiert, dass Altern zu einem Verbrechen wurde, man selbst zu sein zur Schande und das eigene Alter anzunehmen zu einem gesellschaftlichen Skandal?
Alter ist keine Zahl, sondern Energie. Schönheit ist keine Oberfläche, sondern eine Haltung.
Tetyana Aleks
Sie sprechen offen darüber, selbst Botox verwendet zu haben. Warum so ehrlich?
Weil Ehrlichkeit entwaffnet. Ich hatte eine Zornesfalte, und alle sagten: „Warum schaust du so streng?“ Dabei war ich gar nicht streng, ich war glücklich, müde, nachdenklich – einfach ich. Und trotzdem habe ich Botox einmal probiert. Aus Neugier und vielleicht auch aus Angst, alt zu werden. Und weil es alle rund um mich machten, begann es irgendwann normal zu sein. Doch nicht die Falte war das Problem, sondern der Gedanke, dass ich sie bekämpfen muss.
Also plädieren Sie für ein natürliches Altern?
Ich kritisiere keine Schönheitseingriffe und keine Kosmetikprodukte. Im Gegenteil, man kann damit auch sehr viel Gutes tun. Aber was mich traurig macht, ist die Richtung, in die sich das Ganze entwickelt. Diese Branche wächst so schnell, dass sie nicht mehr stärkt, sondern verunsichert. Alter ist keine Schwäche, sondern Erfahrung, Tiefe und Freiheit, man selbst zu sein. Jede Falte ist ein Beweis, dass wir gelebt, geliebt und gefühlt haben.

Viele junge Frauen kämpfen mit diesem Druck. Was würden Sie ihnen sagen?
Wartet. Lernt euch kennen. Arbeitet am Inneren, der Rest kommt von selbst. Ich sehe 25-Jährige, die sich schon Faltenunterspritzungen machen lassen, und 80-Jährige, die lachen, tanzen, lieben. Alter ist keine Zahl, sondern Energie. Und Schönheit ist keine Oberfläche, sondern eine Haltung.
In der Ausstellung in Linz sieht man Porträts von 25 Frauen zwischen 40 und 80 Jahren – unverstellt, unretuschiert. Wer hat die Fotos gemacht?
Johann Wimmer – er ist ein erfahrener Fotograf mit einem feinen, stillen Blick für Menschen. Ich habe gespürt, dass er Frauen wirklich sehen kann, ohne sie zu bewerten, ohne sie zu verändern. Ein Highlight ist auch die Videoinstallation von Videokünstler und Cutter Robert Breber, die zu Herzen geht.
Was sollen Besucherinnen mitnehmen, wenn sie die Ausstellung verlassen?
Wir sind alle gleich. Wir haben alle dieselben Sorgen, dieselben Falten, dieselbe Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Aber auch dieselbe Kraft, uns selbst zu umarmen und echt zu bleiben. Ich wünsche mir, dass sie sich vielleicht zum ersten Mal wieder im Spiegel anlächeln, ohne zu denken, sie müssten anders sein.
Was bedeutet ECHT für Sie persönlich?
Vielleicht ist ECHT ist meine eigene Art, Frieden mit mir zu schließen. Mit meinem Gesicht, meinem Alter, meinem Leben. Ein stiller Appell, uns selbst wieder zu vertrauen und zu erkennen, dass Schönheit schon da ist, wenn wir aufhören, sie zu suchen.
ECHT – Frauen, die sich nicht beugen
Eine Ausstellung über Mut, Würde und wahre Schönheit.
Zu sehen noch bis 7. Dezember
im Alten Rathaus in Linz
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