
Mauracher Hof: Wo Bio kein Trend, sondern Überzeugung ist
Juliane und Sissy Eder vom Mauracher Hof im großen Mutter-Tochter-Interview.
© Thom Trauner
400 Jahre gelebte Tradition, 45 Jahre Bio, 25 Jahre Hofbäckerei und ganz viel Leidenschaft und Herzblut. Am Mauracher Hof im oberen Mühlviertel wird seit Generationen gewirtschaftet – mit Herz, Überzeugung und dem festen Willen, es anders und besser zu machen. Sissy Eder hat gemeinsam mit ihrem Mann Josef den Hof übernommen und zu dem aufgebaut, was er heute ist. Seit dem Vorjahr führt Tochter Juliane zusammen mit ihrem Bruder Andreas die Geschäfte. In unserem Interview erzählen die beiden, warum bei ihnen Bio kein Trend, sondern Überzeugung ist, weshalb gutes Brot Zeit braucht, und was es heißt, als Mutter und Tochter gemeinsam ein Familienunternehmen in die Zukunft zu führen.
400 Jahre Mauracher Hof: Was bedeutet dieses Jubiläum für Sie beide persönlich?
Juliane Eder: Unser Hof wurde vor mehr als 400 Jahren erstmals urkundlich erwähnt, allein das ist beeindruckend. Für uns aber noch bedeutender: Seit 1980 betreiben wir biologische Landwirtschaft. Das heißt, wir feiern heuer 45 Jahre gelebtes Bio am Mauracher Hof. Zudem haben unsere Eltern die Bio-Hofbäckerei vor 25 Jahren gegründet. Diese Jubiläen machen uns stolz – sie zeigen, dass aus einer Überzeugung eine starke Tradition gewachsen ist.
Sissy Eder: Wir haben die Landwirtschaft übernommen und zu einem Bio-Betrieb ausgebaut, der noch immer das Fundament ist. Die Bio-Hofbäckerei ist daraus entstanden und hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Dieses Tun ist für mich zwar selbstverständlich, aber das Arbeiten mit hochwertigen Lebensmitteln ist immer noch etwas Besonderes. Mich berührt es, wie sehr unsere Produkte und unser Wissen geschätzt werden. Bei unseren Hofführungen spüren wir, wie hungrig die Menschen nach echten Informationen sind. Sie gehen dankbar nach Hause – das ist jedes Mal eine Bestätigung dafür, dass es richtig und gut ist, was wir machen.

Mittlerweile ist Bio zum Mainstream geworden. Wie schafft man es, trotzdem glaubwürdig zu bleiben?
Sissy Eder: Als wir damals auf Bio umgestellt haben, waren wir echte Exoten, aber auch Pioniere. Es gab nur wenige Betriebe, wir mussten uns organisieren, austauschen und gegenseitig bestärken. Erst als die Nachfrage stieg, wurde Bio für den Handel interessant. Leider ist damit auch vieles erlaubt worden, was mit dem ursprünglichen Bio-Gedanken nicht mehr viel zu tun hat. So wurde Bio „konzernfähig“. Bei uns ist das anders. Wir verwenden zum Beispiel kein fertiges Mehl für unsere Brote, das ist für uns ein absolutes No-Go. Unsere Vollkornmehle werden frisch gemahlen, direkt in die Teigschüssel hinein. Nur so bleiben Keimling und Nährstoffe erhalten – der Teil, in dem das Leben steckt. Es ist wie bei einem Apfel: Ohne Schale wird er braun, weil die Schutzschicht fehlt. Dasselbe gilt für das Getreidekorn. Wir gehen diesen Weg auch heute noch ganz bewusst. Nur so bleibt man authentisch und ehrlich.
Unseren Sauerteig habe ich vor 36 Jahren über die Weihnachtsfeiertage angesetzt und wir verwenden ihn heute noch.
Sissy Eder
Was macht Ihr Brot so besonders?
Juliane Eder: Es beginnt beim Saatgut. Wir arbeiten mit alten Getreidesorten, frei von Weizeneinkreuzungen. Das Getreide wird bei uns am Hof getrocknet, unter 38 Grad gereinigt, damit die wertvollen Keimlinge erhalten bleiben, und direkt vor der Verarbeitung frisch gemahlen. Wenn unser Bäcker zum Beispiel 80 Kilo Roggenmehl braucht, wird genau diese Menge frisch in die Teigschüssel gemahlen. Das schützt die empfindlichen Inhaltsstoffe und das schmeckt man. Wir wissen ganz genau, was in unserem Brot steckt. Bio ist nicht gleich Bio.
Sissy Eder: Unsere Vollkornbrote entstehen mit viel Geduld – etwa durch die Herstellung von Quellstücken, die das Getreide bekömmlicher machen. Unseren Sauerteig habe ich übrigens vor 36 Jahren über die Weihnachtsfeiertage angesetzt und wir verwenden ihn heute noch. Natürlich könnten wir es uns einfacher machen und ihn zukaufen, aber das widerspricht unserer Philosophie. Die langsame Teigführung wirkt wie eine enzymatische Vorverdauung. Das Brot wird dadurch viel bekömmlicher. Viele Menschen, die lange kein Brot essen konnten, berichten uns, dass sie unser Brot wieder gut vertragen. Das ist ein Beweis, dass sich der Aufwand lohnt.

Frau Eder, als Unternehmerin, die den Mauracher Hof mitaufgebaut hat: Würden Sie sagen, dass heute vieles leichter für Ihre Tochter ist?
Sissy Eder: Nicht unbedingt! Jede Generation hat ihre eigenen Herausforderungen. Heute ist die wirtschaftliche Lage schwierig. Ich beneide die jungen Menschen, die selbstständig als Unternehmer tätig sind, nicht.
Juliane Eder: Es war einfach eine andere Zeit. Meine Eltern haben den Hof aufgebaut – mit vollem Einsatz und Herzblut. Es gab nur eine Richtung: vorwärts. Heute haben wir mit Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Internationalisierung andere Rahmenbedingungen. Auch wir müssen uns mit diesen Themen beschäftigen, ohne unsere Wurzeln zu verlieren.
Wir sind offen für neue Technologien – solange sie unsere Produkte und deren Qualität nicht verändern.
Juliane Eder
Wie lässt sich so viel Tradition mit Digitalisierung und KI verbinden?
Juliane Eder: Wir sind offen für neue Technologien – solange sie unsere Produkte und deren Qualität nicht verändern. Mauracher bleibt Mauracher. Allerdings kann zum Beispiel in der Verwaltung viel vereinfacht werden.
Sissy Eder: Und manchmal ist es auch notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Tradition darf nicht stehenbleiben, sonst verliert sie ihre Zukunft.
Welche Werte haben Sie Ihren Kindern mitgegeben, Frau Eder?
Sissy Eder: Unsere Kinder mussten früh selbstständig sein, weil ich immer viel gearbeitet habe. Sie haben gelernt, dass man Dinge auch dann zu Ende bringt, wenn es mal schwerfällt. Zusammenhalt war und ist für uns immer sehr wichtig! Nur gemeinsam ist man stark.
Juliane Eder: Wir sind fünf Geschwister und ich frage mich oft, wie unsere Mama das alles geschafft hat (lacht).
Sissy Eder: Man wächst mit der Aufgabe. Man wird pragmatisch und organisiert sich gut, weil es gar nicht anders geht.
Juliane Eder: Die Werte, die wir von unseren Eltern gelernt haben, möchten wir auch an unsere Kinder weitergeben – und die Haltung, Dinge zu hinterfragen, gegen den Strom zu schwimmen, wenn es nötig ist, und sich selbst immer treu zu bleiben.
Juliane, Sie haben voriges Jahr die Geschäftsführung übernommen. War das immer schon Ihr Plan?
Juliane Eder: Tatsächlich war es ein Prozess. Im Vorjahr bin ich dann offiziell in die Geschäftsführung eingestiegen, während unsere Eltern nach wie vor die Eigentümer sind. Drei meiner Geschwister arbeiten ebenfalls im Betrieb mit – das macht uns als Familienunternehmen stark.

© Thom Trauner
Frau Eder, wie war es für Sie, loszulassen und Verantwortung abzugeben?
Sissy Eder: Anfangs war es ungewohnt, aber jetzt bin ich sehr erleichtert. Ich helfe, wo ich gebraucht werde, und sage meine Meinung, wenn mir etwas auffällt. Aber was die Kinder daraus machen, liegt bei ihnen. Und das ist gut so.
Und wie war es für Sie beide, beruflich so eng zusammenzuarbeiten?
Juliane Eder: Wir haben eine sehr gute Gesprächskultur, nehmen Rücksicht aufeinander und kennen unsere Stärken und Schwächen gut. Die Zusammenarbeit war nie schwierig. Wir haben den Übergabeprozess auch professionell begleiten lassen. Das ist wichtig, weil es gerade in einer Familie immer Themen gibt, bei denen eine Sicht von außen hilfreich ist.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Mauracher Hofes?
Juliane Eder: Dass wir unsere bestehenden Strukturen bestmöglich bedienen und neue Wege gehen können, aber immer unter der Prämisse, dass die Qualität gleichbleiben muss. Unser Online-Brotshop funktioniert zum Beispiel schon sehr gut: Brot, Gebäck und Mehlspeisen werden CO2-neutral in ganz Österreich zugestellt. Unser Ziel ist es, als Familie zusammenzustehen, gute Partner für Kunden und Lieferanten zu sein – und mit Herzblut das weiterzuführen, was wir mit Überzeugung leben.
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