Katharina Pommer: Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen

Wie du lernst, dich nicht mehr für alles verantwortlich zu fühlen

5 Min.

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Anhand vieler Fälle aus ihrer Praxis zeigt die Familientherapeutin und fünffache Mutter, wie man von der People-Pleaserin zur Frau wird, die sich ohne Schuldgefühle um ihre eigenen Bedürfnisse kümmert.

Egal ob in der Familie, im Job oder im Freundeskreis, gerade wir Frauen sind Weltmeisterinnen im ‚Uns-Kümmern‘ – sogar, wenn wir es gar nicht müssten. Wir fühlen uns zuständig und verantwortlich und touchieren dabei oft die Grenzen der Belastbarkeit. In ihrem Buch „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen“ zeigt Familientherapeutin, Podcasterin, Autorin und Fünffachmama Katharina Pommer, wie Frauen aktiv einen Schritt zurücktreten und Verantwortung abgeben können.

KATHARINA POMMER © Alexander Gigele

Frau Pommer, warum haben Sie den Zirkus als Metapher für das Leben und die vielen Rollen, die Frauen oft übernehmen, verwendet? 
Der Zirkus ist für mich das perfekte Bild für unseren Alltag – vor allem als Frau. Es ist immer viel los, es gibt ständig eine neue „Show“, die läuft, und unzählige Dinge, die wir jonglieren müssen: Job, Kinder, Partnerschaft, Freunde, Haustiere und dann noch die eigenen Bedürfnisse. So fühlt sich das Leben schnell mal als „zu viel“ an, und wir funktionieren irgendwie – manchmal auch als Clown oder Affenbändiger, nicht wahr?

Aber genau darin liegt die Gefahr, sich zu verlieren oder auszubrennen. Der Zirkus zeigt, wie schnell man den Überblick verlieren kann, wenn man versucht, alles zu schaffen und zu kontrollieren. Und Hand aufs Herz, wie oft glauben wir, der Laden läuft nicht ohne uns? Wir müssen lernen zu sagen: „Nein, bei dieser Veranstaltung mache ich nicht mit.“ Das bringt uns wieder zurück zu dem, was wirklich zählt. 

Warum haben Frauen das Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen, Stichwort „People-Pleasing“? 
Einer der Hauptgründe ist, dass Frauen häufig so erzogen wurden, dass Harmonie und Zustimmung als besonders wichtig angesehen werden. Schon als Mädchen lernen sie, dass es besser ist, „brav“ zu sein, sich anzupassen und nicht anzuecken. Ein weiterer Grund liegt in der fehlenden Anerkennung und Wertschätzung, die viele Frauen für ihre Arbeit, insbesondere die „Care-Arbeit“, erleben.

Frauen kümmern sich überwiegend um Kinder, Haushalt, ältere Angehörige oder generell um das Wohl anderer. Diese Arbeit wird oft als selbstverständlich angesehen und weder finanziell noch gesellschaftlich ausreichend gewürdigt. Daher müssen Frauen häufig kämpfen, um Anerkennung für etwas zu bekommen, das für viele unsichtbar bleibt. Es braucht also Veränderungen sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene, um mehr Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit, die viele Frauen täglich leisten, zu erreichen. 

Wie schafft man die Balance zwischen Hilfsbereitschaft und Selbstfürsorge, ohne als egoistisch zu gelten? Gibt es da einen Mittelweg?
Hilfsbereitschaft und Selbstfürsorge schließen sich nicht aus – sie ergänzen sich. Der Mittelweg besteht darin, bewusst zu entscheiden, wann und wie man hilft – ohne sich selbst dabei zu verlieren. Wenn wir keine Grenzen setzen, riskieren wir, uns selbst zu erschöpfen. Ein „Nein“ zu anderen ist ein „Ja“ zu uns selbst, und das sollte kein schlechtes Gewissen auslösen! Nur wenn wir gut für uns selbst sorgen, können wir auch gut für andere da sein. Klingt nach Floskel und Kalenderspruch – ist in Wahrheit aber eine notwendige Erkenntnis. 

Sie sind fünffache Mutter, Familientherapeutin, Unternehmerin, Podcasterin und Autorin. Gelangen auch Sie ab und zu an Ihre Grenzen? 
Oh ja, ich stoße regelmäßig an meine Grenzen – gerade wenn viele Rollen auf einmal gefordert sind – sei es als Mutter, in der Arbeit oder in meinen Projekten – merke ich, wie schnell ich in den „Ich muss das alles schaffen“-Modus verfalle. Aber ich habe gelernt, mich frühzeitig zu stoppen. Wenn es zu viel wird, stelle ich mir ganz bewusst die Frage: „Was davon ist wirklich wichtig, und was kann ich verschieben oder abgeben?“

Was auch hilft, sind kleine, aber regelmäßige Auszeiten. Es müssen keine großen oder kostspieligen Pausen sein, um sich vom Alltag zu erholen. Manchmal reicht es, zehn Minuten raus an die frische Luft zu gehen oder in Ruhe einen Tee zu trinken. Wichtig ist, dass diese Pausen regelmäßig stattfinden. Einmal im Jahr Urlaub machen und sonst immer auf Hochtouren laufen, das funktioniert auf Dauer nicht. So wie wir uns täglich die Zähne putzen, brauchen wir auch täglich kleine Momente der Selbstfürsorge. Was ich auch gelernt habe, ist, dass es keine Schwäche ist, offen zu kommunizieren, wenn es zu viel wird.

Was, wenn im Zirkus die Mitarbeiter streiken?

Wer räumt den Geschirrspüler aus, warum warst du mit dem Hund noch nicht spazieren? Unter der Überschrift „Der Zirkus muss weiterlaufen, selbst wenn die Mitarbeiter streiken“ behandelt Katharina Pommer die unvermeidlichen Pflichten, die in Familien und Beziehungen erfüllt werden müssen und oft Anlass zu Konflikten bieten. „Klare Aufgabenverteilungen und klare Kommunikation helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Jeder sollte Verantwortung für sein eigenes Wohlbefinden übernehmen und nicht die Schuld auf andere abwälzen“, weiß die Autorin und rät zur „Deep-Technik“, die dabei unterstützt, souverän in Konflikten mit unkooperativen Personen zu agieren.

Deep-Technik

Don’t defend (Verteidige dich nicht): Wenn du kritisiert wirst, vermeide es, dich sofort zu verteidigen. Das führt oft zu längeren Streitereien. Bleibe ruhig und konzentriere dich auf die Sache, nicht auf persönliche Angriffe. 

Don’t explain (Erkläre dich nicht): Es ist nicht immer nötig, deine Entscheidungen zu rechtfertigen, insbesondere wenn dein Gegenüber nicht offen für Verständnis ist. Vermeide ausführliche Erklärungen, die weitere Diskussionen anregen könnten.

Don’t engage (Engagiere dich nicht): Lass dich nicht emotional in die Probleme anderer hineinziehen. Halte Abstand, bleibe sachlich und gehe nicht auf Provokationen ein, um die Kontrolle über die Situation zu behalten. 

Don’t personalize (Nimm es nicht persönlich): Störenfriede handeln häufig aus ihren eigenen Unsicherheiten und Frustrationen. Erkenne, dass ihr Verhalten weniger mit dir zu tun hat und reagiere gelassen.

© Goldegg Verlag

„Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen – Wie du lernst, dich nicht mehr für alles verantwortlich zu fühlen“ von Katharina Pommer, Goldegg Verlag, € 21

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