Bäuerin Gertraud Berghammer im Interview
Ein großes Herz für Hof und Tiere.
(c) Domink Derflinger
Warum Gertraud Berghammer auf ihrem idyllisch gelegenen Hof mit Hausnamen „Lehner z’Langdorf“ stets aufblüht und wie daraus vor acht Jahren einer der ersten Hütthaler Tierwohl-Betriebe wurde, erfahren wir bei einem informativen Besuch.
Wenn Kinder flügge werden, entscheiden sie sich oft gegen den Beruf der Eltern. Nicht so Gertraud Berghammer. Schon als Kind und Jugendliche half sie gerne bei Mahd und Heuernte mit, tuckerte mit dem Traktor über Wiesen und Felder und packte an, wo sie nur konnte – da ließ ihr auch der Vater immer freie Hand. Schon früh konnte sie sich vorstellen, selbst einmal Bäuerin zu sein und den elterlichen Hof weiterzuführen. Dass allerdings Amors Pfeil ausgerechnet einen Landwirt traf, führte dazu, dass Gertraud am Erbhof ihres Mannes, dem „Lehner z’Langdorf“ in Meggenhofen, landete. Und weil es nicht ihr Ding ist, sich einfach ins gemachte Nest zu setzen, wurde schon bald und bis heute kräftig modernisiert, investiert, verschönert und viele der sprudelnden Ideen umgesetzt.
Getraud Berghammer: von der glucke zur leaderin
Auch wenn die sympathisch lachende Frau im Vertrauen verrät: „Früher war ich eine Glucke“, womit sie insbesondere ihre zwei Söhne und eine Tochter meint, die mittlerweile ins Alter zwischen 25 und 16 Jahren herangereift sind. Auch wenn alle drei ihre eigenen Wege gehen, so ganz haben sie sich vom Landleben zum Glück nicht abgenabelt. Und sollte es einmal notwendig sein, springt der Nachwuchs als Urlaubsvertretung für die Eltern ein und schupft den Vollerwerbsbetrieb mit Schweinewirtschaft samt Babyferkeln und Ackerwirtschaft – was aber eher selten vorkommt, weil es hier sowieso schön ist. Das merkt man besonders an den liebevoll gestalteten Oasen, die sich wie Urlaub anfühlen. Davon konnten wir uns bei einem Rundgang am Hof, der sich uns als Paradies für Tiere und Pflanzen präsentiert, persönlich überzeugen.
Und wir denken beim Gespräch: Da erinnert nichts an eine Glucke. Vielmehr sehen wir eine moderne Bäuerin und Leaderin, die viel bewegt – ob sie nun gemeinsam mit ihrem Mann einen modernen Tierwohl-Stall betreibt, im Ort einen regionalen Hofladen mit Abholservice ins Leben rief, als Ortsbäuerin Veranstaltungen und Workshops organisiert, sich ihrem geliebten Garten widmet oder als Vizebürgermeisterin ihres Amtes waltet.
Schicksal oder Wunsch: Frau Berghammer, war Bäuerin ein Beruf, den Sie bewusst angestrebt haben?
Ich wurde so hineingeboren und mochte die Arbeit mit Tieren immer sehr gerne. Mein Vater hat oft zu mir gemeint: „Du bist meine Bäuerin.“ So besuchte ich die landwirtschaftliche Haushaltsschule in Wels und dann die Landwirtschaftsschule in Kirchschlag, machte Ausbildungen wie den Facharbeiter für Hauswirtschaft und den Facharbeiter für Landwirtschaft. Nebenbei jobbte ich im Gasthaus und machte die Urlaubsvertretung als Briefträgerin in Meggenhofen – seither kenne ich alle Menschen und jeden Winkel in Meggenhofen (lacht). Bäuerin war aber schon ein Beruf, den ich mir selbst ausgesucht habe. Da halte ich es mit dem Spruch „Nur was man gern macht, macht man gut.“ Und so gesehen war es für mich der richtige Weg.
Was bedeutet es Ihnen, Bäuerin zu sein?
Ich bin aus tiefstem Herzen Bäuerin. Ich liebe den Umgang mit den Tieren, mit der Natur und das Miterleben vom Ansäen über das Wachsen bis zur Ernte. Wir produzieren auch hofeigenes Futter für die Tiere, Sojabohnen aus eigenem Anbau. Da ist dann schon die Wertschätzung noch einmal ganz eine andere. So sieht man die gesamte Lebensmittelkette von Anfang bis zum Schluss. Und wir haben unseren Betrieb auch sehr nachhaltig aufgebaut, mit minimalem CO2-Fußabdruck, was mir schon sehr wichtig ist.
Neben Ackerwirtschaft haben Sie sich für Schweinewirtschaft mit Babyferkel entschieden, warum?
Das ist eigentlich aus der Not heraus entstanden. Als der Bau neuer Stallungen für unsere damaligen Schweine fällig wurde, wollten wir eine Veränderung und Babyferkel dazunehmen. Zwar wurde uns davon abgeraten, da es schon einige Betriebe etwa im Innviertel versucht hatten und damit gescheitert waren. Denn das Halten von Ferkeln mit Ringelschwänzchen ist schon ein Pfoachtl.
Zwischenfrage: Was ist Pfoachtl?
Das ist der mundartliche Ausdruck für Herausforderung (lacht). Zugleich sind wir in Kontakt gekommen mit dem Fleisch- und Wurstwarenerzeuger Hütthaler in Schwanenstadt, der gerade dabei war, eine Fairhof-Schiene aufzubauen. Wir konnten unsere Pläne für den Neubau der Stallungen noch rechtzeitig auf die Tierwohl-Kriterien abstimmen und sind so seit 2016 ein Hütthaler Tierwohl-Betrieb der ersten Stunde. Natürlich waren es auch große Investitionen, aber für uns war es genau der richtige Zeitpunkt zum Aufspringen. Es funktioniert super, es war für uns genau die richtige Entscheidung und wir sind sehr glücklich damit.
Als Hütthaler Hofkultur-Partnerbetrieb der ersten Stunde, welche Tierwohl-Standards müssen Sie dafür einhalten?
Da gibt es eine Reihe von Standards, die es einzuhalten gilt. Das beginnt bei ausreichend Platzangebot und optimaler Futtermischung, einem Raumklima mit bester Luftzirkulation und Kühlung bis hin zu einer schallreduzierten Umgebung für weniger Stress und noch einiges mehr. Das alles für gute Arbeitsbedingungen sowie Respekt und Wertschätzung dem Tier gegenüber.
Die Tiere leben in klimatisierten Wohlfühlställen. Welchen „Luxus“ dürfen sie genießen?
Wir haben die Ställe nach dem Konzept NatureLine Tierwohlstall für einen emissionsarmen Betrieb zusammen mit der Firma Schauer gebaut. Wir sind damals auch extra in die Schweiz gefahren, um uns Ideen für unseren zukünftigen Stall zu holen, weil diese Art in Österreich noch nicht so verbreitet war. Unser neuer Stall erfüllt jetzt viele Kriterien, die auf das Tierwohl ausgerichtet sind. Die Schweine haben einen vollüberdachten Auslauf – ist es zu heiß, beschatten Jalousien automatisch. Drinnen herrscht immer gute Luft und die richtige Wohlfühltemperatur. Es gibt Windschutznetze und über ein Coolpad, das sind Waben über die Wasser rinnt, kann die Luft abgekühlt werden. Das wird alles per Computer angesteuert. Und wir haben Schweineduschen, die sind zeit- und temperaturgesteuert. Für das ganze System haben wir wirklich viel Zeit und Geld investiert. Außerdem produzieren wir über eine Photovoltaikanlage inklusive Speicher unseren eigenen Strom, um möglichst autark zu sein.
Wie gut können Sie von der Landwirtschaft leben?
Seit der Umstellung des Betriebs auf Tierwohl und Vollerwerb im Jahr 2015 können wir auch davon leben. Natürlich ist die Tierwohl-Schiene teurer, zum Beispiel leben die Tiere auf Stroh oder sie haben doppelt so viel Platz zur Verfügung, was höhere Baukosten verursacht. Der Mehraufwand wird aber schon auch honoriert und mit Förderungen zum Teil kompensiert. Trotzdem erfordert es immer auch ein gutes Wirtschaften. Der Standard in der österreichischen Landwirtschaft ist hoch, es gehört viel dokumentiert und es gibt viele Kontrollen, was auch gut ist.
Geht es sich aus, dass Sie auch einmal Urlaub machen?
Ja, Urlaub ginge schon, aber mein Mann ist eher die „Urlaubsbremse“ (lacht). Aber wenn man will, geht es. Wir waren letztes Jahr ein paar Tage in Schottland und unsere Kinder, die ja schon groß sind, haben sozusagen die Urlaubsvertretung übernommen. Die schupfen das neben Arbeit, Studium und Schule und haben alles super im Griff. Sie teilen sich die Stalldienste auf und kümmern sich um den laufenden Betrieb. Das klappt großartig.
Merken Sie seit Corona ein stärkeres Bewusstsein der Menschen für Bio und regionale Erzeugnisse?
Anfangs schon, aber leider ist nur ein Bruchteil davon übriggeblieben. Was ich aber feststelle, ist, dass unsere Regionalinitiative „Meggenhof-Kisterl“ im Ort, wo wir rund 300 Produkte anbieten können, besonders von jungen Familien angenommen wird.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Landwirtschaft?
Landwirtschaft braucht jeder! Vom Frühstück bis zum Abendessen. Oder beim Feiern – sei es mit Jause, Most oder Gin. Der Griff zu Billigprodukten schadet der kleinstrukturierten österreichischen Landwirtschaft. Ich wünsche mir ein stärkeres Bewusstsein der Konsumenten, denn ohne Landwirtschaft geht es nicht.