HOSI zum Thema Feminismus

Feminismus verbindet

Am 8. März 2024 ist der Internationale Frauentag. Ein notwendiger Anlass, um auf bereits erreichtes, aber auch auf die noch vielen „Baustellen“ bei den Frauenrechten aufmerksam zu machen.


7 Min.

© Thomas Kirchmaier

Gesetzliche Einschränkungen, soziale Normen und Strukturen sowie traditionelle Rollenbilder hindern Menschen daran, sich frei zu entfalten und gleichberechtigt am politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilzuhaben. Ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander ist im Alltag immer noch nicht selbstverständlich. Obwohl sich in den letzten Jahrzehnten einiges zugunsten der Frauenrechte verändert hat, ist völlige Geschlechtergerechtigkeit noch lange nicht erreicht.

Wir haben uns mit Conny Felice, der Geschäftsführerin der Homosexuellen-Initiative (HOSI) Salzburg und mit Sarah Thome (Leiterin der Bildungsprojekte) über die Themen Frauenrechte, Queer-Aktivismus und Gleichberechtigung unterhalten.

In welchen Bereichen werden Frauen nach wie vor diskriminiert?
Sarah Thome: Ich glaube, es gibt immer noch einige Themenbereiche, gerade im beruflichen Umfeld, wo es einfach noch viel an der Gleichstellung fehlt. Ein wesentlicher Punkt ist der Gender-Pay-Gap. Der ist in den letzten Jahren bis heute nicht wirklich gesunken und es hat sich, was die Zahlen betrifft, relativ wenig getan. Auch wenn man den bereinigten Gender-Pay-Gap betrachtet. Es gibt einfach den klaren Unterschied, dass Männer in gleichen Positionen deutlich besser verdienen als Frauen. Was vor allem oft an Gründen wie Teilzeitbeschäftigung und Care-Arbeit liegt. Etwa 48 Prozent der Frauen arbeiten in Teilzeit. Bei den Männern sind es vergleichsweise
10 Prozent. Frauen übernehmen zum Großteil die Betreuungsarbeit von Kindern oder auch von Angehörigen. Bei Männern ist oft der einzige Grund, in Teilzeitarbeit zu gehen, weil sie eben nicht mehr Vollzeit arbeiten möchten. Also rein aus einem selbstbestimmten Ansatz heraus.


Conny Felice: Gerade durch die Care-Arbeit, also Kindererziehungszeit und die Pflege von Angehörigen, fallen viele Frauen auf der Karriereleiter ein paar Stufen zurück. Und das ist einfach eine Ungerechtigkeit. Hier sind auch Männer gefordert, ihren Teil bei Kindererziehung und Pflege zu übernehmen, damit Frauen, wenn sie es denn möchten, Karriere machen können.


Sarah Thome: Studien zeigen in Bezug auf Bildung, dass Mädchen tendenziell schlechter in naturwissenschaftlichen Fächern bewertet werden – trotz ähnlicher Leistungen zu Jungen. Bei Bewerbungsverfahren in Jobs ist es genauso. Und im Pensionsalter sieht man, dass vor allem Frauen von Altersarmut, wenn sie allein leben, mehr betroffen sind, weil sie geringere Pensionen erhalten. Diskriminierung ist einfach ein breitgesellschaftliches Thema. Ein anderer Punkt ist die
Medizin: Frauen und Männer zeigen je nach Krankheit andere Symptome und sollten daher auch anders
behandelt werden. Erst in den letzten Jahren erlangt Gender-Medizin langsam mehr und mehr Aufmerksamkeit, wird aber immer noch viel zu wenig berücksichtigt.


Conny Felice: Auch Sexismus ist im­mer noch ein Thema. Übergriffigkeit erleben mehr Frauen im Ver­gleich zu Männern in Österreich. Das ist eine Form von Diskriminierung. Übrigens ist der Begriff Feminismus bei vielen noch ganz stark mit negativen Attributen besetzt, aber es geht letztendlich um Geschlechtergerechtigkeit. Es geht darum, dass für alle möglichst alles möglich sein kann. Geschlechtergerechtigkeit ist viel aussagekräftiger und betrifft ja vor allem auch beide Geschlechter. Feminismus ist etwas, wo Männer sich engagieren können. Und es geht bei Geschlechtergerechtigkeit auch darum, dass man sich bei der Care-Arbeit beziehungsweise bei der Pflege von Angehörigen untereinander gerecht aufteilen kann. Oder zumindest, dass die Möglichkeit für beide da ist. Und dass man solche Entscheidungen in einer Beziehung ausverhandeln kann, indem auch die Stärken berücksichtigt werden.

Übrigens ist der Begriff Feminismus bei vielen noch ganz stark mit negativen Attributen besetzt, aber es geht letztendlich um Geschlechtergerechtigkeit.

Conny Felice
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© Thomas Kirchmaier

Welche Parallelen von Feminismus und Queer-Aktivismus gibt es?
Conny Felice: Eine grundlegende Parallele von Feminismus und Queer-Aktivismus ist sicherlich das Bemühen um Gleichberechtigung in ganz vielen Bereichen.


Sarah Thome: Rollenbilder sind auch ein großes Thema, was beide anpacken. Also wo es darum geht, ein typisch männliches Bild aufzuweichen und zu zeigen, dass auch Männlichkeit in mehr Facetten existieren kann als nur in der einen stereotypen, rauen Holzfäller-Art.


Conny Felice: Es ist alles eine Frage der Definition, die sich durch unterschiedliche Kulturen und Religionen zieht. Und deshalb ist eine Verallgemeinerung einfach so schwer. Wenn man es aber auf die Grundthemen zurückreduziert, dann geht es letztendlich wieder um die Geschlechtergerechtigkeit.


Sarah Thome: Es sollte für möglichst alle Menschen die Freiheit bestehen, den Beruf zu wählen, den sie möchten, an der Gesellschaft teilzunehmen und ihre Identität auszuleben, ohne dass sie etwas darstellen müssen. Es gibt auch ganz viele heterosexuelle Männer, die unter diesem stereotypen Männerbild leiden. Weil sie auch mal weinen oder sich Sorgen machen oder ähnliche Gefühle haben wie Frauen. Und weil im Grunde Männer und Frauen sich in den meisten Sachen ja viel ähnlicher sind als das, was sich unterscheidet.


Conny Felice: Gewaltschutzzentren sind Organisationen, die letztendlich mit den Auswüchsen von den gelebten Klischee-Geschlechtsbildern konfrontiert sind. Es geht unter anderem um Beziehungsrollen, in denen Männer überfordert sind und dann möglicherweise leider in Gewalt ein Ventil finden.

HOSI zum Thema Feminismus
© Thomas Kirchmaier

Wie steht es um die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen in der heutigen Zeit?
Conny Felice: Die rechtliche Gleichstellung ist ja schon mal da. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen heiraten. Gleichgestellte Paare haben bei der Adoption der Kinder vom Partner oder der Partnerin nicht mehr die riesigen Probleme, die es vor ein paar Jahren gegeben hat. Da ist schon ganz viel Positives auf der rechtlichen Seite passiert. Ich denke, dass auch durch die vielen Rolemodels einiges an Akzeptanz passiert ist, die im Alltag ganz unaufgeregt ihr Leben als gleichgeschlechtliches Paar führen.


Sarah Thome: Sowohl gerade bei lesbischen Frauen als auch bei Frauen allgemein war die sexuelle Selbstbestimmung etwas Großes. Wenn man überlegt, dass erst in den 1980ern die Vergewaltigung in der Ehe in Österreich abgeschafft wurde.


Conny Felice: In vielen Glaubensgemeinschaften ist das Thema Frau-Sein nach wie vor sehr konservativ und die Rolle der Frau ganz klar definiert. Aber nicht nur im Bereich Religion, sondern auch in Kulturen und Traditionen ist das so. Feminismus kann man also nicht nur auf unsere westliche Gesellschaftslebensweise übertragen. Es braucht noch viel mehr Aspekte, die angeschaut werden müssen. Und: Feminismus kann nicht funktionieren, wenn man nicht auch Männer mitnimmt. Wenn ich Männer als Gegner sehe, dann kommen wir nicht weiter. Das muss ein Miteinander sein. Wir möchten möglichst viele Freund:innen und Unterstützer:innen gewinnen. Und keine Gegner:innen.

Was müsste sich in der Gesellschaft noch ändern?
Conny Felice: Ich glaube, dass es weniger darum geht, von anderen zu fordern, sondern dass wir schauen müssen, wie wir uns selbst verhalten und jede:r von uns als gutes Beispiel vorangeht. Da braucht es eine Veränderung im Mindset. Wenn wir immer nur sagen, dass alle anderen sich verändern müssen, damit es mir gutgeht, dann werden wir nicht weit kommen.


Sarah Thome: Wünschenswert wäre es, dass sich breitere Teile der Gesellschaft dazu ermutigt fühlen, Geschlecht zu reflektieren und sich zu überlegen, was es für sie bedeutet. Und vielleicht auch Rollen zu hinterfragen und einfach eine Öffnung zuzulassen. Wenn man es schafft, diese klassischen Rollenbilder besser zu überwinden, hat das am Ende Vorteile für alle. Zum einen für Männer, zum anderen für Frauen. Und für alle, die sich auf diesem Spektrum dazwischen bewegen. Hier geht es immer um Selbstidentität und Identitätsfindung. Jede Identität hat einen Wert.


Conny Felice: Schön wäre es, wenn es gelingt, dass man das Leben nach seinen Vorstellungen leben kann und das auch wiederum vorlebt, um ein gutes Beispiel für andere zu sein.

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Elisabeth Trauner
© Privat

Elisabeth Trauner ist Redakteurin von Unser SALZBURG und mit Stift, Block und Herz immer zur Stelle, wenn Menschen spannende Geschichten zu erzählen haben. Sie hört gerne Podcasts, braucht Krimis und True Crime-Dokus zum Einschlafen und probiert gerne Kochrezepte aus, die aber meistens komplett schief gehen.

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