Wolfgang Neumann: Jetzt wird saniert!

Rund eine Million Immobilien sind aktuell in Österreich sanierungsbedürftig.

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Zu welchen Strom- und Energiequellen es sich lohnt zu wechseln, wie Sanierung leistbarer wird und mit welchen einfachen Maßnahmen große Effekte erzielt werden können, hat uns Energie-Pionier und Gründer der Energiesparmesse Wolfgang Neumann verraten.

Ob das geliebte Eigenheim oder der Kauf einer renovierungsbedürftigen Immobilie: 2024 kommen auf viele Haus- und Wohnungsbesitzer wichtige Sanierungsmaßnahmen zu. 

Unterstützt wird dieses Vorhaben durch den aktuellen Sanierungsbonus seitens der Politik. Laut Wolfgang Neumann ist jedoch nicht jede geförderte Maßnahme notwendig, geschweige denn sinnvoll. Als Gründer der Energiesparmesse sowie des weltweit renommierten Umweltpreises „Energy Globe Award“ beschäftigt sich der Pionier seit über 40 Jahren mit den Themen Ressourcenschonung und Energieeffizienz. Warum es sich durchaus lohnt, der Sanierung mit kritischem Hausverstand zu begegnen und welches Onlineportal schnell und kostenlos beim Energiesparen hilft, hat uns der Oberösterreicher im Interview erzählt. 

Herr Neumann, mit „checkpoint.eco“ haben Sie kürzlich ein Onlineportal auf den deutschsprachigen Markt gebracht, das Energiesparen ganz leicht machen soll. Wie funktioniert das Portal konkret? 

Dank „checkpoint.eco“ oder „einfachenergiesparen“, wie wir es in Österreich genannt haben, kann man kostenlos mit wenigen Eingaben sein Haus oder seine Wohnung virtuell nachbauen und damit einen Richtwert für seinen Energieausweis ermitteln. Danach hat man die Möglichkeit, sein Haus virtuell thermisch und energetisch zu sanieren und sieht mit jeder Maßnahme sofort, was das für den Ausstoß von Emissionen oder den persönlichen Energieverbrauch in den eigenen vier Wänden bedeutet. Auf Wunsch wird anschließend der Kontakt zu einem regionalen Handwerker hergestellt, der auf Basis der Daten einen unverbindlichen Kostenvoranschlag erstellt. Gleiches gilt für mögliche Förderungen, die man für die gewünschte Sanierung bekommen kann. Checkpoint.eco ist völlig objektiv aufgebaut und verfolgt keine kommerziellen Interessen.

Zu welchen Strom- und Energiequellen sollte man im Zuge einer Sanierung wechseln? Was macht Sinn?   

Wichtig ist immer, zuerst den Energieverbrauch zu optimieren, erst dann stellt sich die Frage, womit man heizt. Aus meiner Sicht ist es ein großes Problem, dass wir heute alles auf Strom ausrichten. Photovoltaikanlagen produzieren nur ca. 1.000 Stunden Strom im Jahr. Im Winter ist die Erzeugung minimal, weshalb man ohne sehr großen und teuren Speicher auch nie energieautark werden kann. Ein zukunfts-
trächtiges Thema wäre hier die Umwandlung von Sonnenstrom in grünes Gas. Speicher, Leitungen und Abnehmer sind bereits vorhanden. Bei der Verwendung selbst wird dann lediglich das CO2, welches vorher beigemischt wird, wieder freigesetzt. Es ist wichtig, in puncto Emissionen immer die gesamte Erzeugungskette zu beachten. So bemerkt man schnell, dass weltweit der meiste Strom mittels Kohlekraftwerke produziert wird. Sinn macht es, auf ein bivalentes Heizungssystem zu setzen. Eine Möglichkeit wäre hier etwa, eine Luftwärmepumpe mit einem Kachelofen und Zusatzherd zu kombinieren. So ist man im Notfall bei einem längeren Stromausfall abgesichert und spart Emissionen und Kosten ein, da beide Energiequellen je nach Außentemperatur sehr energieeffizient eingesetzt werden können.

Wolfgang Neumann: Energie-Pionier und Gründer der Energiesparmesse. © Thom Trauner

Ist eine Sanierung bei derzeit steigender Inflation und hohen Kreditzinsen überhaupt für jeden leistbar? 

Die Leistbarkeit ist nach wie vor ein heikler Punkt, der aber zu lösen ist. Das Problem beginnt meist schon damit, dass zuerst die Heizung erneuert und erst dann eine thermische Sanierung durchgeführt wird. Die Folgen sind meist unnötig hohe Sanierungskosten und ein viel zu großes Heizvolumen, das am Ende gar nicht mehr benötigt wird. Noch dazu kann mit den vorab eingesparten Energiekosten mittels Contracting ein Teil des Kredites getilgt werden. 

Ist eine Sanierung immer automatisch mit hohen Kosten und Zeitaufwand verbunden? 

Das kommt immer auf die Art der Sanierung an. Gerade in den 60er-Jahren wurden viele Häuser ohne Dämmung der oberen Geschossdecke gebaut. Die Folge ist ein massiver Energieverlust. Mit einer Dämmung können innerhalb kürzester Zeit kostengünstig circa 30 Prozent Energie eingespart werden. Ähnlich ist es bei alten Kastenfenstern, bei denen es oft nur ein Dämmband am Innenfenster braucht, wenn sonst alles in Ordnung ist. In puncto Heizen fällt es vielen nach wie vor schwer, ihre bestehende alte Ölheizung durch eine erneuerbare Energiequelle zu ersetzen. Eine sehr gute und günstige Zwischenlösung wäre, den Heizkessel gegen einen Brennwertkessel zu tauschen. Der Austausch dauert einen Tag und bringt eine ca. 30-prozentige Reduktion an Energie und damit Emissionen, da die Wärme, die sonst durch den Rauchfang abgeht, nun für die Heizung bleibt.

Welche Werte muss ein Einfamilienhaus oder eine Wohnung überhaupt haben, um eine ausreichende Energieeffizienz zu erlangen? 

Im Neubaubereich spricht man heute von ca. 10 bis 20 kWh pro m2 und Jahr, bei einer sanierten Immobilie von ca. 40 bis 60 kWh pro m2 und Jahr. Aktuell haben rund eine Million Häuser in Österreich jedoch eine Energiekennzahl von über 200 kWh pro m2 und Jahr. Es sind deshalb mittels richtiger Maßnahmen unglaubliche Einsparungen möglich, die auch das Wohnklima drastisch verbessern. Wichtig ist aber auch,  Energie immer bewusst zu verwenden, wozu es auf unserem Portal viele Energiespartipps gibt.

Haben Sie ein paar Energiespartipps für uns? 

Im Grunde ist es ganz einfach. Schon ein Grad weniger Raumtemperatur spart sechs Prozent Energie und damit Geld. Das kann ganz leicht durch elektronische Heizkörperthermostate mit entsprechenden Einstellungen für den Tagesablauf erreicht werden. Öffnet man das Fenster, schaltet sich zudem der Heizkörper aus. Anstatt also das Fenster gekippt zu lassen, sollte man am besten in Intervallen von etwa fünf Minuten lüften. Bei kalten Außentemperaturen reichen bereits zwei bis drei Minuten. Wasser kann eingespart werden, indem man statt eines Vollbades die Dusche benutzt. Benötigt man heißes Wasser zum Kochen, ist es effizienter, es mit dem Wasserkocher, anstatt auf der Herdplatte zu erhitzen. 

Was halten Sie vom aktuellen Sanierungsbonus seitens der Politik? 

Der Sanierungsbonus ist eine äußerst wichtige Initiative der Bundesregierung, aber, wie vorab erwähnt, kommt es auf die richtige Reihenfolge an, und es muss im Sinne der Umwelt die gesamte Kette bedacht werden. Nach einer geförderten Sanierung sollte außerdem eine unabhängige Kontrolle stattfinden, wie etwa ein Blower-Door-Test, der aufzeigt, ob eine thermische Sanierung auch richtig ausgeführt wurde. Auch habe ich schon von Fällen gehört, wo Photovoltaikanlagen an der Nordseite des Hauses – und damit an der Stelle mit dem niedrigstem Ertrag –angebracht wurden. Hier geht es leider oft mehr um das Fördergeld als um den Umweltschutz.

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