Sex nach der Geburt: Paar küsst sich im Schlafzimmer, Baby liegt im Gitterbett davor.

Sex nach der Geburt

Gibt es den richtigen Zeitpunkt für Sex nach einer Geburt? Expertin Heidi König weiß mehr.

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Schwangerschaft und Geburt gehören wohl für viele Menschen zu unvergesslichen und emotional wundervollen Lebensphasen. Eine Geburt ist jedoch auch eine immense körperliche Leistung und stellt für viele Frauen ein sehr einschneidendes Erlebnis dar – nicht immer im positiven Sinne. Zwar überwiegt vor allem anfangs die überwältigende Freude über das Baby, doch viele Frauen beginnen nach vaginalen Geburten, mit ihrem eigenen Körper, dem Aussehen des Genitals und auch der neuen Sexualität zu hadern.

Das hängt wohl auch ein Stück weit damit zusammen, dass die Informationen, die werdende Eltern über Schwangerschaft, Geburt, Stillen und das Leben mit einem Baby erhalten, nicht immer neutral sind. Oft ist von der „aufregendsten Zeit einer Frau“ und den „Mamis, die es kaum erwarten können, ihren kleinen Schatz endlich in den Armen zu halten“, die Rede. Doch die Realität von (werdenden) Müttern ist nicht immer nur rosarot – manchmal kann sie knallhart und eine echte Herausforderung sein.

Es ist nicht selten, dass sich der Beckenboden, die Vulva oder die Vagina nach einer Geburt anders anfühlen als davor. Dies kann mit einem Dammschnitt oder -riss zusammenhängen oder mit wiederkehrenden Gedanken daran, ob es besser gewesen wäre, einen Kaiserschnitt in Betracht zu ziehen oder während der Geburt anders zu agieren. Ein solches Gedankenkarussell führt oft zu Engegefühlen und massiver Anspannung im Körper, was wiederum ein negatives Körpererleben begünstigen kann.

In den ersten Monaten nach der Geburt wäre es hilfreich, sich Zeit zu nehmen, um den eigenen Körper – und insbesondere das eigene Genital – wieder neu kennenzulernen.

Mag. Heidi König, Sexualberaterin & Sexualpädagogin

Daher wäre es in den ersten Monaten nach der Geburt hilfreich, sich Zeit zu nehmen, um den eigenen Körper – und insbesondere das eigene Genital – wieder neu kennenzulernen. Das kann damit beginnen, den Intimbereich im Spiegel zu betrachten, eventuelle Narben mit Salben zu pflegen und das Genital vorsichtig zu ertasten, um herauszufinden, welche Stellen Berührungen als angenehm empfinden und welche möglicherweise unangenehm reagieren.

Wichtig ist, dass alle Gefühle zugelassen werden. Es kann unangenehm oder negativ empfunden werden, wenn der Damm berührt wird und dadurch gewisse Reize an die vaginale Geburt erinnern. Vielleicht braucht es auch einige Wiederholungen, bis sich bestimmte Berührungen wieder gut anfühlen – das ist völlig in Ordnung. Eine Schwangerschaft dauert neun Monate, die Geburt ist eine enorme Belastungssituation, und der Körper benötigt daher ebenfalls Zeit, um neue Berührungsqualitäten und Empfindungen zu etablieren. Genau das ist jedoch für viele Frauen ein großer Stressfaktor: sich Zeit nehmen zu können beziehungsweise zu dürfen – Zeit für sich selbst.

Sex nach der Geburt: Frau hält Baby am Arm.
Die Realität von Müttern ist nicht immer nur rosarot – manchmal kann sie knallhart und eine echte Herausforderung sein. © pexels

Vielen frischgebackenen Müttern fehlt gefühlt sogar die Zeit, sich einmal in Ruhe die Haare zu waschen, die Fingernägel zu lackieren oder einfach eine Tasse Tee zu trinken. Hier sind Freunde und Familie gefragt, die vielleicht mit vorgekochtem Essen oder dem Angebot, mit dem Baby spazieren zu gehen, unterstützen können.

Es ist nicht hilfreich, Frauen unter Druck zu setzen, indem beim Besuch die Nase gerümpft wird, weil die Wohnung vielleicht nicht tipptopp aufgeräumt ist oder der Kuchen zum Kaffee „nur“ gekauft wurde. Auch „Ratschläge“ wie: „Du solltest schnell wieder für Geschlechtsverkehr bereit sein, sonst sucht dein Partner sich den Sex womöglich außerhalb der Beziehung“, sind völlig unangebracht.

Auch das Paar muss sich nach der Geburt als Beziehungspartner neu kennenlernen.

Mag. Heidi König, Sexualberaterin & Sexualpädagogin

All das stresst nicht nur immens, sondern verhindert auch, die schönen Momente im Leben mit einem Neugeborenen wahrzunehmen, und blockiert zudem lustvolle Begegnungen mit dem Partner oder der Partnerin. Auch in der Sexualität braucht es Zeit. Das Paar muss sich – neben der Rolle als Eltern, bei der das Baby immer die Priorität hat – auch als Beziehungspartner neu kennenlernen. Partner*innen fühlen sich oftmals zurückgewiesen, oder die verminderte vaginale Feuchtigkeit während einer sexuellen Begegnung wird als mangelnde Lust interpretiert. Dabei kann die reduzierte Feuchtigkeit in der Vagina auch mit dem Stillen zusammenhängen, da dies den Östrogenspiegel beeinflusst.

Auch die Unsicherheit bezüglich des Aussehens der Vagina oder die Sorge, sie sei nach einer Geburt „zu weit“ geworden, wird in Beratungen häufig angesprochen. Diese Sorgen sind jedoch weitgehend unbegründet. Die Vagina ist von der Beckenbodenmuskulatur umgeben, die durch Geburten nicht ausleiert. Natürlich sind Schwangerschaft und Geburt eine Belastung für den Beckenboden, und es ist ratsam, nach der Geburt Rückbildungsgymnastik zu machen, um die Flexibilität des Beckenbodens zu stärken. Der Mythos, die Vagina würde ausleiern, ist jedoch falsch.

Es braucht daher von Anfang an umfassendere Informationen und einen entspannten Zugang zu diesem Thema auf allen Ebenen. So wird die Zeit mit einem Neugeborenen wirklich zu einem unvergesslich schönen Lebensabschnitt, den man in vollen Zügen genießen kann.

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