Nackter Mann liegt auf dem Bauch in einem Bett.

Männliche Lust: Warum Erregung nicht gleich Erektion ist

Unsere Expertin Heidi König erklärt, was wir über männliche Lust (nicht) wissen – und warum das wichtig ist.

3 Min.

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Mann kann immer. Mann will immer. Mann braucht es – und zwar immer und überall. Solche Klischees über männliche Lust halten sich hartnäckig. Die Vorstellung, dass Männlichkeit gleichbedeutend mit sexueller Leistungsfähigkeit ist, erzeugt allerdings oft viel Druck. Genauso wie sie das Gefühl entstehen lässt, stets sexuell reagieren zu müssen. Unabhängig von Situation, Stimmung und dem inneren Erleben. Dabei ist es wichtig zu wissen: Nicht jede – bei Männern schließlich sichtbare – Erektion bedeutet, dass etwas Sexuelles dahintersteht, und nicht jede Abwesenheit eines erigierten Penis zeugt von fehlendem sexuellem Interesse.

Erregung und Erektion sind schließlich zwei unterschiedliche Dinge, die zugegebenermaßen oft gemeinsam auftreten, aber eben nicht immer. Doch es lohnt sich, diese zwei Phänomene auseinanderzuhalten, denn wenn diese Unterscheidung nicht bewusst ist, entstehen häufig Missverständnisse und Irritationen – auch innerhalb oder vielleicht sogar gerade in bereits lang bestehenden Partnerschaften oder Ehen.

Erektion als körperlicher Reflex

Die Fähigkeit, eine Erektion haben zu können, haben nahezu alle Menschen. Sie ist ein Reflex, der schon vorgeburtlich im Mamabauch via Ultraschall beobachtbar ist: Das Genital wird besser durchblutet, die umliegende Beckenbodenmuskulatur verändert sich und das Geschlechtsorgan wird größer. Das gilt für Penisse genauso wie für Vaginas als auch für intergeschlechtliche Geschlechtsteile. Es ist also sozusagen ein rein körperliches Geschehen.
Die Erregung wiederum ist das genitale Spüren – die Wahrnehmung. Man kann auch sagen: die Lust. Im Idealfall entwickeln sich in einer Situation Erregung und Erektion ziemlich parallel, aber es gibt auch Momente, wo Menschen eine immense sexuelle Lust verspüren, aber der Körper nicht mitspielt und es einfach zu keiner Erektion kommt. Oder umgekehrt. Der Körper signalisiert eine ganz klare eindeutige Linie, aber das Lustgefühl dazu stellt sich partout nicht ein. Dies hat nicht immer etwas mit dem Gegenüber zu tun. Manchmal sind es die äußeren Umstände, manchmal ist es einfach so – ohne Grund.

Ein Fall aus der Praxis

Frau S. (42 Jahre) erzählt: „Mein Mann und ich sind seit sieben Jahren verheiratet, wir haben zwei wunderbare Kinder und eigentlich eine schöne Beziehung. Am Anfang unserer Liebe war alles so leidenschaftlich – kaum waren wir allein, konnten wir die Finger nicht voneinander lassen. Ich erinnere mich, wie ich ihn nur berührt habe und er sofort eine Erektion bekam. Das hat mir das Gefühl gegeben, sexy und begehrenswert zu sein. Heute ist das anders. Manchmal ist sein Penis selbst während sexueller Begegnungen nicht vollständig erigiert. Ich frage mich, ob er mich vielleicht nicht mehr attraktiv findet – gerade nach den Schwangerschaften. Er sagt, dass das nicht der Grund sei und er mich liebe. Aber ich merke, wie uns diese Situation beide sehr belastet.“

Frau S. spricht ein Thema an, das viele Paare betrifft. Doch wie kommt es dazu? Der Druck, immer leistungsbereit sein zu müssen, die Sorge, dass es nicht mehr so klappt wie früher, aber auch Müdigkeit, Alltagsbelastungen, berufliche Probleme und Stress sind sehr zuverlässige Erektionsverhinderer. Wenn der Körperreflex namens Erektion einmal wirklich nicht auftritt, stresst das nicht nur Männer, denn für viele Männer ist die sichtbare Erektion sehr eng mit der Identität verwoben. Auch Partner*innen lassen sich dadurch schnell verunsichern und beziehen es auf sich selbst oder auf die Beziehungsqualität.

Menschen sind keine Maschinen

Dabei wäre es wichtig zu wissen, dass ein steifer Penis keine „Messlatte“ für die Lust oder das sexuelle Begehren ist. Die Lust kann auch ohne sichtbare Erektion da sein. Sollte es also einmal nicht klappen, sollte man nicht sofort an der Liebe, der Beziehung oder an der eigenen Standfestigkeit zweifeln, sondern ein Verständnis dafür haben, dass Menschen nun mal Menschen sind – und keine Maschinen, die auf Knopfdruck funktionieren.

Wenn es dennoch zu einer Belastung wird, kann ein professionelles Gespräch mit einer außenstehenden Person neue Perspektiven eröffnen und andere Blickwinkel aufwerfen.

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