Es gibt keine dummen Fragen
Frauen bekommen in Österreich noch immer im Schnitt rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Umso wichtiger ist es, rechtzeitig und richtig vorzusorgen.
© Richard Haidinger
Dabei sollten sie auf Informiertheit und Beratung setzen, haben uns Finanzexpertin Anna Kartner, Rechtsanwältin und Steuerberaterin Kornelia Waitz-Ramsauer und Versicherungsexperte Heinz Falmbigl bei einem Runden Tisch erklärt. Ihr Appell lautet: „Frauen, traut euch, Fragen zu stellen!“
IM Round-Table-Talk:
Heinz Falmbigl (li.)
Verkaufsleiter Stammvertrieb OÖ
der Wiener Städtische Versicherung AG
Dr. Kornelia Waitz-Ramsauer, LL.M. (mi.)Rechtsanwältin und Steuerberaterin
der Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz sowie Universitätslektorin
Anna Kartner (re.)
seit Juli 2020 Regionaldirektorin
der Sparkasse Vöcklabruck
Frauen leisten einen Großteil der unbezahlten Arbeit, übernehmen die Kindererziehung, den Haushalt und die Pflege. So unschätzbar wertvoll diese Tätigkeiten für unsere Gesellschaft sind, so unzureichend werden sie finanziell abgegolten. Für ihren Einsatz müssen Frauen zuerst beim Gehalt und später bei der Pension Einbußen hinnehmen. Altersarmut ist somit größtenteils weiblich.
Wie wichtig die Themen Vorsorge und Finanzbildung für die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen sind, zeigt eine aktuelle Studie von Erste Bank und Sparkasse. Demnach machen sich nämlich 27 Prozent aller Oberösterreicherinnen häufiger Gedanken über die Alters- und Pensionsvorsorge als Männer, bei denen es nur zwölf Prozent sind. Kein Wunder, bekommen Frauen in Österreich im Schnitt rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Grund genug für uns, zwei Expertinnen und einen Experten zum Runden Tisch zu laden.
Herr Falmbigl, welche Themen in Sachen Vorsorge beschäftigen Ihre Kundinnen? Was wird bei der Wiener Städtischen Versicherung nachgefragt?
Heinz Falmbigl: Die Hauptthemen, die unsere Kundinnen beschäftigen, sind vor allem die Altersvorsorge und die Gesundheitsvorsorge. Darauf haben wir uns als Wiener Städtische spezialisiert und engagieren uns mit unserer langfristigen Frauenkampagne #frausorgtvor für die Stärkung und Selbstbestimmung von Frauen in unserer Gesellschaft. Dass das Bewusstsein für Vorsorge allgemein, aber besonders für Altersvorsorge größer wird, haben wir im Vorjahr bei einer Informationsveranstaltung in Linz gemerkt, an der rund 100 Frauen teilgenommen haben.
Wie schaut es diesbezüglich im Bankenbereich aus, Frau Kartner?
Anna Kartner: Das Thema Pensionsvorsorge ist natürlich auch bei uns in der Sparkasse OÖ ein großes Thema. Das Bewusstsein für Vorsorge generell wird Gott sei Dank immer größer und geht langsam in die richtige Richtung, aber natürlich könnte es viel schneller gehen. Im Alltag in der Bank sehen wir, dass es viele Themen gibt, die rechtliche Folgen haben. Hat der Mann zum Beispiel am Gemeinschaftskonto Schulden angehäuft und es kommt zur Scheidung, ist das Einkommen der Frau weg. Das ist vielen nicht bewusst und dahingehend muss man aufklären. Gerade in Zeiten, wo es beziehungstechnisch gut läuft, ist es wichtig, die rosarote Brille abzunehmen.
Mit welchen Themen in Sachen Vorsorge kommen Frauen zu Ihnen als Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Frau Waitz-Ramsauer?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Das ist zum einen die betriebliche Vorsorge, sprich die Nachfolgeplanung im Betrieb oder die Übernahme der Firma. Da gibt es de facto zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Anders ist das bei Vorsorgethemen, wo es um Erbschaften geht, da muss man sehr genau nachfragen, ob ein Testament vorhanden ist oder ob es eine Vorsorgevollmacht gibt. Da sind Frauen teilweise nicht sehr gut beraten.
Können Sie uns dazu ein Beispiel geben?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Angenommen ein Mann hat ein Unternehmen, seine Lebensgefährtin arbeitet schon zehn Jahre in der Firma mit und das Paar hat zwei Kinder. Wenn der Mann plötzlich verstirbt und kein Testament vorhanden ist, schaut die Frau durch die Finger. Dahingehend müssen wir immer wieder Aufklärungsarbeit leisten und ein Bewusstsein dafür schaffen, wie man die Frauen bestmöglich absichert. Es kommt auch vor, dass Frauen im Betrieb des Mannes mitarbeiten und keine vertragliche Absicherung haben. Solange die Beziehung gut geht, ist alles schön und gut. Aber wehe, wenn sie zerbricht.
Im Durchschnitt bekommen Frauen um 900 Euro weniger Pension als Männer, was zu einem hohen Vorsorgebedarf führt.
Heinz Falmbigl
Herr Falmbigl, warum haben Frauen einen höheren Vorsorgebedarf als Männer?
Heinz Falmbigl: Im Durchschnitt bekommen Frauen um 900 Euro weniger Pension als Männer, was zu einem hohen Vorsorgebedarf führt. Ernüchternd ist für Frauen meistens der Blick auf das Pensionskonto, weil sie sehen, dass die Pensionslücke aufgrund von Karenzzeiten, Teilzeitarbeit und dem jetzt noch früheren Pensionsantritt dementsprechend groß ist. Leider sind auch heute noch zu wenig Frauen über das Thema Pensionshöhe und Vorsorge informiert, hier muss man ansetzen und Bewusstsein schaffen.
Wie kann man die künftige Pensionslücke einschätzen?
Heinz Falmbigl: Die Pensionslücke ist die Differenz zwischen dem Letzt-
einkommen und der Pension und kann zum Beispiel mit unserem Pensionslückenrechner auf der Website der Wiener Städtischen einfach und schnell berechnet werden.
Wann und wie sorgt man am besten vor?
Heinz Falmbigl: So früh wie möglich! Bei der Altersvorsorge kommt es nicht auf die Prämienhöhe an, selbst mit kleinen Beträgen kann man den Zinseszinseffekt für sich nützen und einen soliden Polster für die Pension ansparen. Unter unserer Dachmarke „Women’s Selection“ bieten wir für Frauen starke Vorsorgelösungen. Für jüngere Frauen ist zum Beispiel als Basisabsicherung die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge ein optimaler Einstieg. Weiter geht es dann über flexible Vorsorgelösungen mit erfolgreichen Fonds bis hin zu umfassenden Zusatzpaketen, wie die Prämienübernahme durch die Wiener Städtische bei Geburt, Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit.
Wenn man sich die Debatten betreffend unser Gesundheitssystem ansieht, merkt man, dass es auch gesundheitlich gesehen wichtig ist, rechtzeitig vorzusorgen. Warum braucht man zur gesetzlichen Sozialversicherung eine Zusatzversicherung?
Heinz Falmbigl: In Sachen Gesundheit zählt heute nicht mehr nur die sichere medizinische Versorgung, viele Menschen wünschen sich mehr Mitspracherecht und die Möglichkeit, Ärzte, Spitäler, Behandlungsmethoden oder -termine zu wählen. Das sind Serviceleistungen, die das öffentliche Gesundheitssystem nicht bieten kann. Außerdem gibt es in Österreich immer mehr Privat- als Kassenärzte. Daher sehen wir die private Gesundheitsvorsorge als ideale Ergänzung zu den Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung.
Frau Kartner, wann sollte eine Frau mit der finanziellen Vorsorge beginnen?
Anna Kartner: Wie Herr Falmbigl bereits gesagt hat, so früh wie möglich. Ich glaube, niemand kennt im Freundes- oder Familienkreis jemanden, der sagt, ich habe zu früh damit begonnen vorzusorgen. Aber bevor man an langfristige Themen zum Vermögensaufbau denkt, sollte man sich einen finanziellen Polster in der Höhe von zwei bis drei Gehältern für unvorhersehbare Ereignisse, wie die kaputte Waschmaschine oder die Reparatur fürs Auto, zur Seite legen. Hat man das geschafft, fühlt man sich sicherer und kann auch längerfristig veranlagen, sei es über einen Investmentplan oder über Fondssparen, wo man auch mit kleinen Beträgen ab 50 Euro schon viel erreichen kann.
Gibt es spezielle Finanzprodukte für Frauen?
Anna Kartner: Grundsätzlich gibt es keine speziellen Produkte für Frauen, das Wichtigste ist, dass man in der Beratung auf die spezifischen Bedürfnisse und Lebensphasen von Frauen eingeht. Denn nur wenn man informiert und aufgeklärt wird, hat man als Frau – aber natürlich auch als Mann – eine Basis, fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Studium, Beruf, Kinder, Karenz, Teilzeit – meistens dauert es lange, bis eine Frau wieder fulltime arbeitet – wenn überhaupt. Wie schafft man es trotzdem, finanziell gesund zu bleiben? Meistens denken Frauen ja zuerst an alle anderen.
Anna Kartner: Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Wir Frauen sind meistens die Kümmerer, das ist zwar eine wunderschöne Rolle und ein wertvoller Teil für die Gesellschaft, wird aber leider finanziell viel zu wenig abgegolten. Der erste wichtige Schritt ist, dass man sich mit diesem Thema auseinandersetzt und aktiv wird. Wie bereits angesprochen, sollte man sich über die Pensionslücke informieren und sich fragen, welche Beträge man für die Vorsorge aufbringen kann – in welcher Lebensphase auch immer. Diese Entscheidungen sind dann wirklich so individuell wie die jeweiligen Bedürfnisse, die wir alle haben.
Wir Frauen sind meistens die Kümmerer, das ist zwar ein wertvoller Teil für die Gesellschaft, wird aber leider finanziell zu wenig abgegolten.
Anna Kartner
Viele Menschen müssen aktuell den Gürtel enger schnallen. Wenn man Geld zur Seite legen kann, wie soll man es anlegen?
Anna Kartner: Je breiter man aufgestellt ist, umso besser ist es. Wichtig ist, vorab einen finanziellen Polster zu schaffen, bei dem die Sicherheit im Mittelpunkt steht und nicht die Rendite. Dann sollte man überlegen, was man langfristig erreichen möchte. Das kann von einem Bausparer bis hin zum Investmentplan und zur Wertpapierveranlagung gehen.
Frau Waitz-Ramsauer, Sie beschäftigen sich mit Situationen, die das berufliche Thema der Vorsorge betreffen. Bei der Firmenübergabe an die Nachfolge spielen sicher auch Emotionen eine große Rolle.
Kornelia Waitz-Ramsauer: Ja, natürlich. Zum einen gilt es für jene, die das Unternehmen aufgebaut haben, loszulassen, zum anderen muss man sich die Frage stellen, wer der Nachfolger oder die Nachfolgerin werden wird. Insbesondere dann, wenn mehrere Kinder da sind oder Dritte für die Nachfolge infrage kommen. In diesen Fällen ist eine sensible Beratung das Wichtigste, und wir Rechtsanwälte müssen uns trauen, die richtigen Fragen zu stellen. Man muss bei einer Firmenübergabe immer das Gesamtpaket sehen und alle Eventualitäten überlegen. Jenen, die das Unternehmen an die Kinder oder Dritte übergeben, muss zu Lebzeiten noch Geld oder Vermögen zur Verfügung stehen.
Wenn man ein Unternehmen an die Nachfolge übergeben will, wie und vor allem wann sollte man mit den Vorbereitungen beginnen?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Zwei bis drei Jahre vor der Übergabe wären perfekt. Denn wenn man eine Entscheidung in Sachen Nachfolge getroffen hat, ist es empfehlenswert, das Unternehmen genau zu durchleuchten und sich zu fragen, ob vielleicht noch irgendwo ein Handlungsbedarf gegeben ist oder ob es noch bestimmte Baustellen gibt, die man nicht an die Nachfolge übergeben will. Ein weiterer wichtiger Part von uns ist die sogenannte Pre-Strukturierung, was bedeutet, dass wir vor der Übergabe noch die Firmenstruktur optimieren, indem wir ein Einzelunternehmen mit Vollhaftung in eine GmbH umwandeln und so das Privatvermögen vor den unternehmerischen Risiken durch den Schutzschirm einer GmbH absichern. Andererseits kann eine Holdingstruktur bei einem Verkauf von Anteilen ein steuerlicher Nachteil sein (Stichwort: doppelte Besteuerung), sodass wir diese mittels Verschmelzung oder Spaltung steuerlich optimieren.
Wie können bzw. sollen Eltern, die eine Firma übergeben, für sich selbst vorsorgen?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Für Eltern, die das Unternehmen aufgebaut haben, kann es Sinn machen, vor der Übergabe die Liegenschaften aus dem Unternehmen herauszunehmen. In diesem Fall spalten wir den Betrieb von der Betriebsliegenschaft ab in eine eigene Gesellschaft und die Nachfolger bekommen vorerst nur den Betrieb. Die Eltern behalten die Liegenschaft und haben als Pensionsvorsorge noch die Mieteinnahmen. Wer dann letztendlich die Liegenschaft bekommt, sollte unbedingt testamentarisch, am besten mit einem Schenkungsvertrag auf den Todesfall, geklärt werden. Und natürlich schaue ich als Steuerberaterin auch auf die Steuern.
Aus meiner Erfahrung als Rechtsanwältin rate ich Frauen, sich bei aller Liebe in Sachen Vorsorge nicht zu sehr auf den Partner zu verlassen.
Kornelia Waitz-Ramsauer
Was raten Sie einer Frau, wenn zum Beispiel ihr Mann die Firma seiner Eltern übernimmt?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Gehört dem Mann das Unternehmen, muss man klären, wer im Fall seines Ablebens das Unternehmen bekommen soll. Sind Kinder da, wird es auf die Ehegattin und die Kinder aufgeteilt. Aufpassen muss man, wenn die Kinder minderjährig sind. In diesem Fall sind sie nämlich nicht geschäftsfähig und folglich kann bei einer Unternehmens-
entscheidung das Pflegschaftsgericht ein Mitspracherecht haben. Das wird leider in der Praxis oft übersehen.
Was, wenn man mit einer Freundin ein Unternehmen gründet, diese aber nach fünf Jahren aussteigen will?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Das ist ein Paradefall in der Betreuung unserer vielen Start-ups und Unternehmensgründungen. Wenn wir den Firmengründerinnen den vielseitigen Gesellschaftsvertrag vorlegen, fragen sie meistens, ob nicht ein Zweiseiter reichen würde, da sie sich ohnehin gut verstehen. Das geht aus unserer Sicht gar nicht, da man aus einem Gesellschaftsvertrag ganz schwer wieder rauskommt. Der Gesellschaftsvertrag ist der Fahrplan, in dem festgehalten wird, was passiert, wenn man sich nicht mehr versteht und Entscheidungen zu treffen sind, einer aussteigen oder seine Anteile verkaufen will bzw. wenn einer verstirbt. Im Streitfall dient er den Gesellschaftern als wichtige Entscheidungsgrundlage, auf die sie zurückgreifen können.
Wie man sieht, gilt es, in Sachen Vorsorge vieles zu beachten und trotz Digitalisierung, die uns ja vieles erleichtert, ist hier die individuelle Beratung das Wichtigste, oder?
Kornelia Waitz-Ramsauer: Genau, deshalb fürchte ich die Digitalisierung nicht (lacht). Jede Firmengründung, jede Übergabe eines Unternehmens ist unterschiedlich, daher braucht man immer eine gute und individuelle Beratung.
Anna Kartner: Das kann ich zu hundert Prozent unterschreiben. Gerade wenn es um schwerwiegende langfristige Entscheidungen wie Absicherung oder Wohnbaufinanzierung geht, will man einfach mit einem echten Menschen reden und Fragen stellen. Daher lautet auch mein Appell an alle Frauen: Informiert euch und lasst euch beraten! Und noch etwas: Es gibt keine dummen Fragen. Wir sind da, um Fragen zu beantworten, das ist unsere Aufgabe.
Kornelia Waitz-Ramsauer: Apropos Appell, aus meiner Erfahrung als Rechtsanwältin rate ich Frauen, sich bei aller Liebe in Sachen Vorsorge nicht zu sehr auf den Partner zu verlassen, denn der Partner ist keine Vorsorge.
Heinz Falmbigl: Viele Frauen sind sich der drohenden Gefahr der Altersarmut nicht bewusst und kümmern sich zu wenig um ihre private Vorsorge, aber Selbstbestimmung braucht finanzielle Unabhängigkeit. Daher lautet mein Appell: Frauen sollen auch finanziell das Beste aus sich herausholen und gesunden Egoismus leben.