Die Linzerin Laya Commenda zusammen mit ihren beiden Partnern.

Laya Commenda: „Poly ist kein Honiglecken“

Wie die Linzerin Polyamorie in der Beziehung lebt

6 Min.

Die Linzerin Laya Commenda zusammen mit ihrem Mann Daniel und ihrem Travel-Buddy und Ex-Lover Benjamin. © privat

Seit mehr als zwölf Jahren leben die Linzerin Laya Commenda und ihr Mann Daniel Schneider in einer polyamoren Beziehung. Was für viele Menschen nach einer Sex-Orgie klingt, ist in Wahrheit eine einvernehmliche Entscheidung, Liebesbeziehungen zu mehr als einer Person mit dem Wissen und der Zustimmung aller Beteiligten zu führen.

Nach all den Jahren gibt es immer noch Momente, in denen ich unsicher bin.

Laya Commenda

Groß, blond und sehr charismatisch: Als ich mich mit Laya Commenda zum Interview in einem Linzer Café treffe, spüre ich sofort die Energie und positive Ausstrahlung dieser Frau. Offen und ehrlich spricht die 51-Jährige mit mir über die polyamore Beziehung, die sie und ihr zweiter Mann Daniel Schneider seit zwölf Jahren führen. Wer glaubt, dass das ein Honiglecken ist, hat sich schwer getäuscht. „Eine Beziehung zu öffnen bedeutet, sich intensiv mit Besitzdenken, Eifersucht und Verlustängsten auseinanderzusetzen“, sagt sie. Und doch würde sie sich für nichts anderes entscheiden.

Als Expertin für Positive Psychologie und Begründerin der „Deep Journaling“-Methode begleitet Laya Commenda Frauen dabei, ein Leben in Fülle und Freiheit zu führen, was mitunter auch ein Grund für ihre Offenheit im Umgang mit dieser Beziehungsform ist.
 (www.layacommenda.com)

Laya, wie leben Sie Ihre polyamore Beziehung?
Mein Mann Daniel und ich praktizieren eine sogenannte „Ethische Nicht-Monogamie“. Das bedeutet, dass wir unsere Freiheit in Beziehungen mit klaren Vereinbarungen leben. Eine gut funktionierende Kommunikation steht dabei im Vordergrund, da dieses Beziehungsmodell ein stabiles Selbstwertgefühl, einen aufgeschlossenen Partner und bedingungsloses Vertrauen erfordert. Wichtig ist, dass jedes Paar seine eigenen Regeln festlegt. Daniel und ich sind die Hauptpartner und erzählen uns alles, was für uns relevant ist.

Will man wirklich alles wissen…

Mehrere Hände formen ein Herz
© Pexels/atccommphoto

Will man wirklich alles wissen?
Manche Paare leben eine offene Beziehung nach dem Motto „Don’t ask, don’t tell“. Sie genießen ihre Freiheiten, erzählen sich aber nichts davon. Für uns würde das nicht funktionieren. Nur weil wir uns alles erzählen – auch Dinge, die für den anderen schmerzhaft sind –, können wir ein so tiefes Vertrauen aufbauen, das uns viel Freiheit ermöglicht. Wir decken in unserer Beziehung zwar vieles gemeinsam ab, mögen aber auch unterschiedliche Dinge. Ich liebe es zu reisen und mich immer wieder neu zu entdecken. Daniel hingegen mag Beständigkeit und sinnliche Erfahrungen im häuslichen und freundschaftlichen Setting. Nach außen sieht das wie eine unbewältigbare Asymmetrie aus, aber für uns funktioniert es. Er gibt mir Halt und einen sicheren Hafen. Ich schenke ihm Entwicklung und frischen Wind.

Was geht in Ihnen vor, wenn Daniel zum Beispiel eine jüngere, sehr attraktive Frau trifft?
Natürlich löst das etwas in mir aus – meistens Verlustängste. Daniel hat diese Ängste nicht, darum beneide ich ihn. Aber genau diese Unterschiede fordern mich auch heraus, an mir zu arbeiten. Polyamorie zwingt uns zu einer Tiefe von Selbstreflexion, die ich in einer monogamen Beziehung vermutlich nie erreicht hätte. Nach all den Jahren gibt es immer noch Momente, in denen ich unsicher bin oder alte Ängste hochkommen. Aber das ist Teil des Prozesses: Wachstum hört nie auf.

Im Kern geht es mir um die Freiheit, und die ist mir heilig!

Laya Commenda
Portrait von Laya Commenda
Laya Commenda geht offen mit ihrer polyamorösen Beziehung um. © Martin Jordan Fotografie

Wie gehen Sie damit um, wenn der Mann, mit dem Sie sich einlassen, verheiratet oder in einer fixen Beziehung ist?
Da gibt es für mich klare Regeln. Ich würde niemals mit einem Mann etwas anfangen, wenn die Frau oder Partnerin nichts davon weiß oder nicht damit einverstanden ist. Dazu bin ich eine zu große Frauenfreundin. Ich hatte über mehrere Jahre eine Beziehung zu einem verheirateten Mann. Eines Tages war seine Frau mit der offenen Beziehung nicht mehr einverstanden, und wir haben uns getrennt. Ich habe damals sehr getrauert.

Haben Sie sich schon einmal so verliebt, dass Sie in Erwägung gezogen haben, Daniel zu verlassen?
Ich war schon ein paar Mal verliebt, aber es war noch nie der Fall, dass ich mir hätte vorstellen können, Daniel zu verlassen. Er ist mein bester Freund und Lebensmensch. Wir investieren viel in unsere Beziehung, zelebrieren den Alltag, gehen jeden Freitag gemeinsam frühstücken. Wir haben am 12.12. geheiratet und feiern jeden Monat unseren Hochzeitstag. Jedes Mal, wenn ich einen neuen Menschen kennen und lieben gelernt habe, hat sich die Liebe zu Daniel vertieft. Die Liebe vermehrt sich, je mehr wir davon geben und empfangen.

Sich selbst treu bleiben

Sie leben nun seit zwölf Jahren polyamorös. Wann haben Sie das erste Mal das Gefühl gehabt, dass es für Sie funktioniert?
Einer der Schlüsselmomente war ein sonniger Septembertag in Kopenhagen vor einigen Jahren. Ich war für eine Woche mit meinem Liebhaber aus Boston dort. Währenddessen war seine Frau in den USA und mein Mann in Österreich. Jeden Tag 
telefonierte ich mit ihm und fragte ängstlich, wie er sich fühlte. Seine Antwort? „Mir geht’s blendend!“ Und das klang absolut ehrlich. Dasselbe hörte ich von der Frau meines Liebhabers. Zum ersten Mal konnte ich wirklich spüren, was ich bis dahin nur theoretisch verstanden hatte: Es funktioniert. Wir leben in einer Welt voller Liebe, Verbindungen und Möglichkeiten – und es ist möglich, dass es dabei allen gut geht.

Von wem ging es aus, diese Beziehungsform zu leben?
Es war Daniel, der diesen Wunsch geäußert hat. Er sagte, dass etwas in ihm sterben würde, wenn er Polyamorie nicht leben könnte. Das war für mich ein Grund, dieser Beziehungsform zumindest eine Chance zu geben. Denn ich kenne diese Notwendigkeit aus anderen Lebensbereichen. So habe ich mit 47 Jahren in London Positive Psychologie zu studieren begonnen und bin mit 49 Jahren alleine ein Jahr lang auf Weltreise gegangen. Ich musste das tun, um mir selbst treu zu bleiben. Ich glaube daran, dass es Dinge gibt, die von manchen Menschen für ein erfülltes Leben gelebt und erfahren werden wollen bzw. müssen.

Sie gehen sehr offen mit Ihrer Polyamorie um und haben Ihre Beziehungsform vor zwei Jahren auf Social Media öffentlich gemacht. Wie waren bzw. sind die Reaktionen von den Menschen in Ihrem Umfeld?
Die Idee von Polyamorie löst bei vielen Menschen ganz schön etwas aus, und ich habe schon die unterschiedlichsten Reaktionen erlebt. Die meisten finden es mutig, viele reagieren verstört, manche warnen mich davor, ins Unglück zu rennen. Wir gehen auch in unserer Familie offen damit um. Mein Sohn hat es in der Pubertät verurteilt, heute, mit 22 Jahren, ist er sehr tolerant und aufgeschlossen.

Was sind Ihre Learnings aus zwölf Jahren Polyamorie?
Diese Beziehungsform kann sich manchmal wie ein Fulltime-Job anfühlen, weil sie viel Kommunikation, Abstimmung und Selbstreflexion erfordert. Aber wenn ich mich frage, ob es mir all das wert ist, ist die Antwort jedes Mal ein kristallklares Ja, ich will so leben und so lieben. Denn ich will eingebunden sein in eine Gemeinschaft, in ein größeres Netzwerk von „free spirits“. Die Grenzen der klassisch-monogamen Paarbeziehung werden mir vermutlich mein Leben lang zu eng sein. Im Kern geht es mir um Freiheit, und die ist mir heilig.

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