Copyright: Erik Diewald-Hagen, Peter Mayr, Andreas Wenter
Erik Diewald-Hagen hat sich auf Kollodium Nassplatten Fotografie spezialisiert. In Zeiten von Digitalfotos und Handybildern etwas sehr Besonderes, denn der Entstehungsprozess ist aufwendig und zeitintensiv. Das Ergebnis ist ein Foto, das so einzigartig wie der Mensch selbst ist.
Als Kind hatte Erik Diewald-Hagen den Spitznamen „Daniel Düsentrieb“. Weil er immer alles zerlegt hat und genau wissen wollte, wie es funktioniert. Noch heute ist seine Neugierde ungebrochen und so verwundert es nicht, dass sich der Linzer auf Kollodium Nassplatten Fotografie spezialisiert hat. Diese Art der Fotografie war Mitte des 19. Jahrhunderts populär. Das Ergebnis ist ein Bild, das so einzigartig wie der Mensch und der Augenblick ist, in dem es aufgenommen wurde. Dass es allerdings auch mit großem Aufwand verbunden ist, stört Diewald-Hagen nicht. Im Gegenteil! „Ich liebe den Entstehungsprozess“, sagt er. „Natürlich ist er aufwendig, aber gerade dieses Handwerk, die ruhige Beschäftigung mit nur einem einzigen Foto ist sehr befriedigend – vor allem, wenn man am Ende erfolgreich war und ein wunderschönes Werk in Händen hält.“
Sie sind Fotograf und studierter Physiker. Wie passt das zusammen?
In meiner Kindheit hatte ich den Spitznamen „Daniel Düsentrieb“. Ich habe alles zerlegt, was mir in die Finger kam, weil ich wissen wollte, wie es funktioniert, oder Neues daraus bauen wollte. Die Neugierde für Naturwissenschaft und Technik hatte ich von klein auf, die kreative und künstlerische Ader durfte ich erst später entdecken (lacht). Die Freude an der Fotografie begleitet mich ebenfalls schon lange. Mein erstes selbst verdientes Geld von einem Ferialjob ist in eine – damals analoge – Spiegelreflexkamera geflossen, das zweite Gehalt in ein Diaprojektor-Überblendset.
Wie ist es mit der Fotografie weitergegangen?
Als meine Frau Iris vor knapp zehn Jahren die Ausbildung zur Visagistin und Make-up-Artistin gemacht hat, hat es sich angeboten, die Fotografie wieder zu intensivieren und ein Fotostudio für Porträt- und Hochzeitsfotografie zu eröffnen. Ich wollte meine fotografischen Fähigkeiten ausbauen und bin mit dem mir innewohnenden klaren technischen Ansatz ans Werk gegangen: Man müsse wohl nur die Bedienung einer Kamera erlernen, vielleicht etwas über die Lichtsetzung, dann sollte alles klar sein. Tatsächlich ist es mir dann aber wie in einem alten Comic von Popeye ergangen: In dieser Szene steht er vor einem von außen gesehen kleinen indianischen Tipi-Zelt. Als er hineingeht, eröffnet sich ihm ein riesiger, reich ausgestatteter Palast. So hat sich für mich die Beschäftigung mit der Fotografie angefühlt – wie die Eingangshalle eines Schlosses, wo sich hinter jeder Tür weitere Welten auftun.
Hat Ihnen Ihr Know-how aus dem Studium dabei geholfen?
(lacht) Mein physikalisch-technischer Hintergrund war Segen und Fluch zugleich: Segen, weil er es mir ermöglicht hat, rasch und tief die technischen Aspekte und Zusammenhänge zu erfassen. Ich habe das Lernen von strikten Regeln noch nie gemocht, ich wollte immer die Hintergründe verstehen. Fluch, weil ich natürlich eine Schwäche für alles Technische habe und uns gerade die Fotoindustrie vorgaukelt, gute Fotos könne man immer nur mit dem neuesten, besten Equipment machen. Die Kameraausstattung ist aber nur ein kleiner von den vielen Räumen des bildlichen Schlosses.
Wie sind Sie dann zur Kollodium Nassplatten Fotografie gekommen?
Meine Neugierde und der Wissensdurst haben mich unweigerlich auch in den Keller und zum Fundament des imaginären Schlosses geführt. Insbesondere als wir Jugendaufnahmen meiner Großmutter gefunden haben, hat mich die weiche Anmutung der Schwarz-Weiß-Fotos fasziniert. So habe ich damit begonnen, intensiver nachzuforschen, mich bei Fachkollegen umzuhören und einzulesen. Am Ende dieser Reise war die „Kollodium Nassplatten Fotografie“, die in den 1850er- Jahren populär gewesen ist. Damals hat es geheißen, das Verfahren sei das „grässlichste, schmutzigste“ aller fotografischen Techniken, weil viel „Alchemie“, also Umgang mit Chemikalien, und Handarbeit notwendig sind. Historisch gesehen war es das erste für die Allgemeinheit zugängliche Verfahren, um Porträts von Menschen in sensationeller Qualität und Dauerhaftigkeit herzustellen.
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Begeisterung für diese Art der Fotografie reagiert?
Meine Frau Iris kennt mich gut und weiß, dass ich neue Dinge und Arbeit magisch anziehe, und wollte mich somit davor bewahren. Fachkollegen haben gemeint, man müsse die Fotos ja gar nicht „wie damals“ anfertigen, das würde doch alles Photoshop oder eine künstliche Intelligenz erledigen können. Tja, was soll ich sagen? Mittlerweile ist Iris genauso begeistert vom Prozess wie ich, die meisten Porträts und Kunstprojekte machen wir gemeinsam. Und auch die Photoshop-Fraktion hat bald erkannt, dass der besondere Charme der Bilder durch die Handarbeit und das haptische Resultat zustande kommt, die weder ein Bildbearbeitungsprogramm noch eine künstliche Intelligenz ersetzen kann. Vor gut fünf Jahren durfte ich dann in einem Workshop bei einem lieben Kollegen dieses großartige Handwerk erlernen. Dann galt es „nur“ noch, die passende Kamera anzuschaffen, zumindest ein erstes Objektiv dazu, eine Dunkelkammer einzurichten und die ganze Labor- und Chemieausstattung zusammenzusuchen. Leider ist es nicht so, dass man im „Fotoladen ums Eck“ einfach ein Starterset kaufen kann. Gerade die Verwendung von Originalobjektiven aus der Zeit von 1850 bis 1900 ist nicht nur aus nostalgischen, sondern auch aus technischen Gründen erforderlich. Allerdings sind funktionstüchtige Objektive teilweise nur noch sehr schwer zu bekommen – vor allem, wenn man ein spezielles Modell haben möchte.
zur person
Erik Diewald-Hagen hat Physik, Mathematik und Informatik studiert. Er arbeitet als Lehrer und Fotograf in Linz. Für Interessierte bietet er auch Workshops für Kollodium Nassplatten Fotografie an. Sein Angebot ist sehr umfangreich: Es gibt verschiedene Ausbildungsangebote, wenn man den kompletten Prozess erlernen und danach selbst mit der Kollodium Fotografie arbeiten möchten. Eine Besonderheit sind auch die Kennenlern- und Teamworkshops, in denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Kleingruppen auch ohne Vorwissen mit dem Thema beschäftigen und unter Anleitung selbst ein Porträt erstellen können.