Monika Buttinger im Talk

Monika Buttinger über Kostümbild im Film

Positiv respektlos

8 Min.

© Vanessa Hartmann/ Vandehart Photography

An jenem magischen Ort, wo schon Kostüme für Vicky Krieps und Anthony Hopkins entstanden, treffen wir eine Frau, der eine bemerkenswerte Kombination aus Mut und Feingefühl gelingt – und die seit Kurzem mitentscheiden darf, wer einen Oscar bekommt: Monika Buttinger.

Das könnte dich auch interessieren

In rund 90 Ländern wurde „Corsage“ gezeigt, die extravaganten Kostüme der Kaiserin Elisabeth tragen die Handschrift von Monika Buttinger. Was aus einem kleinen Filmland wie Österreich gelungen ist, fand und findet international viel Beachtung.

In Cannes fragte sie eine Journalistin nach ihrem Budget und staunte über die Antwort: „Oh wow, you did a lot with this budget.“ – „Das ist etwas, das ich wohl sehr gut von meiner Mama verinnerlicht habe: mit Dingen, die vorhanden sind, kreativ zu sein“, erzählt sie.

Monika Buttinger wuchs als das jüngste von fünf Kindern am Stadtrand von Linz auf, „in einer liebevollen Familie, ich hab’ gute Startvoraussetzungen gehabt“. Der Papa war Eisenbahner, „große Sprünge konnte man da nicht machen, aber die Mama und meine älteste Schwester waren textilaffin“.

So wurde stets mit viel schöpferischem Mut Kleidung umgearbeitet, „mein erstes Ballkleid war ein Werk aus verschiedenen Versatzstücken“, schmunzelt sie. Ihr Herz gehörte von klein auf den Tieren, erzählt sie, während sie zärtlich zu ihrer müden Schäferhündin
blickt. „Sie ist leider schon alt“, seufzt sie. Viel unterwegs zwischen den Filmsets, zog sie ihre treue Kameradin praktisch in Hotels auf.

© Vanessa Hartmann/ Vandehart Photography

Monika buttinger im Talk

Als Kind wollte Monika Buttinger Tierärztin werden. Dann sah sie mit 13, 14 „Fellinis Casanova“ und alles änderte sich.

Monika Buttinger: Das ist ein Meisterwerk aus den 1970ern, nicht jugendfrei und ziemlich schräg. Danilo Donatis Kostüme sind spannend historisch interpretiert und haben viel Ironie. Er hat dafür seinen zweiten Kostüm-Oscar bekommen – als Europäer. Ein großes Vorbild! Ich wollte das auch machen.

Konntest du deine Ausbildung entsprechend wählen?

Man kann Kostümbild in Österreich nicht studieren, aber ich konnte an der HBLA für künstlerische Gestaltung in Linz viele Techniken ausprobieren und bin nach der Matura nach Wien an die Modeschule Hetzendorf. Wir hatten dort das Privileg, in einem neuen Lehrgang in einer kleinen Klasse unterrichtet zu werden – mit viel Idealismus und Engagement.

Für meine Diplomarbeit habe ich eine Kollektion für die Firma Moser gemacht – und bin damit nach der Prüfung wirklich nach Seewalchen gefahren. Herr Moser senior hat gleich meine Kollektion übernommen, eine Jackenkollektion für Airfield!

Du warst dann viele Jahre freiberuflich für Airfield, später auch für Eisbär tätig, aber du wolltest zum Film. Ein Freund hat dich an Leopold Lummerstorfer vermittelt, der an seinem ersten Kinofilm arbeitete …

Wir haben uns sofort gut verstanden, als die nächste Hürde galt die Produktionsleitung: Monika Maruschko. Sie hat mich gefragt: „Kannst du das?“ Ich hab’ gesagt: „Ja!“ – Menschen wie sie sind sensibel, sie spüren, wenn jemand für etwas leuchtet. Sie wurde meine Mentorin und hat auch viele andere supportet.

Wie war dein Gefühl dazu?

Ich hab’ Freudensprünge gemacht und auch nicht gezweifelt. Ich habe in meiner Familie vermittelt gekriegt, dass alles möglich ist. Das möchte ich auch an junge Menschen weitergeben: Wenn man eine große Passion für etwas hat, dann sind wir hier bei uns in Mitteleuropa in einer Position, in der es Wege dafür gibt. Dieser Film („Gelbe Kirschen“, Anm.) war ein wichtiger Step für mich.

Erst als alles fixiert war, habe ich erfahren, wer mitspielt: Josef Hader, Maria Hofstätter, Georg Friedrich, Erwin Leder – da krieg’ ich jetzt noch Gänsehaut.

Wie hast du die Arbeit erlebt?

Spannend, schön – und anstrengend (lacht). Filme vorbereiten und drehen – das passiert auch heute in komprimierten Zeitfenstern und es ist energieintensiv. Es gibt kaum Planungssicherheit, weil viele Faktoren eine Rolle spielen.

Es ist immer ein Team, das neu zusammengewürfelt ist und jeweils ein neuer Cast, es sind
Wettersituationen nicht absehbar. Es kann sein, dass jemand krank wird, umbesetzt werden muss, und es um fünf Uhr morgens eine Kostümprobe braucht; es wird auch nie chronologisch gedreht.

Ich bin – je nach Projekt mit einem Team aus vier bis 25 Menschen – dafür verantwortlich, dass die Kostüme zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Die Kostüme beispielsweise von „Corsage“ sind auch deswegen so toll, weil hochtalentierte Schneiderinnen meine Entwürfe interpretiert und umgesetzt haben; das braucht viel modisches Gespür, Wissen und Feingefühl.

Wann kommst du jeweils zu einem Filmprojekt dazu?

Im besten Fall schon in Zusammenhang mit der Einreichung (um Förderungen, Anm.); es kann dann Monate,
manchmal Jahre dauern, bis die Finanzierung steht. In der Zwischenzeit beginne ich zu recherchieren, ich finde es genial, in unterschiedliche Sphären und Zeiten einzutauchen: Für „Rubikon“ haben wir beispielsweise technische Dinge für die Zukunft entwickelt (Science-Fiction-Film von Magdalena Lauritsch, Anm.).

Wie war die Arbeit an „Corsage“? Wie ging es dir, als du Marie Kreutzers Buch gelesen hast?

Es hat mich beim Lesen wortwörtlich „weggefetzt“, ich habe gewusst: Der Film wird groß. Ich hatte mir vorgenommen, keine Sisi-Filme anzuschauen, nicht ins Museum zu gehen, aber möglichst viel über sie und die Mode aus der Zeit zu recherchieren.

Ich wollte keine romantisierenden Bilder, und – bis auf ein einziges Kleid – auch keine realen Modelle im Kopf haben. Mein Zugang ist: möglichst sattelfest in der Thematik sein und mutig davon weggehen. Das war gerade bei Sisi wichtig: bei einer Frau, die so etwas wie eine Influencerin über mehrere Dekaden hindurch war.

Was sie getragen hat, wurde im ganzen Reich beäugt. Hat dich ihr Starruhm irgendwie eingeschüchtert?

Ihr Charakter war voller Brüche, das hat uns interessiert; Sisi umgab viel Hülle. Wir sind im positiven Sinn relativ respektlos herangegangen. Extrem toll war Vicky (Krieps, Hauptdarstellerin, Anm.). Wir haben viel besprochen, ob wir ihre Sanduhr-Silhouette analog hinbekommen oder mit visuellen Effekten (VFX). Wir haben ihr schließlich acht Zentimeter „weggeschnürt“, das ist belastend, aber Vicky hat immer gesagt: „Wir kriegen das hin.“

Deine Filmliste ist international und voller Preise. Gehst du heute recht selbstbewusst durch neue Herausforderungen?

Ja, anders geht’s nicht, ich muss den Produzent:innen gegenüber jeweils vertreten können, was ich vorhabe. Da geht es um die künstlerische Sprache – und um das Budget. Ein wichtiges Thema ist auch, wie mit den unterschiedlichen Gewerken umgegangen wird. Wir – Kostüm- und Maskenbild sind noch dazu meistens Frauen – kämpfen mittlerweile erfolgreich darum, dass man wahrnimmt, wie groß unser Anteil an der Gestaltung des Bildes ist.

An welche Produktionen denkst du gerne zurück?

„360“ von Fernando Meirelles war ein Meilenstein. Er ist nicht laut, aber großartig und voll spektakulärer Schauspieler:innen (Jude Law, Anthony Hopkins, Rachel Weisz u. a., Anm.). Ein anderer Lieblingsfilm – da geht es um die Flüchtlingsthematik – ist „Ein Augenblick Freiheit“.

Arash T. Riahi gelingt es trotz der größten Dramen, Optimismus zu implementieren. Du erlebst, was es bedeutet, Kinder, Eltern und Großeltern zurückzulassen, nicht zu wissen, ob du sie je wiedersiehst. Wer würde das für die angebliche Hoffnung machen, hier einen Mercedes zu kaufen?

Wir leben privilegiert, ich verstehe nicht, wie man Menschen verurteilen kann, die einen sicheren Ort suchen, und dass wir es nicht schaffen, einen produktiven Diskurs zu führen (Monika Buttinger engagiert sich für die Integrationsinitiative „Nachbarinnen“, Anm.)

Aktuell mit deinen Kostümen im Kino: „Rickerl – Musik is höchstens a Hobby“. Was magst du dazu erzählen?

Ein supercooles Projekt von Adrian Goiginger. Darin lebt die 1990er-Jahre-Branntweinromantik in Wien. Ich habe in Studentenzeiten diese Lokale erlebt, die es kaum mehr gibt; ich mochte es, wenn sich um fünf Uhr morgens alle Milieus mischen, wenn die Mistkübelmänner schon da sind und du als Studentin noch da bist (lacht). Diese Szenerie ist auch noch gekoppelt mit der Musik von Voodoo Jürgens und Nino aus Wien, ich stehe total darauf.

Apropos Studium: Kürzlich begann für dich eine neue Ära.

Es war mir schon lange ein großes Bedürfnis, dass das Thema Kostümbild an der Filmakademie vorkommt. Nun lehre ich es für Kamera- und Produktion-Studierende im Rahmen eines Moduls. Ich habe immer wieder erlebt, dass ich talentierten Regisseur:innen erklären musste, was sie mit mir zu besprechen haben. Noch besser wäre es, wenn es Szenen-, Masken- und Kostümbild als Studium gäbe, aber es ist ein erster wichtiger Schritt.

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus