Mit mentaler Stärke zur Medaille

Sofia Polcanova im Interview.

5 Min.

Im Fokus liegt die Kraft: Der Verlust ihres Vaters hat ihre Sicht auf vieles verändert und Sofia geholfen, noch stärker zurückzukommen. ©ÖTTV/Schiffleitner, WTT

Sofia Polcanova, zweifache Europameisterin und Vizeweltmeisterin im Tischtennis, über ihre größten Erfolge, den hart erlernten Umgang mit Niederlagen und wie der Verlust ihres Vaters die Sicht auf Leistung, Gesundheit und Druck verändert hat. 

Es war ein emotionaler Sieg: Sofia Polcanova hat mit ihrer beeindruckenden Leistung bei der Tischtennis-Weltmeisterschaft 2025 in Doha, Katar, nicht nur eine Silbermedaille im Damen-Doppel mit Bernadette Szöcs errungen, sondern auch Sportgeschichte geschrieben. Neben ihren historischen Erfolgen hat die Linzerin moldauischer Herkunft in der Vergangenheit aber auch persönliche Erfahrungen gemacht, die sie tief geprägt haben. Auch mit Niederlagen konnte sie lange Zeit schwer umgehen. Wie es die Profisportlerin geschafft hat, mit mentalen Techniken und Mantras stark zu werden und diese Stärke sportlich zu verwandeln, hat die sympathische 30-Jährige der OBERÖSTERREICHERIN erzählt.

Sofia, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Silbermedaille im Tischtennis-Damen-Doppel bei der WM 2025, mit der Sie Sportgeschichte geschrieben haben – es war die erste österreichische WM-Medaille seit 22 Jahren und die erste überhaupt für Frauen seit 1955. Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg persönlich und was bedeutet er für den österreichischen Tischtennissport insgesamt? 

Danke! Für mich persönlich war es eine sehr emotionale Medaille. Als wir das Viertelfinale gewonnen haben und eine Medaille sicher war, konnte ich es anfangs nicht glauben. Danach haben wir im Halbfinale das Match unseres Lebens gespielt! Ich habe wieder ein Stück Geschichte geschrieben, und es macht mich sehr stolz. Zu wissen, dass sich die harte Arbeit auszahlt, ist einfach schön. Ich hoffe, dass ich ein Beispiel für Kids sein kann, die erst mit Tischtennis anfangen und Ziele und Träume haben wie ich als kleines Mädchen. Und ich wünsche mir, dass Tischtennis in Österreich mehr ins Rampenlicht rückt. Als Randsportart brauchen wir diese Aufmerksamkeit dringend – wir haben sie uns verdient.

Sie sind zweifache Europameisterin im Einzel (2022 und 2024) – als erste Titelverteidigerin seit 1972. Gleichzeitig erreichten Sie bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris den fünften Platz. Wie gehen Sie aber mit Momenten um, in denen ein Ziel ganz knapp verfehlt wird? 

Früher haben mich Niederlagen tagelang beschäftigt. Ich muss ehrlich sagen, ich konnte nicht gut damit umgehen. Das hat sich erst geändert, nachdem mein Vater gestorben ist – nicht sofort, aber ungefähr ein Jahr später. Ich erinnere mich noch gut: 2016 bei den Olympischen Spielen habe ich in der ersten Runde verloren. Ich war am Boden zerstört, habe geweint und war tagelang traurig. Irgendwann bin ich aufgewacht und habe zu mir gesagt: So kann das nicht weitergehen. Da habe ich angefangen, an mir zu arbeiten.

Wie haben Sie das gemacht? 

Ich habe in den letzten Jahren viel Mentaltraining gemacht und mich weiterentwickelt. Heute weiß ich, dass Niederlagen dazugehören. Sie sind Teil des Weges. Ohne Niederlagen würde man Siege nicht so schätzen. Solche Erfahrungen motivieren mich, beim nächsten Mal wieder alles zu geben und zu zeigen, dass ich es besser kann. 

Sie haben offen über den Verlust Ihres Vaters durch Krebs gesprochen – eine Erfahrung, die Sie tief geprägt hat?

Ich war 20 Jahre alt, als ich meinen Vater verloren habe. Meine Mutter und ich haben ihn bis zum Schluss gepflegt. Es war eine sehr schwere Zeit – ich habe kaum trainiert, weil einfach kein Raum dafür da war. Mein Vater war mein erster Trainer. Meine Eltern haben alles in mich investiert, damit ich eines Tages eine erfolgreiche Tischtennisspielerin werden kann. Nach seinem Tod fühlte ich mich anfangs verloren. Ich wusste nicht mehr, für wen ich spiele. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich wirklich verstanden habe: Ich spiele Tischtennis vor allem für mich selbst. Weil ich es liebe. Weil ich diesen Sport schon seit Kindheit mit Leidenschaft ausübe. 

Wie hat dieser Schicksalsschlag Ihre Sicht auf Leistung, Gesundheit und den Umgang mit Druck verändert?

Der Verlust meines Vaters hat meine Sicht auf vieles verändert. Diese schwere Zeit hat mich innerlich wachsen lassen und mir geholfen, noch stärker zurückzukommen. Ich habe gelernt, auch in schwierigen Phasen Ruhe und Fokus zu bewahren. Dieser Fokus ist heute eine meiner größten Stärken. Natürlich bleibt der Druck für mich als Profisportlerin trotzdem da. Aber für mich ist Druck nichts Negatives. Im Gegenteil: Durch Druck finde ich oft in den „Flow“ und kann meine beste Leistung abrufen.

Sofia im Medaillenglück: Die Linzer Profisportlerin hofft, dass sie ein Beispiel für Kids sein kann, die erst mit Tischtennis anfangen und Ziele und Träume haben, wie sie als kleines Mädchen. ©ÖTTV/Schiffleitner, WTT

Für mich ist Druck nichts Negatives, im Gegenteil, so finde ich in den ,Flow’ und kann meine beste Leistung abrufen.

Sofia Polcanova

Mentale Stärke ist im Spitzensport ebenso entscheidend wie Technik oder Ausdauer. Haben Sie spezielle Routinen oder mentale Techniken entwickelt, um sich auf Wettkämpfe vorzubereiten oder mit Rückschlägen umzugehen? 

Vor einem Match habe ich fast immer meine Kopfhörer auf und höre verschiedene Mantras. Auch morgendliche Meditation und weitere Routinen helfen mir, mich zu fokussieren und in meine Mitte zu kommen. „Routinen schaffen Sicherheit“ – das ist mein Motto, das mir mein Psychologe mitgegeben hat.

Seit Ihrem 14. Lebensjahr leben Sie in der Stadt Linz, die  für Sie zur Heimat wurde. Wie wichtig ist Ihnen ein stabiles Umfeld jenseits der Sporthalle? 

Je länger ich in Linz lebe, desto mehr schätze ich diese Stadt, in der es viele Möglichkeiten gibt, aktiv zu sein. Besonders viel bedeutet mir, dass ich hier meinen Mann kennengelernt habe (lächelt). Er ist mein größter Unterstützer und versteht, wie wichtig meine sportliche Karriere für mich ist – dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Auch auf meine Familie kann ich jederzeit zählen. Dieses Gefühl von Rückhalt bedeutet mir sehr viel. Darüber hinaus bin ich meinem Trainer und dem gesamten Team im Olympiazentrum Linz von Herzen dankbar. Sie geben immer ihr Bestes, um mich bestmöglich zu unterstützen.

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