Junge Fraus steht in einem Stall mit einem Ferkel auf dem Arm.

Marlene Neuwirth: Zwischen Stallarbeit und Social Media

Ein Besuch bei Marlene Neuwirth, der ersten Frau an der Spitze der Jungbauernschaft Oberösterreich.

6 Min.

© Ana Mrvelj

Die Landwirtschaft ist für Marlene Neuwirth mehr als ein Beruf, sie ist Teil ihrer Identität. Aufgewachsen auf dem elterlichen Hof in Gunskirchen, arbeitet die 25-Jährige beim Landmaschinenhersteller Pöttinger und lebt seit kurzem bei ihrem Freund Sebastian und dessen Mutter auf deren Schweinezuchtbetrieb in Sattledt. Seit März ist sie zudem die erste Frau an der Spitze der Jungbauernschaft Oberösterreich. Wir haben sie auf dem Feld und im Stall begleitet – und mit ihr über Rollenbilder, Hofübergaben und den Kreislauf des Lebens gesprochen.

Sie sind in die Landwirtschaft hineingeboren. Was bedeutet dieser Lebensbereich heute für Sie?
Marlene Neuwirth: Sehr viel – für mich war Landwirtschaft immer etwas sehr Familiäres. Ich habe zwei Geschwister und bei uns daheim hieß es von klein auf: zusammenhelfen. Wir durften überall mit anpacken und haben dadurch auch Spaß an der Arbeit gefunden. Es ist einfach schön, mit der Natur zu arbeiten – mit Pflanzen, aber auch mit Tieren. Mein Papa war übrigens einer der ersten in Oberösterreich, der Ölkürbisse angebaut hat. Heute verkaufen wir Kernöl, Knabberkerne oder auch Kürbiskernlikör direkt ab Hof. Später kam noch die Herstellung von Fruchtessigen dazu – weil wir viele Obstbäume haben. Ich habe früh begonnen, mich um die Vermarktung zu kümmern und unter dem Namen „Peter ab Hof“ einen Social-Media-Auftritt gestartet. Das gehört für mich heute zur modernen Direktvermarktung einfach dazu.

War für Sie von Anfang an klar, dass Sie beruflich in der Landwirtschaft bleiben?
Nicht unbedingt (lacht). Auch wenn ich es immer geliebt habe, daheim mitzuhelfen, wollte ich beruflich noch etwas anderes machen. Also habe ich eine kreative Ausbildung in Grafikdesign, Fotografie und Onlinemarketing gemacht. Heute arbeite ich Vollzeit beim Landmaschinenhersteller Pöttinger und bin dort fürs Online- und Social Media-Marketing zuständig. Das ist für mich die perfekte Verbindung zwischen Kreativität und Landwirtschaft – und macht mir sehr viel Spaß.

Junge Frau steht auf dem Feld mit einem Traktor im Hintergrund.
© Ana Mrvelj

Und trotz Vollzeitjob helfen Sie hier am Hof mit. Wie lässt sich das alles unter einen Hut bringen?
Ich springe ein, wo ich gebraucht werde. Anfangs war das vor allem am Feld, weil ich das von daheim schon gut kannte. Daheim hab ich mich mit meinen Geschwistern immer um den Traktor gestritten – hier ist das kein Thema (lacht). Mittlerweile helfe ich auch im Stall, zum Beispiel beim Impfen und Ohrenmarken setzen der Ferkel. Zu zweit geht das einfach leichter. Aber die Arbeit mit Tieren ist sensibler – man muss ein Gespür für sie haben. Es gibt Tage, da sind die Tiere unruhig oder sensibler, und dann muss man sich eben anpassen.

Viele Menschen haben heute keinen Bezug mehr zur Tierhaltung, und je weniger Bauern es gibt, desto größer wird diese Distanz.

Marlene Neuwirth

Wie gehen Sie damit um, dass die Ferkel, die ihr großzieht, später geschlachtet werden?
Das ist für mich der natürliche Kreislauf des Lebens. Ich bin damit aufgewachsen, dass Fleisch nichts Selbstverständliches ist. Bei uns daheim wurde Fleisch immer sehr bewusst genossen – weil wir wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Wir versuchen, den Tieren ein gutes Leben zu ermöglichen – auch wenn ihre Zeit bei uns begrenzt ist. Genau deshalb finde ich es so wichtig, bewusst zu konsumieren und das, was auf dem Teller liegt, wirklich zu schätzen.

Konventionelle Schweinezucht hat nicht immer den besten Ruf. Was denken Sie darüber?
Das Thema ist extrem kontrovers. Biosicherheit spielt eine sehr große Rolle – also der Schutz der Tiere vor Krankheiten oder äußeren Reizen. Schweine sind in dieser Hinsicht sehr sensibel. Viele Menschen haben heute keinen Bezug mehr zur Tierhaltung, und je weniger Bauern es gibt, desto größer wird diese Distanz. Soziale Medien tragen zusätzlich dazu bei, dass sich falsche Bilder verbreiten. Man muss wissen: Die österreichische Tierhaltung ist zum Beispiel nicht mit jener in Deutschland zu vergleichen. Die Bedingungen hier sind völlig anders, die Betriebe kleiner, die Vorschriften oft strenger. Aber wenn man von außen einen geschlossenen Stall sieht, fehlt vielen das Verständnis.

Jeder Einkauf ist ein Produktionsauftrag – entweder an uns heimische Bauern oder an ausländische Agrarproduktion.

Marlene Neuwirth

Also liegt die Verantwortung nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei uns Konsumenten?
Absolut! Die österreichische Landwirtschaft ist etwas so Besonderes. Wir produzieren auf höchstem Niveau. Es gibt viele spannende neue Konzepte – vom Strohschwein bis zur Freilandhaltung. Aber: Es wird auch weiterhin konventionelle Betriebe brauchen, weil sich nicht jeder Bio leisten kann. Wichtig ist, dass jede Form der Landwirtschaft ihren Platz hat und dass man Fleisch aus Österreich kauft. Jeder Einkauf ist ein Produktionsauftrag – entweder an uns heimische Bauern oder an ausländische Agrarproduktion.

Seit März sind Sie die erste Frau an der Spitze der Jungbauernschaft Oberösterreich. Warum war Ihnen das wichtig?
Ich war vorher schon im Landesvorstand aktiv. Als es zum Generationenwechsel kam, habe ich lange überlegt – ob ich mir diese Aufgabe wirklich zutrauen kann. Diese Gedanken kennt fast jede Frau. Und genau deshalb ist es mir so wichtig, dass wir sichtbarer werden. Viele Frauen leisten Großartiges am Hof – sie führen Betriebe, managen die Finanzen und haben innovative Ideen. Wir haben einen anderen Zugang zu gewissen Themen – und der ist sehr wertvoll. Deshalb ist es wichtig, dass auch wir Frauen mitreden.

Junge Frau kniet in einem Feld Wintergerste.
© Ana Mrvelj

Ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt, ist die Hofübergabe. Warum?
Weil sie eine der größten Herausforderungen in der Landwirtschaft ist – und gleichzeitig so wenig darüber gesprochen wird. Es gibt kaum einen Betrieb, in dem die Übergabe völlig reibungslos funktioniert. Das hängt auch damit zusammen, dass die menschliche Seite, die ja der Hauptgrund ist, warum es weitergehen soll, übersehen wird. Eine Übergabe ist nie nur organisatorisch – sie ist emotional, familiär und birgt ein großes Konfliktpotenzial. Es geht darum, Generationen zusammenzuführen, Verantwortung abzugeben und anzunehmen. Wir als Jungbauernschaft wollen dafür sensibilisieren und zeigen, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig Unterstützung zu holen. Es gibt großartige Mediatoren und Berater der Landwirtschaftskammer, die helfen, diesen Weg gut zu gestalten. Denn am Ende geht es nicht nur um einen Betrieb – es geht um eine Familie, die sich neu ausrichtet.

Und wie sieht es bei Ihnen aus – werden Sie den Hof Ihrer Eltern übernehmen?
Nein, das übernimmt mein älterer Bruder – das haben wir uns schon als Kinder so ausgemacht. Aber hier in Sattledt ist geplant, dass mein Freund und ich später den Betrieb übernehmen. Im Moment liegt mein Fokus aber auf meinem Job im Marketing. Und irgendwann kommt dann die Selbstständigkeit – wenn es so weit ist. Bis dahin genieße ich die kreative Arbeit und alle Vorteile einer Festanstellung (lacht).

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