
Interview: Was Theologin Klara-Antonia Csiszar über Papst Leo XIV. denkt
Über seine rasche Wahl, die Begeisterung der Jugend und die Rolle der Frauen in der Kirche.
Vizerektorin und Theologin Klara-Antonia Csiszar hat Papst Leo XIV. mehrfach bei der Weltsynode in Rom persönlich getroffen. © privat
Vizerektorin und Theologin Klara-Antonia Csiszar hat Papst Leo XIV. mehrfach bei der Weltsynode in Rom persönlich getroffen. Im Interview spricht sie über ihre Eindrücke vom neuen Pontifex, seine Nähe zur Jugend, seine Offenheit gegenüber Frauen und warum sie ihn als Krisenmanager und Friedensstifter schätzt. Die Vorwürfe gegen ihn weist sie entschieden zurück.
Als jüngste theologische Beraterin der katholischen Weltsynode hat Univ.-Prof.in Dr.in theol. Klara-Antonia Csiszar Papst Leo XIV. bereits mehrfach bei den Sitzungen der Weltbischofskonferenz in Rom persönlich getroffen. Im Interview spricht sie über ihre Eindrücke vom neuen Pontifex, seine rasche Wahl, die Begeisterung der Jugend und die Rolle der Frauen in der Kirche. Die Anschuldigungen gegen ihn weist sie mit Nachdruck zurück und beschreibt ihn als starke, integre Persönlichkeit mit großer spiritueller Tiefe und Führungsqualität.

Papst Leo ist digital und körperlich fit, daher ist er der heutigen Jugend wohl etwas näher als seine Vorgänger.
Theologin und Vizerektorin Klara-Antonia Csiszar
Frau Vizerektorin, wie war Ihr erster Gedanke, als Sie den Namen des neuen Papstes hörten?
Ich habe sofort gedacht, dass die Kardinäle eine ausgezeichnete Wahl getroffen haben. Papst Leo XIV. bringt eine Fülle von Lebenserfahrung mit, die sowohl für die Kirche als auch für die Welt von unschätzbarem Wert ist.
Wie haben Ihre Studierenden auf die Wahl von Papst Leo XIV. reagiert?
Sie waren begeistert und neugierig, was dieses Pontifikat bedeuten wird und wie der neue Papst so tickt. Wir haben uns gemeinsam mit ihren Fragen auseinandergesetzt, unter anderem darüber gesprochen, was hinsichtlich Synodalität, also einer Fortschreibung des gemeinsamen Weges der Kirche, zu erwarten ist, welche Erfahrungen der Papst mitbringt und warum diese für die Welt wichtig sind.
Sie sind die jüngste theologische Beraterin der katholischen Weltsynode. Hatten Sie bereits persönlich oder beruflich Kontakt mit Papst Leo XIV.?
Die beiden Sitzungsperioden der Weltbischofskonferenz in Rom 2023 und 2024, an denen wir beide teilgenommen haben, haben insgesamt acht Wochen lang gedauert. Da läuft man sich schon über den Weg. In dieser Zeit habe ich Kardinal Prevost tagtäglich getroffen, etwa in der Aula oder in den Kaffeepausen. Aufmerksam bin ich auf ihn 2024 geworden, als er in einem der Pressebriefings zum bischöflichen Dienst in einer synodalen Kirche gesprochen hat.
Seine Wahl erfolgte ungewöhnlich rasch. Hat Sie das überrascht – und worauf führen Sie diese schnelle Entscheidung zurück?
Entgegen dem Eindruck, den ich bei der Weltbischofssynode gewonnen hatte, gab es die Befürchtung, dass es innerhalb der Kirche sehr konträre Ansichten gäbe. Dass die Kardinäle so rasch, also innerhalb von 24 Stunden, zu einem klaren Ergebnis gelangten, war tatsächlich überraschend – ist aber eindeutig ein gutes Zeichen und zeigt, dass diese Befürchtungen nicht stimmen.
Papst Leo XIV. stammt aus den Vereinigten Staaten, verfügt aber über einen multikulturellen Hintergrund und internationale Erfahrung als Missionar, Ordensmann und Kirchenrechtler. Inwieweit prägen diese Erfahrungen seine Rolle und welche Bedeutung haben sie für die jüngere Generation?
Darüber hinaus ist er der erste Papst, der nach dem Zweiten Weltkrieg geboren und nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil kirchlich sozialisiert wurde. Technologien wie Handy, Tablet und Laptop gehören zu seinem Alltag, was ihn auch von seinen Vorgängern unterscheidet. Er ist zwanzig Jahre jünger als Papst Franziskus, körperlich fit, spielt Tennis und besucht regelmäßig ein Fitnessstudio. Infolgedessen ist er der heutigen Jugend wahrscheinlich etwas näher als seine Vorgänger. Ich glaube, er wird nicht nur die Medien, sondern auch viele junge Menschen begeistern. Papst Leo ist ein Polyglott, ein sehr intelligenter und spirituell tiefer Mensch, der selbst ein Brückenbauer ist. Er ist ein guter Zuhörer und kann mit schwierigen Situationen gut umgehen, auf ihn ist Verlass. All diese Eigenschaften machen ihn zu einer inspirierenden Person, die auch andere einlädt, mit ihm gemeinsam Kirche zu gestalten. Ich glaube, wir stehen vor einem starken und positiven Pontifikat, das viele Menschen – auch die Jugend – begeistern wird.
Hoffnungen mit dem Pontifikat
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Pontifikat von Leo XIV.?
Dass wir den synodalen Prozess weiterführen, dass es uns als Kirche gelingt, immer mehr die Schönheit der Katholizität hervorzuheben und zu lernen, Vielfalt zu fördern. Dass es uns gelingt, Brücken zu bauen. Und ich hoffe, dass viele der Einladung von Papst Leo folgen, mitzumachen und selbst „PeacemakerInnen“ zu sein.
In seiner ersten Ansprache betonte der neue Papst Offenheit, Dialogbereitschaft und Synodalität. Welche Impulse erwarten Sie hier für die Arbeit an einer katholischen Universität wie der Ihren?
Erwartungen habe ich eigentlich nur an mich selbst. Papst Leo wünsche ich, dass er sich gut in seinen neuen Räumlichkeiten, in seinem neuen Umfeld, zurechtfindet und schnell lernt, wo der Lichtschalter ist. Darüber hinaus wünsche ich ihm, dass er immer wieder Menschen trifft, die ihn ermutigen, weiterzugehen. Ich hoffe, dass wir in diesem Pontifikat besser verstehen, dass wir hier im deutschsprachigen Raum nicht der Nabel der Welt sind, dass der Papst seine Aufgaben nicht nach unseren Wünschen und Vorstellungen richten kann. Und dass wir endlich verstehen, dass wir für diese Welt – und auch für den Papst – mit unseren Ideen und Reformwünschen interessant sein werden, wenn wir mehr hoffen als erwarten, wenn wir mit mehr Freude und Dankbarkeit, als mit Frust und Unzufriedenheit aufeinander zugehen. Leo wird in solchen Bemühungen ein großartiger Unterstützer sein.
Die Rolle der Frauen
Papst Leo XIV. spricht explizit die Rolle der Frauen in der Kirche an. Wie interpretieren Sie diese Signale? Erwarten Sie konkrete Schritte?
Ich bin guter Hoffnung, dass er aufgrund seiner Erfahrung das Herzensanliegen von Franziskus, Frauen in Führungspositionen zu bringen, weiterführt und Frauen Schritt für Schritt in allen Kontexten ganz selbstverständlich in der Kirche sichtbar und hörbar werden. Das ist aber ein Kulturwandel und so etwas braucht einfach überall Zeit.
In den Medien wurde über den Umgang von Papst Leo XIV. mit zwei Fällen sexuellen Missbrauchs während seiner früheren Amtszeiten berichtet. Es wird ihm vorgeworfen, zu wenig getan zu haben. Wie beurteilen Sie diese Vorwürfe?
Diese stimmen nicht. Selbst Opfer haben sich zu Wort gemeldet und seinen sorgfältigen Umgang mit Missbrauchsfällen betont. Ich bin mir sicher, dass, was diese Frage angeht, die Kardinäle ausgesprochen umsichtig waren. Wenn auch nur der geringste Verdacht eines Fehlverhaltens bestanden hätte, wäre er nicht gewählt worden. Übrigens, Papst Leo ist nicht nur ein hervorragender Friedensstifter, sondern auch ein erprobter Krisenmanager. Lassen wir uns überraschen.
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