Neues Buch über Dietrich Mateschitz
Ehemaliger Jurist und Personalchef von Red Bull schrieb Buch über Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz
© Julia Rotter
Der gebürtige Linzer Volker Viechtbauer begann 1995, als erster Jurist bei Red Bull zu arbeiten. Obwohl der Start nicht einfach war, hat er 30 Jahre für Dietrich Mateschitz gearbeitet und ist zu seinem engen Vertrauten geworden. Fast genau ein Jahr nach dem Tod des Red-Bull-Gründers brachte Volker Viechtbauer nun das Buch „Dietrich Mateschitz: Flügel für Menschen und Ideen“ heraus und gibt damit einen ganz speziellen Einblick in die Welt von Red Bull.
Volker Viechtbauer wuchs bis zu seinem sechsten Lebensjahr bei seiner alleinerziehenden Mutter und seinen Großeltern beim VOEST Eingang # 3 in Linz auf. Nach Volksschule und Hort in Linz absolvierte er das Gymnasium in der Bundeserziehungsanstalt Saalfelden. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Linz und machte das Gerichtsjahr sowie die Anwaltsausbildung nach einem Auslandsstudium in den USA wieder in Linz. 1995 begann er, als erster Jurist bei Red Bull zu arbeiten. „Alles ohne Vitamin B, aber mit nervenstärkendem Vitamin B12“ (als Inhaltsstoff von Red Bull, Anm.), so der Autor. In seinem Buch „Dietrich Mateschitz – Flügel für Menschen und Ideen“ erzählt er, wie Viktor Frankl den Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz beeinflusste. Das Buch verknüpft Unternehmergeschichte und Philosophie zu einer einzigartigen – ja beflügelnden – Einheit.
Herr Viechtbauer, wie war es, fast 30 Jahre bei Red Bull zu arbeiten?
Dietrich Mateschitz meinte immer: „Bevor ich einen Juristen anstelle, sperre ich lieber die Firma zu!“ Ich hatte also keinen leichten Start. Rückblickend war die Reise einfach großartig. Es war mein Traumjob. Zu Mateschitz‘ 70er haben ihm die engsten Mitarbeiter ein Video gemacht, darin habe ich mich bei ihm für die Möglichkeit, bei Red Bull zu arbeiten, bedankt. Er hat sich sehr darüber gefreut.
Sie hatten keinen einfachen Start, wann war Ihr Durchbruch?
In meinen ersten beiden Jahren bei Red Bull gab es Momente, in denen Dietrich Mateschitz und ich uns – Mateschitz mitunter lautstark – die Meinung gesagt haben. Wir haben uns gefragt, ob ich wirklich das richtige Talent an der richtigen Stelle sei. Der Durchbruch kam, als ein Getränkehändler Diskotheken mit billigen Energy-
drinks aus dem Container versorgte, die an der Bar als Red Bull verkauft wurden. Ich war jedes Wochenende mit Freunden unterwegs, habe Proben gezogen und das Ganze rasch gerichtlich abgestellt. Auf den Toiletten so mancher Diskothek in der Steiermark hing mein Foto in einem Fadenkreuz. Mit dieser Aktion habe ich meine Aufgabe in den Augen von Mateschitz erstmals erfüllt. Geholfen hat auch, dass Gastro-Urgestein Robert Hohensinn meine Arbeit zu schätzen wusste und das auch bei Dietrich Mateschitz deponiert hat.
Dietrich Mateschitz meinte immer: ‚Bevor
Volker Viechtbauer
ich einen Juristen anstelle, sperre ich lieber zu.‘
Was waren Ihre coolsten Erlebnisse?
Cool war das Wachstum: Von einem Mitarbeiter in der Rechtsabteilung, nämlich mir, zu mehr als 150. Von 100 Millionen Euro Umsatz zu zehn Milliarden. Formel 1, Media House, Fußball – ich bin seit über zehn Jahren in der österreichischen Bundesliga im Aufsichtsrat. Und Mateschitz ließ mir überall, wo es der Marke diente, großen Spielraum und Gestaltungsfreiheit. Großen Dank möchte ich bei dieser Gelegenheit den Mitarbeitern aussprechen. Ab 2001 übernahm ich auch die Verantwortung für die Personalagenden, und in allen Abteilungen hatte ich großartige Mitarbeiter. Eben deshalb können wir nach 30 Jahren auf viele Erfolge zurückblicken, zu denen wir beitragen durften.
Welche waren das? Können Sie ein paar anführen?
Ja, gerne. Die Blau-Silber-Farbmarke sicherte unseren Umsatz ab. In den USA konnten wir Parallelimporte verhindern, was uns dort ein sehr gesundes Preisniveau verschafft hat. Dietrich Mateschitz hat immer gesagt: „Red Bull hat eine Toxikologie wie ein Arzneimittel.“ Das hat uns den Verkauf in allen Ländern der Welt gesichert, trotz neuartiger Zutaten wie Taurin oder einem hohen Koffeingehalt. Darüber hinaus hat die Personalabteilung den „wingfinder“ (Persönlichkeitstest, der sich auf Stärken konzentriert) erfunden, dem ich in meinem Buch ein ganzes Kapitel widme.
Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Die ursprüngliche Idee war, den Mitarbeitern von Red Bull eine Orientierungshilfe zu geben. Red Bull unterscheidet sich ja doch sehr von „normalen“, also primär Shareholder-Value getriebenen Unternehmen. Nach dem Tod von Dietrich Mateschitz im vergangenen Jahr interessiert das Buch aber vielleicht auch eine größere Leserschaft. Immerhin hat Dietrich Mateschitz, nachdem er das Buch gelesen hatte, auch gemeint: „Vielleicht ist es so etwas wie ein Nachruf.“
Worum geht es in dem Buch?
Um die zentralen Gedanken von Viktor Frankl, die in der Unternehmensphilosophie von Red Bull Eingang gefunden haben. Es ist so etwas wie eine Red-Bull-DNA. Dietrich Mateschitz hat sich in dem einen oder anderen Interview, wenn es um Freiheit und Selbstverantwortung ging, gerne auf Viktor Frankl berufen. Er hatte seine Vorlesungen besucht.
Was sind die zentralen Gedanken von Viktor Frankl und Red Bull?
Zum einen ist es der Gedanke der Freiheit und Selbstverantwortung jedes Einzelnen, im Leben, aber auch im beruflichen Kontext, der uns hier natürlich besonders interessiert. Zum anderen ist da die Hingabe an eine Person oder Sache, die sogenannte Selbstvergessenheit oder Selbsttranszendenz. Viktor Frankl verwendete diesbezüglich immer eine sehr schöne Allegorie: „Es ist wie beim Auge. Wenn es sich selbst sieht, leidet der Mensch an einem grünen oder grauen Star, er ist also krank. Nur wenn er ungetrübt seine Umgebung und andere Menschen wahrnimmt, ist sein Auge gesund.“ Die Menschen sollten also weniger an sich selbst denken und mehr an ihre Aufgaben im Leben. Der letzte Gedanke ist, die Menschen als das zu nehmen, was sie sein könnten, und nicht als das, was sie sind; es geht also darum, ihnen etwas zuzutrauen. Bei der Überwindung von Angst spielt auch noch die paradoxe Intention eine Rolle. Das alles lässt sich sehr gut von der Logotherapie auf Menschen und Unternehmen übertragen.
Das Erfolgsgeheimnis von Red Bull war und ist, dass wir so
Volker Viechtbauer
wenig wie möglich über uns sprechen, sondern die Marke, Menschen und Ideen für uns sprechen lassen.
Wie konkret setzt Red Bull diese Gedanken in der Mitarbeiterführung um? Haben Sie da Beispiele?
Viele Beispiele sind im Buch angeführt. Wir versuchen, die Mitarbeiter zu motivieren, einen sinnvollen Beitrag zu leisten und Verantwortung zu übernehmen. Nicht zuerst an sich selbst, an kurze Arbeitszeiten, hohes Gehalt und Karriere zu denken, sondern an die Aufgaben und den Beitrag im Unternehmen. Wenn man gut im Job ist, kommt all das ganz von selbst. Nicht intendiert, sondern als Konsequenz, weil man seinen Job gut macht. Bescheidenheit ist auch wichtig. Dietrich
Mateschitz hat gerne Wilhelm Busch zitiert:
„… wenn einer, der mit Mühe kaum erklommen hat den ersten Baum, schon glaubt, dass er ein Vöglein wär, so irrt sich der.“ Jede Maßnahme wird zuerst an den Grundsätzen von Viktor Frankl gemessen, bevor sie umgesetzt wird. Und: Vitamin B gibt es nur in der Dose, nicht im Unternehmen.
Was bedeutet Freiheit für Sie persönlich?
Die Freiheit ist ein zentraler Gedanke, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Sie war dem Red-Bull-Gründer und Humanisten Mateschitz immer besonders wichtig. Als ihn der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einmal gefragt hat, was die Politik für Red Bull tun könnte, antwortete er: „Uns in Ruhe arbeiten zu lassen.“
Sie waren ein enger Wegbegleiter von Dietrich Mateschitz. Wie würden Sie Dietrich Mateschitz beschreiben?
Mateschitz hat die Gegenpole Freiheit und Selbstverantwortung in Form von hoher Risikobereitschaft bei gleichzeitig großer Selbstkontrolle umgesetzt.
Was ist das Wichtigste, das Sie von ihm gelernt haben?
Seinen unbedingten Gestaltungswillen. Er mochte keine Aufgeregtheit und Sentimentalitäten. Gutes Benehmen und Gelassenheit waren immer wichtig.
Warum war es Dietrich Mateschitz wichtig, dass seine Unternehmenssprecherin Tina Deutner immer den letzten Platz in der jährlichen Bestenliste der Kommunikatoren einnimmt.
Das ist ganz einfach: Das Erfolgsgeheimnis von Red Bull war und ist, dass wir so wenig wie möglich über uns sprechen, sondern die Marke, Menschen und Ideen für uns sprechen lassen.
Welche Tipps haben Sie für Manager zur Führung von Mitarbeitern?
Mein Buch zu lesen (lacht).