Der Perfektionist

Wäre Philipp Lukas nicht Koch geworden, würde er als Eishockeyspieler sein Geld verdienen. Doch der 28-Jährige hat sich entschieden, die Familientradition fortzuführen und in den nächsten Jahren das Haubenrestaurant Verdi zu übernehmen.

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© Thom Trauner

Verdi. Dieser Name steht in Oberösterreich für Kulinarik auf höchstem Niveau und ist untrennbar mit dem Namen Lukas verbunden. Denn Erich Lukas hat aus dem ehemaligen Abendlokal mit gutbürgerlicher Küche in Linz-Gründberg ein Haubenrestaurant gemacht. Seit drei Jahren steht Sohn Philipp an seiner Seite mit in der Küche und zeichnet für den Fine-Dining-Bereich verantwortlich. Wir haben den 28-Jährigen ebendort besucht und mit ihm über seine Leidenschaft fürs Kochen gesprochen – und warum der Job als Spitzenkoch einer der spannendsten, aber auch härtesten Berufe ist.

Interview

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Ich möchte einen Michelin-Stern erkochen, das ist mein Lebensziel.

Phillip Lukas

Philipp, Sie wurden in eine Gastro-Familie hineingeboren. Ihre Großeltern haben mit einem Abendlokal begonnen, der Papa hat es zum Haubenrestaurant gemacht. Ist es ein Klischee, wenn man sagt, dass Ihnen dieser Beruf bzw. diese Leidenschaft fürs Kochen in die Wiege gelegt wurde?

Es wurde mir tatsächlich in die Wiege gelegt, weil wir ja auch im selben Haus leben und somit sehr früh eine Verbindung zu diesem Beruf bei mir da war. Ich bin schon als Kind jeden Tag ins Restaurant bzw. die Küche gegangen und habe den Köchen bei ihrer Arbeit zugesehen. Wie sie mit ihren großen Messern hantiert haben, hat mich schon sehr fasziniert und beeindruckt (lacht). Für mich gibt es keinen schöneren Beruf, auch wenn er mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Es kann extrem anstrengend sein, wenn in unserer 18 Quadratmeter kleinen Küche mehrere Köche auf Hochtouren arbeiten und die Temperaturen darin im Sommer auf mehr als 40 Grad klettern.

Wollten Sie schon immer Koch werden oder gab es auch mal einen anderen Berufswunsch?

Ich wollte Eishockeyspieler werden, weil ich acht Jahre lang intensiv gespielt habe. Wenn ich mich also nicht fürs Kochen entschieden hätte, wäre es der Sport geworden. Ich spiele auch heute noch hobbymäßig bei einem Verein in Traun. Das macht mir richtig Spaß, obwohl ich an meinen beiden freien Tagen einmal Training und einmal ein Spiel habe. Danach bin ich richtig kaputt, aber es ist ein wichtiger Ausgleich für den Kopf. Es hilft mir dabei, diesen ganzen Druck und Stress gut zu meistern. Aus diesem Grund gehe ich auch drei Mal die Woche zum Trainieren ins Fitnessstudio, bevor ich mich hier in den Trubel stürze (lacht).

Wie kann man sich das bei Ihnen in der Küche vorstellen, wenn Vater und Sohn gemeinsam am Herd stehen? Kommt man sich da auch mal in die Quere?

Eigentlich nicht, weil jeder seinen eigenen Aufgabenbereich hat. Allerdings zieht sich mein Papa schon immer mehr zurück, was er sich nach fast 40 Jahren auch verdient hat. Er kocht die Einkehr und ich mache das Fine Dining hier im Restaurant. Wobei es ja alles eine Küche ist. Das hört sich immer ein bisschen komisch an, als würde der eine nur das und der andere nur jenes kochen, aber im Grunde ist es immer gemeinsam, weil es auch gar nicht anders gehen würde.

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Werden Sie das Konzept der getrennten Restaurants – auf der einen Seite das Fine Dining, auf der anderen die gemütliche und bodenständige Einkehr – beibehalten?

Das Konzept hat sich bewährt und wir werden es auf jeden Fall beibehalten. Es funktioniert sehr gut und kommt ebenso gut bei den Gästen an. Die Küche ist im Grunde ja die gleiche, nur die Karte unterscheidet sich grundlegend. In der Einkehr gibt es eine eher bodenständige Küche mit feiner Linie. Da finden sich Grammel- und Hascheeknödel ebenso auf der Karte wie Steak, Hendl und Fisch. In Restaurantbereich gibt es natürlich auch Fisch und Fleisch, allerdings völlig anders zubereitet. Etwa ein Stück Fleisch aufgeteilt auf drei Teller, weil das eine ist geschmort, das andere rosa gebraten und das dritte in einen Mantel verpackt. Das macht den Unterschied aus.

Wofür bewundern Sie Ihren Vater?

Da gibt es sehr viel, aber so richtig mitbekommen, was er alles geleistet und erreicht hat, habe ich erst, als ich nach meinen Ausbildungsjahren wieder heimgekommen bin. Die Verdi gibt es nächstes Jahr seit 60 Jahren. Immer dieses Niveau zu halten und mit diesem Druck auch umgehen zu können, das bewundere ich sehr. Für diesen Erfolg ist allerdings nicht nur mein Papa verantwortlich, sondern auch meine Mama. Ohne sie würde es nicht gehen! Die liebevolle Gestaltung unseres Gartens und der Terrasse, das ist alles ihre Leistung. Was die beiden aufgebaut haben, ist unglaublich. Ganz früher unter meinen Großeltern war es ein Abendlokal mit gutbürgerlicher Küche und anschließender Tanzbar. Meine Eltern haben es dann übernommen und das daraus gemacht, was es heute ist.

Haben Sie vor, diese Familientradition fortzuführen?

Auf jeden Fall, weil ich mir das sonst alles gar nicht angetan hätte. Bald werden es drei Jahre, dass ich wieder in Linz bin, und die ganze harte Arbeit, die ich in den Jahren zuvor geleistet habe, wäre umsonst gewesen. Meine Ausbildung habe ich im Mühltalhof in Neufelden gemacht, dann war ich ein Jahr in einem Restaurant auf Mallorca. Von da aus bin ich nach München und anschließend weiter an den Bodensee gegangen. Dort war ich vier Jahre lang im „Ophelia“, das war bisher die schönste Zeit meines Lebens. Und was das Lernen betrifft, war es auch die wichtigste Zeit. Ich war sehr jung und wurde so richtig drangenommen. Die Hierarchie in der Sterne-Gastronomie ist sehr streng. Da muss man zeigen, was man kann, weil du sonst immer unten bleibst. Es war viel Arbeit, es war harte Arbeit, und wenn ich das daheim nicht fortsetzen wollte, hätte ich es mir bestimmt nicht angetan.

Viele Leute wissen gar nicht, mit wie viel Schweiß und Tränen der Job eines Spitzenkochs verbunden ist.

Phillip Lukas

Spüren Sie diesen Druck, auch weiterhin so erfolgreich zu bleiben?

Ja, der Druck ist schon brutal. Es darf kein Fehler passieren. Ein einziger Fehler kann dich auf diesem Niveau vollkommen ruinieren. Dazu kommen die unzähligen Tester, die es mittlerweile gibt. Man weiß nie, ob einer da ist oder nicht. Das macht es nicht unbedingt leichter. Jeden Tag muss alles zu 100 Prozent passen. Dass mal ein Fehler passieren kann, ist klar, wir sind ja auch „nur“ Menschen, aber ideal wäre es, wenn ihn der Gast nicht bemerkt (lacht).

Wie kritisch sind Sie mit sich selbst?

Ich bin der ärgste Perfektionist und mein schärfster Kritiker. Beim Kochen muss alles so gelingen, wie ich es mir vorstelle, ansonsten bin ich sauer. Davon muss ich mich jetzt wieder ein bissl befreien, weil ich mir damit selbst einen dermaßen großen Druck mache – und das ist nicht unbedingt gut. Auf der anderen Seite ist es so, dass man diesen Job mit Leidenschaft machen muss. Wenn die Leidenschaft fehlt und der Koch keine Liebe in das Essen bringt, schmeckt man das. Dann ist es wertlos! Wir arbeiten mit Lebensmitteln, die immer wertvoll sind. Darum bin ich in dieser Hinsicht auch sehr streng. Jedes Lebensmittel – egal, ob es eine Karotte oder das beste Stück Fleisch ist – muss respektvoll behandelt werden.

Was ist für Sie das Faszinierende an diesem Beruf?

Ich denke, dass es vor allem die Abwechslung ist. Jeder Tag ist anders und das macht es so interessant. Außerdem hat man als Koch nie ausgelernt. Da gibt es ein neues Produkt, da eine neue Technik. Darum ist es einer der spannendsten, aber auch einer der härtesten Berufe, die es gibt. Ich glaube, dass viele Leute gar nicht wissen, was alles dahintersteckt – wie viel Schweiß und wie viele Tränen. Es ist oft sehr hart, körperlich wie psychisch.

Das schönste Kompliment, das Ihnen ein Gast machen kann?

Das Schönste ist für mich, wenn es einem Gast geschmeckt und er eine gute und erholsame Zeit bei uns verbracht hat. Viele Gäste sagen, dass ein Besuch bei uns wie ein Kurzurlaub für sie ist. Das ist das beste Kompliment für mich!

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Wie würden Sie Ihre Küche beschreiben? Was macht Ihre Speisen aus?

Ich arbeite mit viel asiatischem Einschlag, mit Säure und Schärfe. Meine Küche ist so, dass die Gäste satt sind, aber ohne dieses unangenehme Völlegefühl nach dem Essen. Zu dieser leichten Küche hat mich mein letzter Chef am Bodensee inspiriert. Dirk Hoberg, zwei Sterne und einer der besten.

Was ist Ihnen beim Kochen grundsätzlich wichtig?

Ein respektvoller Umgang mit allen Produkten und die Leidenschaft, dem Gast das Beste servieren zu wollen. Wichtig finde ich auch, den Willen zu haben, immer besser werden zu wollen. Ich finde, das sollte man sich jeden Tag vornehmen, wenn man zur Arbeit geht. Egal, ob es sich ausgeht oder nicht, was zählt, ist, es anzustreben und sich seine Ziele hoch zu setzen.

Und wie hoch haben Sie sich Ihr Ziel gesetzt?

Ich möchte einen Michelin-Stern erkochen, das ist mein Lebensziel. Mein Papa hatte mal einen, aber leider gibt es die Sterne jetzt nur noch in Wien und Salzburg. Bei uns sind im Moment Hauben die höchste Auszeichnung. Wobei immer das Wichtigste ist und bleibt, dass die Gäste zufrieden nach Hause fahren. Wenn ich nur koche, um die besten Auszeichnungen zu haben, aber die Gäste ausbleiben, macht das keinen Sinn.

Was essen Sie persönlich am liebsten?

Ich liebe Nudeln und würde am liebsten jeden Tag Pasta essen. Meistens kocht mein Papa mittags und wenn ich frage, warum es keine Nudeln gibt, schüttelt er nur den Kopf und sagt, dass er nicht jeden Tag wegen mir Pasta machen könne (lacht). Der Vorteil von Pasta ist, dass es schnell geht, weil wir die Saucen ja immer fertig da haben – Parmesan drüber, zack, fertig! Ich habe keine Lust, mich nach der Arbeit noch lange in die Küche zu stellen, da muss es schnell gehen. Dann setze ich mich mit meinem großen Teller Pasta hin und genieße das Leben (schmunzelt).

Auf eurer Homepage findet man den Spruch „People who love to eat are always the best people.” Warum ist das so?

Ich denke, dass man zum einen mehr schätzt, was der Koch macht und was dahintersteckt, wenn man einen gewissen Bezug zum Essen hat. Außerdem können Menschen, die gern essen, vermutlich das ganze Leben besser genießen.

© Thom Trauner

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