Busines Ghosting: Frau sitzt vor Laptop und hält sich die Augen zu.

Manuela Wenger über das Phänomen „Business Ghosting“

Business Ghosting: Das Schweigen im Berufsalltag

5 Min.

© Shutterstock

Was man aus der Dating-Welt kennt, hält immer mehr auch im beruflichen Alltag Einzug. Die Rede ist von Business Ghosting, dem Schweigen im Berufsalltag. Fehlende Verbindlichkeit und mangelnde Wertschätzung gefährden Vertrauen, Zusammenarbeit und langfristige Beziehungen, weiß Wertschätzungsexpertin Manuela Wenger.

Nach der Bewerbung auf eine Stellenanzeige passiert: nichts. Keine Empfangsbestätigung, keine Absage, keine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Stattdessen banges Warten, ob es mit dem Traumjob noch etwas wird. Doch auch die andere Seite ghostet. Immer häufiger tauchen Bewerberinnen und Bewerber nach einem Gespräch einfach ab, selbst wenn ihnen bereits ein Arbeitsvertrag angeboten wurde. Plötzlich herrscht Funkstille: keine Rückmeldung, kein Anruf, keine Absage.

Manuela Wenger über Business Ghosting
Manuela Wenger: Trainerin, Beraterin, Keynote-Speakerin, Autorin und Initiatorin des „WertschätzungSummit“ © MoveX

Keine Antwort.

Was aus dem Datingleben bekannt ist, hat längst Einzug in die Geschäftswelt gehalten. Business Ghosting beschreibt den einseitigen, unangekündigten und für die andere Seite überraschenden Kontaktabbruch im professionellen Kontext. Ob es um Bewerbungen, Angebotsanfragen oder Feedback nach Konzeptpräsentationen geht – immer häufiger bleiben Antworten aus. Der Satz „Keine Antwort ist auch eine Antwort“ scheint zur stillschweigenden Kommunikationsstrategie zu werden.

Kein Randphänomen.

Dieses Verhalten beobachtet auch Manuela Wenger, Keynote-Speakerin, Trainerin und Autorin des Buches „Wertschätzung to go – 51 Wege, wie Sie im Arbeitsalltag wertschätzen“. Mit ihrem Unternehmen „Die Wertschätzerin“ unterstützt sie Organisationen dabei, eine empathische und verbindliche Kommunikationskultur zu entwickeln. Für sie ist klar: Ghosting ist kein Randphänomen, sondern ein Warnsignal.
„Das plötzliche Abtauchen oder Schweigen ist eine Form von Respektlosigkeit“, sagt Manuela Wenger. „Es geht nicht darum, ständig erreichbar zu sein, aber eine kurze Rückmeldung zeigt Wertschätzung. Fehlt sie, untergräbt das Vertrauen und die Zuverlässigkeit – intern wie extern.“ Business Ghosting ist für sie ein Symptom dafür, wie sehr Verbindlichkeit in der modernen Arbeitswelt unter Druck geraten ist. Digitalisierung, hohe Geschwindigkeit und Überlastung führen dazu, dass kleine Gesten wie eine Rückmeldung oder ein Anruf oft untergehen. Dabei wären es gerade diese Gesten, die den Unterschied machen: „Eine klare Rückmeldung oder ein kurzer Anruf dauern nicht lange, sagen aber sehr viel über den Respekt aus, den ich meinem Gegenüber entgegenbringe.“

Überforderung.

Manuela Wenger beobachtet, dass viele Menschen gar nicht bewusst „ghosten“. Oft ist es ein Zeichen von Überforderung. Zwischen E-Mails, Meetings und To-do-Listen gehe die Zeit für klare Kommunikation schlicht verloren. „Viele handeln nicht aus böser Absicht, sondern weil sie überlastet sind“, erklärt sie. „Andere wiederum haben nie gelernt, dass Rückmeldung Teil von Professionalität und Respekt ist.“

Doch neben Überforderung spielt auch Konfliktvermeidung eine Rolle. „Schweigen erscheint vielen bequemer als eine ehrliche, vielleicht unangenehme Rückmeldung“, sagt Manuela Wenger. „Nach dem Motto: Wenn ich mich nicht melde, wird das Gegenüber es schon verstehen. Das ist menschlich, aber gefährlich. Denn es etabliert eine Kultur des Schweigens, die inzwischen gesellschaftlich akzeptiert ist.“
Die Folgen sind gravierend. Ghosting schwächt auf Dauer die Basis jedes Erfolgs. Im Inneren eines Unternehmens führt es zu Rückzug, Unsicherheit und sinkender Motivation – das mindert Produktivität, Zusammenarbeit und Innovationskraft. Nach außen beschädigt es Reputation und Verlässlichkeit, zwei zentrale Faktoren für stabile Kunden- und Geschäftsbeziehungen.

Es geht nicht darum, ständig erreichbar zu sein, aber eine kurze Rückmeldung zeigt Wertschätzung.

Manuela Wenger, Die Wertschätzerin

Keine Rückmeldung auf Bewerbung.

Besonders sichtbar wird das im Bewerbungsprozess: Laut einer aktuellen „StepStone“-Studie erhalten fast zwei von drei Kandidatinnen und Kandidaten keine Rückmeldung, während 70 Prozent der Unternehmen selbst ebenfalls geghostet werden. „Dieses Verhalten untergräbt Bindung, Arbeitgeberattraktivität und letztlich auch wirtschaftliche Stärke“, so Manuela Wenger. Ihr ist wichtig, Ghosting nicht nur als Kommunikationsproblem zu betrachten, sondern als kulturelles und gesellschaftliches Phänomen. „Wertschätzung ist keine Nebensächlichkeit, sondern ein zentraler Faktor für Zusammenarbeit und Bindung. Führungskräfte müssen verstehen, welche Formen der Wertschätzung ihren Mitarbeitenden wichtig sind, nur so können sie gezielt Vertrauen aufbauen.“

Jeder will gesehen werden. In den Workshops von Manuela Wenger zeigt sich immer wieder, dass es am Ende oft auf einen Punkt hinausläuft: das Gesehenwerden. „Das ist das, was Menschen am meisten vermissen und gleichzeitig auch das, was sie sich am meisten wünschen“, betont Manuela Wenger. Doch gerade das sei in der Praxis herausfordernd. Es brauche Aufmerksamkeit, echtes Interesse und die Bereitschaft, Routinen zu durchbrechen. Wenn das gelingt, verändert sich die Atmosphäre in Teams spürbar: Vertrauen und Motivation steigen. „Es geht nicht darum, große Gesten zu setzen oder ständig zu loben“, sagt sie, „sondern eine Haltung zu entwickeln, die sich in kleinen, konkreten Handlungen ausdrückt.“

Wie lässt sich Ghosting konkret vermeiden?

Für Manuela Wenger beginnt es mit Bewusstsein und Vorbildwirkung. „Wertschätzende Kommunikation muss wieder als Teil von Führung verstanden und vorgelebt werden“, sagt sie. „Doch auch Mitarbeitende sind gefordert, Rückmeldungen nicht als Aufwand, sondern als Zeichen von Respekt zu sehen. Wer aufmerksam reagiert, stärkt eine Kultur, in der Menschen sich wahrgenommen und gesehen fühlen.“ Das gilt besonders im Bewerbungsprozess: „Jede Bewerbung verdient eine Antwort. Und ja, auch automatisierte Mails können wertschätzend klingen, wenn sie mit Haltung formuliert sind.“

Das Fazit.

Respekt und Stärke. Ghosting, so ihr Fazit, ist kein unvermeidliches Produkt moderner Arbeitswelten. Es ist ein Signal und eine Einladung, Kommunikation wieder bewusster zu gestalten. Denn wer sich traut, Rückmeldung zu geben, zeigt nicht nur Respekt, sondern auch Stärke.

Buchtipp

Buchcover „Wertschätzung to go“ von Manuela Wenger
In ihrem Buch „Wertschätzung to go“ (€ 26,40) hat Manuela Wenger 51 praxisnahe Wege gesammelt, wie Unternehmen und Führungskräfte Respekt und Verbindlichkeit im Alltag leben können. Erhältlich auf www.diewertschaetzerin.

___________

Das könnte Sie auch interessieren:

Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?
Mentale Gesundheit als Erfolgsfaktor
Proschat Madan: Was ich meinem jüngeren Ich rate würde

Abo

Wählen Sie Ihr persönliches Abo aus

×