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Mit Humor, Ehrlichkeit und einem kritischen Blick auf gesellschaftliche Strukturen zeigt die Journalistin und Bestsellerautorin Mareice Kaiser: Niemand hat das Leben komplett im Griff – und das ist völlig in Ordnung. Ihr Buch ist eine Einladung, sich von unrealistischen Erwartungen zu lösen.
Im Interview spricht Mareice Kaiser darüber, warum es entlastend sein kann, nicht immer eine Antwort zu haben – und warum wir die großen Fragen des Lebens mit mehr Gelassenheit betrachten sollten.
Mareice, warum haben Sie sich für den Titel „Ich weiß es doch auch nicht“ entschieden?
„Ich weiß es doch auch nicht“ ist der Satz, den ich am allermeisten sage – oder zumindest denke. Und ich bin mir sicher, dass es nicht nur mir so geht. (lacht)
Sie bezeichnen Ihr Buch als Antiratgeber. Was halten Sie eigentlich von Ratgebern?
Von Ratgebern halte ich persönlich nicht so viel, weil sie oft so tun, als gäbe es einfache Lösungen für alles: Mach dies, dann jenes, und zack – dein Leben läuft wie geschmiert. So einfach ist es aber nicht. Mein Buch zeigt, dass es komplizierter ist und dass die meisten Probleme, mit denen wir uns so herumschlagen, nicht an uns liegen, sondern an einem System, das nicht für alle passt. Und manchmal ist es auch ganz schön zu lesen, dass es bei anderen auch nicht so einfach ist.
Was sollen die Leserinnen und Leser denn mitnehmen, wenn es kein klassischer Ratgeber ist?
Entlastung! Und eine gute Zeit. Ich hoffe, sie können an einigen Stellen lachen – Humor ist ja eine Möglichkeit der Entlastung. Ich zitiere im Buch Hannah Arendt, die sagte: „Es geht darum, die Ratlosigkeit zu unserer gemeinsamen Sache zu machen.“ Ich hoffe, dass die eine oder andere Leserin sich vielleicht auch traut, mal zu sagen: „Ich weiß es doch auch nicht.“

Sie sagen, Ihr Buch sei politisch, aber subtil. Was meinen Sie damit?
Viele Dinge, die in unserem Alltag nicht funktionieren, schieben wir auf uns selbst, dabei stecken oft politische Strukturen dahinter, die uns das Leben schwer machen. Ich will zeigen, dass es nicht nur an uns liegt. Ganz nach dem Motto: Das Private ist politisch.
Können Sie uns hierfür ein Beispiel aus dem Buch nennen?
Stress. Wenn wir Stress haben, denken wir: Warum habe ich mein Leben nicht im Griff? Das liegt aber selten an uns selbst, sondern an den Strukturen, in denen wir leben. Zum Beispiel an einer Welt, die von Männern für Männer gemacht wurde. Wenn wir dann keine Männer sind und Care-Arbeit machen, neben der Erwerbsarbeit, haben wir Stress. Da nützt langfristig keine Yogaübung, da nützt nur eine Änderung des Systems.
Ihr Buch ist herrlich ehrlich. Gab es beim Schreiben Themen, bei denen Sie sich gefragt haben: Kann ich das wirklich so sagen?
Ja, definitiv. Als Autorin habe ich eine Verantwortung. Ich frage mich immer: Kann ich das so sagen? Was bedeutet es für mich? Für die Menschen, die das lesen? Für die Menschen, von denen ich erzähle? Ich erzähle längst nicht alles, auch wenn es vielleicht so aussieht. Es gibt viele Grenzen für mich.
Von Ratgebern halte ich nicht so viel, weil sie oft so tun, als gäbe es einfache Lösungen für alles.
Mareice Kaiser
Gibt es eine „Ich weiß es doch auch nicht“-Situation aus Ihrem Leben, bei der Sie heute denken: Zum Glück wusste ich es damals nicht besser?
Ja, als ich Mutter wurde. Ich bin total froh, dass ich nicht wusste, was es politisch und strukturell heißt, Mutter zu werden und zu sein. (lacht)
Was ist der wichtigste Nicht-Ratschlag, den Sie Ihren Leserinnen und Lesern mitgeben möchten?
Ich weiß es doch auch nicht!
Buchtipp
„Ich weiß es doch auch nicht“, gesprochen von Mareice Kaiser, Der Hörverlag, € 15,95;
gebundenes Buch, Penguin, € 23,70

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