Attersee in Bestform
Wie bei Pablo Picasso verdichtet sich sein Spätwerk. Mit 85 Jahren denkt Christian Ludwig Attersee noch lange nicht an den Ruhestand.
LEBENSFROH, LEIDENSCHAFTLICH, KRITISCH: Ein Gespräch mit Christian Ludwig Attersee geht in die Tiefe. © Andreas Maringer
Nach seinem heurigen Jubiläumsreigen in ausgewählten Galerien setzt Christian Ludwig Attersee bereits die Segel für eine Ausstellung 2026 in New York, wie er im Exklusivinterview am Rande der Vernissage in der Galerie Schloss Parz in Grieskirchen verrät.
Aus einer fast einjährigen Erkrankung kehrte Christian Ludwig Attersee 2023 mit unermesslicher Schöpfungskraft zurück in eine Phase der Intensität und Verdichtung – nach der Devise „Art is a doctor“. Der Output an Werken scheint größer als je zuvor. „Wie bei Pablo Picasso verdichtet sich sein Spätwerk, das alles übertreffen und zusammenfassen kann“, bringt es Ingried Brugger, Direktorin des Kunstforums Wien und Partnerin von Christian Ludwig Attersee, bei der Laudatio in der Galerie Schloss Parz auf den Punkt. Zu seinem 85. Geburtstag zeigt die Galerie Schloss Parz unter dem Titel „Spiel mit der Erde“ bis 7. Dezember eine große Jubiläumsausstellung mit 85 bisher unveröffentlichten Werken. Im persönlichen Gespräch mit der OBERÖSTERREICHERIN erlaubt der unersättliche Universalkünstler einen Blick hinter die Kulissen seines Lebens, auf seine Kunst und auf die Erotik in seinen Bildern.
Sie sind seit den 1960er-Jahren als Künstler aktiv. Wie wurden Sie bekannt?
Durch Skandale. Skandalös empfunden wurde meine erste Ausstellung in Berlin 1966 mit dem Objekt „Vagina“ ebenso wie meine erste Ausstellung in Österreich, wobei ich sagen muss, dass ich der Zeit stark voraus war. Das hat den Vorteil, nicht zehn Jahre zu brauchen, bis man berühmt ist, sondern man schafft es so in einem halben Jahr mit zwei großen Skandalen. Wobei die Skandale nicht die Künstler machen, sondern das Publikum.
Als Maler haben Sie eine beachtliche Ausstellungslaufbahn hinter sich: Ihre Bilder wurden in großen Museen und den wichtigsten Galerien gezeigt – von Berlin über Amsterdam bis Amerika. Stellen Sie gerne aus?
Ja, es freut mich, wenn viele Menschen kommen und sich Zeit nehmen, meine Bilder zu betrachten. In Amerika ist es anders, da werden die Besucher bei einer Vernissage zusammen mit dem Künstler von Bild zu Bild geführt, um sich mit den Bildern auseinanderzusetzen – die Kunst steht mehr im Fokus als das Gesellschaftliche. Teilweise sind meine Bilder aber zu intensiv für Amerika, weil ich sehr viel in meine Bilder hineinpacke.
Ich arbeite nicht für die Kunstgeschichte oder Museen, sondern für die Menschen.
Christian Ludwig Attersee
Es ist Ihre sechste Ausstellung in der Galerie Schloss Parz. Warum zeigt Attersee seine Jubiläumswerke genau hier?
Für mich ist es immer ein besonderes Vergnügen und eine Freude, hier Kunst zu zeigen. Hier finde ich ein Raumgeheimnis vor, in dem man gern ausstellt und wohin viele Menschen kommen.
Ihre Bilder tragen Titel wie „Paradiessäge“ oder „Wovon die Sonne spricht“ – ein Weckruf an die Menschen?
Ja, Blickfang heißt der Weckruf in der Malerei. Wir verschmutzen die Erde, mit Architektur zum Beispiel. Wir haben die Verantwortung für unser Klima und das Leben unserer Nachkommen. Meine Bilder sind voll gesellschaftspolitischer Kritik, Empfehlungen und Erfindungen. Ich arbeite nicht für die Kunstgeschichte, sondern ich arbeite für Menschen. Und ich arbeite nicht für Museen, sondern für ein besseres Leben und dass wir mit Kritik durch diese Welt gehen. Das alles passiert versteckt in meinen Bildern. Meine Malerei braucht viel Zeit, um sie zu entschlüsseln.

Sie haben in den letzten zwei Jahren eine bemerkenswerte Schaffensphase hingelegt. Wie intensiv werden Sie weitermachen?
Absolut, ich plane, meine intensive Schaffensphase fortzusetzen. Nächstes Jahr steht eine große Ausstellung in New York an – in der Galerie
Gmurzynska, die zu den besten weltweit zählt. Ich arbeite leidenschaftlich und kontinuierlich. Davon zeugt auch „Gruß Attersee“, der als berühmtester Pop-Art-Film gilt und jetzt als DVD erschienen ist. Der Film spielt am Attersee, und es kommt auch viel von meiner Objektkunst vor.
Fühlen Sie sich noch mit dem See „Attersee“ verbunden, wo Sie in Ihrer Jugend viel Zeit mit Segelsport verbrachten?
Ja, das Segeln hat einen großen Einfluss auf mein Leben gehabt. Ich betrachte das Schiff als eines der wichtigsten Objekte, die der Mensch erfunden hat, da es mit der Kraft der Erde die Welt besegeln kann, ohne sie zu zerstören. Diese Verbindung zur Natur und zum Wasser spiegelt sich auch in meiner Kunst wider. Neben dem Schiff halte ich das Glas als eine der wichtigsten Erfindungen. In all meinen Bildern werden Sie, wenn Sie genau schauen, so ein Glas finden.
Welche Bedeutung hat das Glas in Ihren Bildern?
Es bedeutet Leben. Meine Kunst ist eine lebensbegeisternde. So will sie gesehen werden, in ihrer ganzen Vielfalt, Kritik, Liebe und Sinnlichkeit. Und das Allerwichtigste ist die Erotik, ohne die können wir nicht leben. Und die ist in meiner Bilderwelt auch der Höhepunkt.
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