Energieträger der Zukunft? 

Wasserstoff ist der große Hoffnungsträger

7 Min.

Hydrogen renewable energy production - hydrogen gas for clean electricity solar and windturbine facility.

Als „Energietransport- bzw. Energiespeichermedium gerade für Mitteleuropa“ kann er „zukünftig eine große Rolle spielen“, sagt FH-Professor DI Dr. Gernot Grabmair, Leiter des Fachbereiches Energietechnik an der FH Oberösterreich in Wels.

Erst im Juni letzten Jahres beschloss die österreichische Bundesregierung die lang erwartete Wasserstoffstrategie für die Produktion und den Einsatz des Brennstoffs. Im „Mobilitätsmasterplan 2030“ vom Juli 2021 ist Wasserstoff (H2) aus erneuerbaren Energieträgern als eine der Technologieoptionen auf dem Weg zur Dekarbonisierung genannt. Die österreichische Politik scheint sich einig zu sein: Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Als speicherbarer Energieträger soll H2 insbesondere „in jenen Bereichen eingesetzt werden, die einen hohen Bedarf an thermischer Energie aufweisen, sowie in Anwendungen, bei denen die Möglichkeiten der Elektrifizierung begrenzt sind“, wie in der Wasserstoffstrategie des Bundes geschrieben steht. Hierzu zählen die chemische Industrie, die Stahlindustrie, der Flug- und Schiffsverkehr sowie im Energiesystem der „Spitzenlastausgleich für volatile erneuerbare Energien“. Keine prioritären Anwendungsbereiche sind indes der Verteiler-LKW- und der PWK-Verkehr sowie die Beheizung von Räumen, wo der Wasserstoff mit deutlich effizienteren, bereits heute kostengünstig verfügbaren und nachhaltigen Technologien, wie zum Beispiel mit Wärmepumpen oder dem Elektroantrieb von Fahrzeugen, konkurriert. Dennoch besteht freilich auch in diesen Bereichen Handlungsbedarf, ist der Wärmesektor laut Wien Energie in Österreich immerhin für etwa die Hälfte des Endenergieverbrauchs verantwortlich und gehört der Verkehrssektor bekanntlich zu den Hauptverursachern für CO2-Emissionen. Die vollständige Elektrifizierung des Verkehrs scheint aufgrund fehlender Ladeinfrastruktur sowie zu geringer Verfügbarkeit von elektrischer Leistung derzeit noch realitätsfern, Ähnliches gilt für den Antrieb mit Wasserstoff als Energieträger. Gewiss ist also: Die Hauptbedingung sowohl für die vollständige Elektrifizierung des Verkehrs als auch für die Wasserstoffrevolution ist die langfristige Verfügbarkeit von genügend Energie. Damit diese gegeben ist, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien dringend weiter vorangetrieben werden. Denn derzeit übersteigt der Bedarf an Wasserstoff die Produktionspotenziale noch stark, weshalb Österreich an den Import aus Drittländern angewiesen ist. 

Was viele nicht wissen: Österreich spielt auf dem Sektor der universitären sowie außeruniversitären Erforschung von Wasserstoff als Energieträger in der europäischen Spitzenliga mit, wie die Hydrogen Research Map (s. Bild rechts/links) veranschaulicht. Auch die FH Oberösterreich Campus Wels bringt ihr Know-how ein. Einer, der sich im Bereich der Wasserstofftechnologie dort besonders engagiert, ist der FH-Professor für Regelungs- und Steuerungstechnik und Leiter des Fachbereiches Energietechnik Wels Gernot Grabmair. 

Herr Dr. Grabmair, die wahrscheinlich größte Stärke des Wasserstoffs liegt in seinem Speicherpotenzial. Hierfür muss der Wasserstoff zunächst verdichtet werden. Genau hier liegt auch ein Schwerpunkt der Forschung im Fachbereich Energietechnik an der FH Wels. Können Sie dem Laien kurz erklären, woran Sie arbeiten? 

Wir arbeiten an der Erzeugung und Verdichtung von grünem Wasserstoff. Um das Know-how für Firmenpartner und vor allem für unsere Studenten direkt zugänglich und erlebbar zu machen, wurde ein Demonstrator als Kleinanlage geschaffen. Mit diesem gelingt es uns, die Kette von der hauseigenen Photovoltaikgroßanlage, der Wasserstoffproduktion und Speicherung bis hin zur Wiederverstromung darzustellen. Unsere Studenten können dadurch Vorlesungsinhalte und Berechnungsergebnisse direkt durch praktische Messungen an der Anlage verifizieren. Da der Strom, wie gesagt, aus der eigenen Photovoltaikanlage kommt, also an der FH produziert wird, läuft die Erzeugung absolut umweltschonend ab.

Was ist neu an der Methode, die Sie verwenden?

Die Besonderheit unserer Anlage ist ein weitgehend wartungsfreier thermischer Verdichtungsprozess. Zum einen wird dabei auf mechanische Komponenten verzichtet, wodurch keinerlei Lärm entsteht. Zum anderen kann Überschusswärme, welche beispielsweise bei zahlreichen Industrieprozessen anfällt, mit relativ geringer Temperatur für die Kompression (Anm.: Verdichtung) mitverwendet werden.

Welche technischen Probleme gibt es?  

Generell ist der Gesamtwirkungsgrad für Wasserstoff als Zwischenspeicher oder Transportmedium grüner elektrischer Energie noch bescheiden im Vergleich zur Direktverwendung von Photovoltaikstrom bzw. zu batterieelektrischen Speichersystemen. Aktuell sehe ich die sinnvollere Anwendung in der Bereitstellung von grünem Wasserstoff als Prozessgas für die Industrie, wo aktuell Großmengen etwa über sogenanntes Reforming aus Erdgas abgespalten werden müssen. Schon damit kann etwaiger grüner „Überschussstrom“ einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden.

Was sind die Vorteile der Wasserstoff-Brennstoffzelle gegenüber der Batterie? 

Ein wesentlicher Vorteil liegt hierbei in der schnellen Betankungsfähigkeit und relativ einfachen Lagerbarkeit in Großmengen des Wasserstoffs als Energieträger. Damit können lokale punktuelle Ladespitzen vermieden werden bzw. wird zum Beispiel für das Gütertransportgewerbe ein grüner Energieträger erst ermöglicht.



V.l.n.r.: FH-Prof. DI Dr. Gernot Grabmair mit den Studenten Patrik Oberndorfer, Jakob Rudelstorfer, Wolfgang Lindner, Julian Feichtinger vor „ihrem“ Gerät an der FH OÖ in Wels, das grünen Wasserstoff gleichzeitig verdichtet und speichert. © FH OÖ

Ein wesentlicher Vorteil des Wasserstoffs liegt in der schnellen Betankungsfähigkeit und der relativ einfachen Lagerbarkeit.

Warum entwickeln fast alle Autohersteller Elektrofahrzeuge, setzen Industrie und Politik voll und ganz auf Elektroautos mit Batterie, während Wasserstoffautos nur am Rande behandelt werden? 

Ganz kann man das so nicht mehr sagen, da beispielsweise BMW ein Wasserstofffahrzeug mit Anfang 2023 in Kleinserie regulär produziert – zugegebenermaßen im Premiumsegment, was aber auch für die wirklich ohne Abstriche zu betreibenden Elektrofahrzeuge gilt. Hierzu muss man aber fairerweise beachten, dass eine Ablöse des Energieträgers für hochmobile Systeme wie beim Automobil generell einer der technisch komplexesten Ansatzpunkte für CO2-Einsparungen ist. Politisch hat dies aber den Vorteil, dass die gewaltigen Kosten ganz von selbst auf viele Schultern verteilt werden.

Wo stehen wir in Hinsicht Wasserstoffmobilität? Wann werden Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos Ihrer Einschätzung nach marktreif sein? Hat der Wasserstoffantrieb Potenzial, die „Mobilität der Zukunft“ zu sein? 

Die Marktreife im PKW-Premiumsegment ist, wie oben gesagt, erreicht. Ob eine breite Durchsetzung im PKW-Bereich erfolgen wird, ist eher fraglich. Bis zum Mittelstreckenbereich und bei langen Standzeiten an einem Standort mit Lademöglichkeit sehe ich den Einsatz batterieelektrischer Fahrzeuge. Sobald Langstrecken, große Tonnagen und hohe Verfügbarkeit ins Spiel kommen, macht aus aktueller Sicht die Untersuchung anderer Energieträger wie Wasserstoff Sinn. 

Wie muss man sich das Betanken vorstellen? Ist hier ein ähnliches Problem wie bei den Elektroautos zu erwarten, deren hohen Verkaufszahlen der Ausbau der Ladeinfrastruktur stark hinterherhinkt? 

Beim elektrischen Laden stellt nicht nur die Anzahl von Ladepunkten ein Problem dar, sondern vor allem auch die geografisch und zeitlich punktuell verfügbare elektrische Leistung. Sobald sich zu viele Fahrzeuge eine Zuleitung teilen, muss in der Regel die Ladeleistung gedrosselt werden und der Ladevorgang dauert länger. Das stört unter Umständen aber lediglich im Reise- bzw. Güterverkehr. Das Problem lässt sich vorerst nur durch den Ausbau der elektrischen Zuleitungen nebst notwendiger Anlagen oder lokaler Energiespeicherung lösen. Dort liegen wesentlich höhere Kosten als lediglich beim Ladepunkt. Aktuell ist nicht geregelt, ob dafür der Betreiber des elektrischen Energienetzes oder der Ladepunktbetreiber zuständig ist.

Wasserstoff kann vom Prinzip ähnlich transportiert, gelagert und betankt werden wie Erdgas, allerdings sind diverse Sondermaßnahmen nötig. 

Welche Sondermaßnahmen sprechen Sie an?

Das sind zum Beispiel Umrüstungen bei den Erdgaspipelines – beim Projekt HyWay 27 in den Niederlanden belaufen sich Kostenschätzung auf ca. 25 Prozent der Neubaukosten – und beim Betanken die notwendige Temperierung beim Druckangleich zwischen einem fast leeren Tank und dem komprimierten Wasserstoff aus der Tankanlage.

Eignet sich die Wasserstoff-Brennstoffzelle auch zur Hausenergieversorgung? Heizen mit Wasserstoff ist ja bereits möglich, dementsprechende Geräte werden von großen Herstellern wie Viessmann oder Buderus angeboten. Dennoch hört man auch in Zeiten der Energiekrise wenig davon …

Eine Brennstoffzelle ist natürlich komplexer, als lediglich den Wasserstoff für die Wärmegewinnung zu verbrennen. Um selbst Strom zu erzeugen allerdings, stellt die Brennstoffzelle eine relativ einfache Möglichkeit dar.

Wie schon angeklungen löst grüner Wasserstoff nicht das Problem einer Energieknappheit. Wasserstoff kann über längere Zeit gespeichert und einfach auch lokal verstromt werden. Dafür muss er aber zuerst hergestellt werden. Hierfür sind wiederum erhebliche Mengen an grüner Überschussenergie notwendig. Beispielsweise liefert eine Photovoltaikanlage ganz im Süden Europas beinahe den doppelten Stromertrag wie in Mitteldeutschland und den dreifachen wie in Skandinavien. Günstige Windenergie-
standorte sind in der Regel an und vor den nördlichen Küsten. Unter diesem Gesichtspunkt kann Wasserstoff als Energietransport bzw. Energiespeichermedium gerade für Mitteleuropa zukünftig eine große Rolle spielen.  

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