
Mama sein. Frau bleiben. Arbeiten wollen.
Wir haben zwei Mütter getroffen, die kurz nach der Geburt wieder ins Berufsleben eingestiegen sind.
©Melanie Tanzi
Sie erzählen, warum sie sich dafür immer noch rechtfertigen müssen und was es strukturell und gesellschaftlich braucht, damit Mütter nicht länger zwischen Baby und Beruf wählen müssen. Die oberösterreichische Moderatorin Sophie Geschke bekam schon während der Schwangerschaft Gegenwind – Auftritte mit Bauch waren für manche irritierend. Iris Brditschka, Geschäftsführerin der HB-Flugtechnik in Hofkirchen, hingegen erntete während der Schwangerschaft für ihren Fleiß noch Bewunderung – bis ihr Baby da war und ihr schneller Wiedereinstieg Kritik auslöste. Zwei Frauen, zwei Wege, und doch dieselbe Botschaft: Muttersein heißt nicht, sich selbst aufzugeben. Sophie und Iris zeigen, dass Kind und Karriere, Nähe und Neugier, Familie und Freiheit kein Widerspruch sind.
Mama & Moderatorin
Sechs Wochen nach der Geburt ihrer Tochter zurück auf der Bühne – für Moderatorin Sophie Geschke (32) eine Herzensentscheidung. Die Oberösterreicherin erzählt, warum Kind und Karriere für sie kein Widerspruch sind, wie sie mit Vorurteilen umgeht und welche Rollenbilder wir endgültig hinter uns lassen sollen.
Schon als Kind wusste Sophie Geschke, wohin ihre berufliche Reise gehen würde. „Ich war im Kindergarten die Erste mit einem Mikro in der Hand“, erzählt sie. Spätestens nach ihrem Praktikum bei Life Radio stand fest: Moderieren ist ihr Traumjob. Heute arbeitet sie seit zehn Jahren selbstständig als Moderatorin und TV-Redakteurin, unter anderem für den SWR. Ihr Berufsleben war lange von Flexibilität und Leidenschaft geprägt: „Ich war ständig unterwegs, quer durch Österreich und Deutschland. Jede Woche woanders, Nachtschichten, lange Tage im Zug oder Auto, alles kein Problem.“

Performen mit Bauch. Doch dann kommt im Vorjahr ein geplanter Wendepunkt: Sophie Geschke wird schwanger. Für sie kein Grund, mit ihrer Arbeit aufzuhören. „Schwanger sein ist ja keine Krankheit“, sagt sie. „Wenn alles gut läuft, kann man ganz normal performen – auch mit Bauch.“ Doch das sieht nicht jeder so. Bei manchen Buchungen schwingen plötzlich Zweifel mit, ob sie noch die Richtige für den Job ist. Offenbar ist vielen unangenehm, eine schwangere Frau vor der Kamera oder auf der Bühne zu sehen.
An vielen entscheidenden Stellen sitzen Personen, die keine Vorstellung davon haben, wie ein modernes Familienleben aussieht.
Moderatorin Sophie Geschke
Schneller Wiedereinstieg. Trotzdem arbeitet Sophie bis zwei Wochen vor der Geburt. Und auch danach ist für sie klar, dass sich Kind und Karriere nicht ausschließen: „Ich wollte auch mit Baby nicht aufhören zu arbeiten. Denn ich bin beides: Mama und Moderatorin. Das eine schließt das andere nicht aus.“ Vergangenen Herbst kommt ihre Tochter dann zur Welt, sechs Wochen später steht die 32-Jährige wieder vor der Kamera. „Ich liebe meinen Beruf“, betont sie. „Er ist ein Teil meiner Identität. Deshalb war die Entscheidung, schnell wieder einzusteigen, ganz klar für mich. Nicht, weil ich musste, sondern weil ich wollte.“
Job ist Me-time. Auf der Bühne zu stehen, zu moderieren, Menschen zu begegnen, sich schön zu kleiden sind für Sophie Geschke sehr besondere Momente, in denen sie nicht nur Mama oder Ehefrau, sondern ganz sie selbst ist. „Das ist meine Me-time“, sagt sie. „Diese Zeit tut mir gut, und es macht mich entspannter für alles andere.“ Aber der Weg war nicht immer einfach. Wie viele andere Frauen hat sie das Gefühl, sich nach der Geburt entscheiden zu müssen: Will sie Mutter sein oder beruflich sichtbar bleiben? Diese Frage an sich hält sie für falsch, denn warum sollte man das eine für das andere aufgeben müssen?
Es gibt auch schwierige Momente. „Am Anfang war ich manchmal eifersüchtig auf meinen Mann. Er konnte spontan arbeiten oder abends weggehen, während ich ans Stillen gebunden war. Ich habe mich für meine Gefühle geschämt – aber es war nun mal so.
Was ihr geholfen hat? Offene Kommunikation und der Mut, sich selbst und anderen etwas zuzutrauen. „Kürzlich hatte ich eine große Moderation, ein echtes Herzensprojekt, für das ich eine Woche nicht daheim sein konnte“, erzählt sie. „Gleichzeitig bekam mein Mann kurzfristig einen Job in München. Ich war völlig fertig und kurz davor abzusagen. Er hat mich bestärkt, es nicht zu tun. Seine Mutter reiste aus Berlin an und alles lief besser als erwartet. Manchmal muss man einfach machen.“
Betreuungsmöglickeiten fehlen. Für andere Mütter hat Sophie Geschke eine klare Botschaft: „Habt den Mut, euren eigenen Weg zu gehen und hört auf, euch für eure Entscheidungen zu rechtfertigen. Kinder sind oft viel anpassungsfähiger, als man denkt.“
Was sich strukturell ändern müsste? „Wir brauchen echte Unterstützung, vor allem für selbstständige Mütter wie mich“, sagt sie. „Es fehlt an Betreuungsmöglichkeiten, an Flexibilität, an gesellschaftlicher Akzeptanz. Wer ein krankes Kind daheim hat oder in den Sommerferien keinen Betreuungsplatz findet, weiß, wovon ich spreche.“ Dass Väter noch immer als Helden gefeiert werden, wenn sie mal ein paar Tage alleine mit den Kindern verbringen, versteht sie nicht: „Das sollte völlig normal sein. Er ist schließlich der Vater und nicht der Babysitter!“
Nicht heiraten, um versorgt zu sein. Warum auch heute noch so viele Menschen in alten Denkmustern feststecken, wenn es um Mütter im Berufsleben geht? „Weil an vielen entscheidenden Stellen Personen sitzen, die keine Vorstellung mehr davon haben, wie modernes Familienleben aussieht“, sagt die 32-Jährige. „Viele Entscheidungen passen nicht mehr zum gelebten Alltag von heute. Ich will nicht heiraten müssen, um ‚versorgt‘ zu sein. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Viele Frauen wollen unabhängig sein, selbst etwas schaffen und ihre eigenen Träume verfolgen – und genau das möchte ich auch meiner Tochter vorleben.“
Solidarität von anderen Frauen. Von anderen Müttern wünscht sie sich mehr Ehrlichkeit, mehr gegenseitige Unterstützung und weniger Perfektion. Vor allem auf Social Media sehe alles immer so perfekt aus. „Aber das Leben mit Kind ist nicht nur wunderschön, sondern auch chaotisch, emotional und manchmal einfach verdammt anstrengend“, so Geschke. „Darüber sollten wir offen sprechen. Denn nur so entsteht echte Solidarität.“
„Ich bin auch wer – nicht nur Mama“
Als Iris Brditschka, Geschäftsführerin der HB-Flugtechnik in Hofkirchen im Traunkreis, schwanger wurde, stand für sie fest: Sie will Mutter werden – und trotzdem Frau bleiben. Zwischen Kinderlachen, Sporteinheiten und ihrem Beruf beweist sie heute mit ihrem eineinhalb Jahre alten Sohn, dass Selbstfürsorge kein Egoismus ist, sondern das Beste für Mutter und Kind.
Fliegen liegt Iris Brditschka (35) im Blut. Schon als Kind verbrachte sie ihre Tage im Familienbetrieb HB-Flugtechnik in Hofkirchen im Traunkreis. Das Unternehmen entwickelt, baut und wartet Kleinflugzeuge, betreibt einen eigenen Werksflugplatz und eine Flugschule. Nach ihrem Wirtschaftsstudium war Iris sechs Jahre lang als Flugbegleiterin bei der Swiss unterwegs, bevor sie in den elterlichen Betrieb zurückkehrte. Heute leitet sie ihn gemeinsam mit ihrem Bruder – und liebt die Mischung aus technischer Präzision und Familiengeschichte.

Bis zum Blasensprung gearbeitet. Auch als Iris Brditschka schwanger wurde, war für sie klar, dass sie schnell wieder in die Firma zurück will. Die Schwangerschaft verlief bis auf Übelkeit problemlos, Iris fühlte sich fit und energiegeladen. „Ich habe immer gearbeitet, bis zum Blasensprung, an einem Freitag, übrigens auch mein Geburtstag“, lacht sie. Am Wochenende kam ihr Sohn Leopold zur Welt, und noch im Spital hat sie mit dem Kleinen im Arm E-Mails beantwortet. Kurze Zeit nach der Geburt begann sie wieder in der Firma zu arbeiten, ihr Sohn war von Anfang an mit dabei.
Hinter ihrem Schreibtisch standen ein Bällebad und Spielsachen, zwischendurch wurde gestillt. „Mein Bruder und ich sind auch so groß geworden.“ Dass Arbeiten mit Baby im Familienbetrieb einfacher ist als etwa bei einer Angestellten in einer Bank, ist Iris bewusst. Möglich ist es auch, weil ihre Mutter eine sehr wichtige Stütze ist und hilft, wo sie kann.
Kritik und Neid. Aber nicht alle in ihrem Umfeld reagierten positiv auf ihren schnellen Wiedereinstieg. „In der Schwangerschaft wurde ich noch vielfach bewundert. Als der Kleine auf der Welt war, hat sich das schnell geändert und es kam Kritik. Ich glaube, da steckt manchmal auch ein bisschen Neid dahinter, gerade bei Müttern, die rund um die Uhr mit Kind zu Hause sind. Viele Frauen verändern sich in dieser Zeit stark, was auch in manchen Partnerschaften ein Thema ist. Für Iris steht fest: „Man ist nicht gleich eine schlechte Mutter, wenn man gerne mal Zeit allein verbringt. Man kann ja nicht seine Identität, die man bis zur Geburt hatte, im Kreißsaal abgeben. Auch danach ist man noch eine Frau und eine Partnerin mit Hobbys und Bedürfnissen.“
Man kann ja nicht seine Identität im Kreißsaal abgeben!
Iris Brditschka, Geschäftsführerin
Arbeiten ist wie Urlaub. Trotz Job und Kind nimmt sie sich bewusst Zeit für sich: Mehrmals pro Woche macht sie Sport, den Haushalt hat sie größtenteils ausgelagert. „Das ist mein Privileg und gibt mir Quality-Time und Energie für das, was mir wichtig ist: für meinen Sohn, meinen Mann, für mich und meine Interessen.“ Aktuell arbeitet sie rund 30 Stunden in der Woche. Die Arbeit ist für sie kein Widerspruch zum Muttersein – im Gegenteil: „Arbeiten ist für mich momentan wie Urlaub. Danach kann ich wieder voll für Leopold da sein.“
Insta-Moms-Perfektion. Den Druck, den sich viele Mütter machen, sieht sie kritisch. „Ich finde diese Insta-Moms-Perfektion schrecklich: alles steril, alles perfekt.“ Ein halbes Jahr stillte sie ihren Sohn, dann gab es Beikost und später auch Hipp-Gläschen. „Aber selbst die sind ja schon verpönt, weil man es sich zu einfach macht und nicht jeden Tag frisch aufkocht. Geschweige denn, man gibt seinem Kind irgendetwas mit Zucker – und sei es nur ein Briochekipferl“, schmunzelt sie.
Iris nimmt das gelassen. „Ich denke, ich habe eine gewisse Leichtigkeit und zerbreche mir nicht den Kopf darüber, ob ich alles nach Buch richtig mache. Die Selbstverständlichkeit und Unbedarftheit, mit der wir groß geworden sind, fehlt mir heute bei den Müttern. Alles wird nachgelesen und das Verhalten anderer Mamas bewertet. Mein Kleiner war, seitdem er auf der Welt ist, am Flugplatz mit dabei, inmitten von Menschen, denen er ohne Scheu begegnet. Er ist ein Sonnenschein, immer gut gelaunt, fröhlich und offen. Seine ersten Flüge hat er schon mit fünf Monaten absolviert, und wie soll’s anders sein: Er liebt Flieger“, lacht sie.
Instinkt statt Ratgeber. Geburtsvorbereitungskurse oder Stillseminare hat Iris nie besucht. „Ich vertraue meinem Körper, ich bin fit, die Geburt war unkompliziert.“ Ihr Rat an andere Mütter lautet: „Vergesst nicht, wer ihr seid. Es dreht sich nicht alles nur um das Kind. Macht nicht alles nach Ratgeber, sondern vertraut wieder mehr auf euren Instinkt und euren Körper. Und ganz wichtig: Vergleicht euch nicht mit anderen Müttern. Am Ende zählt nicht, ob der Brei selbst gekocht ist, sondern dass ihr eurem Kind Liebe schenkt und Mama und Kind glücklich sind.“
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