Thomas Stelzer: Wir brauchen mehr Offenheit
Oberösterreichs Landeshauptmann über Asyl, Kinderbetreuung und Wirtschaftsstandort Oberösterreich
© Thom Trauner
Asyl, Kinderbetreuung, Wirtschaftsstandort Oberösterreich: Landeshauptmann Thomas Stelzer zieht in unserem Interview Bilanz über das erste halbe Jahr und betont, wie wichtig es ist, wieder mehr darauf zu achten, wovon wir leben.
Die Zeiten sind alles andere als einfach. Der Wirtschaftsstandort Europa hat in den vergangenen Jahren Schaden genommen – die Auswirkungen sind auch in Oberösterreich spürbar. Für Landeshauptmann Thomas Stelzer ist es deshalb besonders wichtig, dass es wieder mehr Offenheit auf EU-Ebene gibt, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Welche Themen ihn momentan noch beschäftigen und warum er in Bundeskanzler Karl Nehammer einen Trumpf für die Nationalratswahl sieht, erklärt er in unserem Interview.
Landeshauptmann Thomas Stelzer im Interview
Die Sommerpause steht an. Wie fällt Ihre Bilanz für das erste Halbjahr aus?
Mag. Thomas Stelzer: Auf der einen Seite war es eine herausfordernde Zeit, was die Gestaltung des Landes betrifft. Andererseits sehen wir auch, wie viel Kraft in unserem Bundesland steckt – wenn jemand solche Zeiten meistern kann, dann sind das wir! Das liegt vor allem daran, weil viele Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher so gepolt sind, das zu sehen, wo man anpacken kann. Sie halten sich nicht so sehr damit auf, über Dinge zu jammern. Das ist für mich ein sehr guter Grundzugang und ein gutes Resümee dieser ersten sechs Monate.
Was war die größte Herausforderung?
Besonders in der jüngsten Zeit haben wir wieder gesehen, wie schnell es gehen kann, wenn eine Bedrohung wie Hochwasser da ist – und auch, was das neben den Schäden psychologisch mit den Betroffenen in den Regionen macht. Glücklicherweise haben wir viel in den Hochwasserschutz investiert, um gut gerüstet zu sein. Eine große Herausforderung ist und bleibt die wirtschaftliche Situation und die Frage, wie der Standort Oberösterreich stark bleiben kann.
Gibt es ein Anliegen, das momentan besonders dringlich in bzw. für Oberösterreich ist?
Wir müssen an vielen Rädern drehen, aber wichtig ist, dass wir grundsätzlich wieder mehr darauf schauen, wovon wir leben, und nicht nur darüber reden, wie wir leben und unser Leben gestalten. Es geht dabei um das Grundverständnis, dass wir zuerst etwas verdienen müssen, um dann damit gestalten zu können. Leider hat der Standort Europa in den vergangenen Jahren zunehmend Schaden genommen – besonders im Vergleich zu anderen Standorten der Welt. Diese Auswirkungen spüren wir besonders stark. Die Basis muss für uns deshalb sein, dass wir unseren Standort in Schwung halten – durch Innovation und eine möglichst schnelle Umsetzung von Forschung in die Realität.
Was lässt sich in Oberösterreich gegen diesen Schaden tun?
Wir können vor Ort Forschung ermöglichen und unterstützen. Das wird von den Unternehmen sehr geschätzt. Wir sind auch in den Bereichen Infrastruktur und Verwaltung gefordert. In der Landesverwaltung läuft dazu eine Art Schlankheitsprogramm, um zu schauen, wo es zu viele Vorschriften oder Gesetze gibt, die möglicherweise nicht mehr gebraucht werden. Unser Land lebt zu zwei Drittel vom Export. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir dem Vergleich mit den anderen Standorten auf der Welt standhalten können. Leider hat die EU vorgeschrieben, welche Innovation passieren darf und welche nicht. Dieses eindeutige Festlegen auf einen Strang und das andere quasi zu verbieten – Stichwort Automobilindustrie –, hat zur Folge, dass uns andere Standorte die Unternehmen abwerben. Es ist wichtig, hier wieder mehr Offenheit zu schaffen und den Sprung von der Neuentwicklung zum Hochfahren der Produktion mit entsprechenden Förderungen unterstützen zu können.
Gibt es Themen, die die Landespolitik im Moment noch fordern?
Die Themen Pflege und Gesundheitsversorgung sind eine Herausforderung und werden es auch in den nächsten Jahren noch bleiben. Dazu kommt das leider bisher nicht sehr gut gelöste Thema Asyl in der EU, wo wir heuer zum ersten Mal eine wirkliche Entlastung sehen. Die EU hat sich – auch auf Druck von Österreich – endlich zu einem Maßnahmenpaket durchgerungen, das hoffentlich auch bald in die Realität umgesetzt wird.
Im Juli startet das Pilotprojekt der Sachleistungskarte für Asylwerber in Oberösterreich. Warum ist diese Maßnahme notwendig?
Das ist ein Teil der Lösung, weil es wichtig ist, dass jene Menschen, die verfolgt sind, deren Leben bedroht ist und die flüchten müssen, immer Hilfe bekommen. Es gibt aber leider auch Missbrauch und ein Ausnützen des Systems. Daher führen wir die Sachleistungskarte ein. Wir helfen damit unmittelbar, verhindern aber gleichzeitig Missbrauch, weil zum Beispiel Überweisungen ins Ausland damit nicht mehr möglich sind. Zu der Sachleistungskarte gibt es weiterhin 40 Euro Taschengeld, weil etwa das Einkaufen in Sozialmärkten nur mit Bargeld möglich ist. Das große Thema der EU ist, die Außengrenzen endlich konsequent zu kontrollieren und jenen, die nahezu keine Chance auf Asyl in Europa haben, dort die Grenze aufzuzeigen, dass es nicht weitergeht. Ebenso wichtig ist eine bessere Verteilung der Asylwerber, weil bisher nur einige wenige EU-Länder – dazu gehören Österreich und Deutschland – die meisten Leistungen erbracht haben. Das war unfair und hat zu einer Überforderung geführt.
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