A young fit man exploring the wilderness; walking desolate suspension bridges, walking around a blue alpine lake, and driving on the open road.

Trotz Krebsdiagnose: Alles ist möglich!

Roland Wiednig wanderte 3.040 Kilometer durch Neuseeland.

11 Min.

© iStockphoto

Trotz einer Krebsdiagnose macht sich Roland Wiednig aus Kronstorf im Dezember 2017 auf nach Neuseeland, um in sechs Monaten mit Zelt und Schlafsack 3.040 Kilometer am „Te Araroa Trail“ zu wandern. Über seine Erlebnisse und Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben, das das Zusammenspiel von Wandern, Abenteuer und Natur sowie die Wirkung dieser Kombination auf Körper, Geist und Seele zeigt.

„Als ich nach Österreich zurückkam, war ich in der Form meines Lebens, hatte beste Blutwerte, ein Sixpack, 24 Kilogramm Körperfett verloren, eine nie gekannte Lungenkapazität und eine unglaubliche Kraft und Ausdauer …. noch heute profitiere ich von dieser ersten, langen Abenteuerwanderung. Es trat nicht nur eine körperliche, sondern auch eine geistige Veränderung ein, die sich Schritt für Schritt in meinem Alltag in Österreich etablierte. Zum Glück! Wer weiß, wo ich ohne dieses Abenteuer heute stünde“, schreibt Roland Wiednig in seinem Buch „Wandern Abenteuer Natur – Abenteuerwandern für Körper, Geist und Seele“.

Darin entführt der Erlebnispädagoge, Trainer, Coach und Autor die Leserinnen und Leser mit eindrucksvollen, zum Teil sehr emotionalen und persönlichen Schilderungen auf seine Abenteuerwanderungen durch Neuseeland, Lappland, die Kanareninseln und nimmt sie mit auf eine spirituelle Reise. Sein erstes Abenteuer führte ihn sechs Monate lang durch Neuseeland, wo er 3.040 Kilometer, großteils mutterseelenallein, durch unberührte Natur wanderte. Weder schlechtes Wetter noch Erschöpfung konnten den Kronstorfer aufhalten. Seither weiß er: „Alles ist möglich!“

© Roland Wiednig

Zur Person

Roland Wiednig, geboren 1963, Vater zweier Kinder, ist seit vielen Jahren als Experte für die Förderung von Lebenskompetenzen, für Gesundheitsförderung, Prävention und Konfliktklärung tätig. Er ist selbstständiger Pädagoge und war als Polizeibeamter in Österreich Bundeskoordinator für die Bereiche Sucht- und Gewaltprävention. Er hat zahlreiche pädagogische Programme in den angeführten Bereichen für das Bundesministerium für Inneres, für Bildungseinrichtungen und für Gebietskörperschaften entwickelt und evaluiert. 

www.roland-wiednig.com www.orangebase.at

Herr Wiednig, am Höhepunkt widriger Lebensumstände und Orientierungslosigkeit haben Sie sich entschieden, von Dezember 2017 bis Mai 2018, mehr als 3.000 Kilometer durch Neuseeland zu wandern. Warum gerade Neuseeland?

Neuseeland war schon immer ein Land, das mich sehr reizte. Dazu muss ich sagen, dass ich bereits vor rund 35 Jahren, als junger Mann, in Neuseeland war. Ich verbrachte sechs Wochen bei Freunden in der Hauptstadt Wellington und war vom Land und den Menschen fasziniert. Damals habe ich mir geschworen, irgendwann einmal wiederzukommen – mit dem Wichtigsten, das es für so eine Reise braucht, nämlich sehr viel Zeit. Aber es hat sehr lange gedauert, bis ich dieses Versprechen an mich selbst eingelöst habe. Letztendlich war ein Buch über den „Te Araroa Trail“ durch ganz Neuseeland von Christoph Karallus, einem deutschen Dauerreisenden, ausschlaggebend, dass ich wieder hingeflogen bin. 

Waren Sie schon vor Ihrer Abenteuerreise nach Neuseeland ein begeisterter Wanderer und wie haben Sie sich auf diese sechs Monate vorbereitet?

Ich war ein durchschnittlicher Wanderer und immer schon ein großer Naturliebhaber. Körperlich habe ich nichts Großartiges zur Vorbereitung gemacht. Im Nachhinein betrachtet war das sehr blauäugig. Das Buch von Christoph Karallus beinhaltet sehr viele Ratschläge über Navigation, Ausrüstung, Planung, Anreise, beste Zeit, Risiken und vieles mehr auf dem Trail. Als ich losging, dachte ich, ich wäre gut vorbereitet, aber das war keineswegs der Fall. Ich hatte zu viel und falsches Gepäck, zu viel Körpergewicht, eine schlechte Kondition, wenig Übung beim Navigieren und eine falsche Navigations-App. Bis ich gemerkt habe, welche App für Neuseeland die beste war, vergingen Wochen. Aber eines hatte ich immer: Die Überzeugung, es zu schaffen und gesund nach Hause zu kommen. Diese Einstellung zu entwickeln, war für mich die wichtigste Vorbereitung. 

Wo haben Sie geschlafen und gegessen? Sind Sie auch bei sehr schlechter Witterung gegangen? 

Ich hatte immer alles mit. Zelt, Schlafsack, Unterlagsmatte, technische Ausrüstung, Bekleidung, medizinische Ausrüstung, Zahnbürste und Zahnpaste, Seife, Wasser und Nahrungsmittel. Oberstes Gebot auf so einer Reise ist, wenig Gewicht mitzuschleppen. Geschlafen habe ich im Zelt oder, falls vorhanden, in sehr einfachen Selbstversorgungshütten. Ich war meistens tagelang unterwegs, ohne auch nur einen Menschen zu treffen. Das bedeutete, Hiken bei jeder Witterung, weil die Essensvorräte nur für eine gewisse Zeit reichten und ich gezwungen war, eine Siedlung mit Einkaufsmöglichkeit zu erreichen. Das erforderte für jedes Teilstück eine gute Planung, und es ist wichtig, immer einen Tag mehr einzuplanen. Die Versorgung mit Wasser war kein Problem, da Neuseeland sehr wasserreich ist. Eine große Erleichterung brachte die richtige Navigations-App, in meinem Fall „Guthook“, weil dort Wasserstellen und Einkaufsmöglichkeiten gut eingezeichnet sind. Drei Mal musste ich mich allerdings dem Wetter beugen, einmal musste ich sogar 50 Stunden in einer winzigen Hütte ausharren.

Hat es Momente gegeben, wo Sie daran gedacht haben, das Handtuch zu werfen und Ihr Abenteuer abzubrechen?

Ich war zwar oft extrem fertig, vor allem am Anfang der Wanderung, weil ich zu viel Gepäck mithatte, aber aufgeben wollte ich nie. Ich fasste mir immer wieder ein Herz. Meine Überzeugung, es zu schaffen, war immer da.

Jeder Mensch kann die Welt von einer eintönigen und langweiligen in eine aufregende und abenteuerliche Welt verwandeln.

Können Sie beschreiben, was Sie unter Abenteuerwandern verstehen?

Ja, das steht auch in meinem Buch und ist eine Definition von mir. Ich glaube, ich bin überhaupt der erste, zumindest im deutschsprachigen Raum, der sich derartig intensiv Gedanken über Abenteuerwanderungen oder vielmehr über die Dimensionen Wandern, Abenteuer und Natur sowie deren Wirkungen auf uns Menschen gemacht hat. Für mich ist eine Abenteuerwanderung eine lange und außergewöhnliche Wanderung durch weitgehend unberührte Natur mit unvorhersehbaren und herausfordernden Ereignissen. Ein Erlebnis, das nicht einfach zu haben ist, aufregend ist, anstrengend sein kann und auf das man stolz sein darf.

Bevor Sie losgegangen sind, bekamen Sie die Diagnose Prostatakrebs. Sie haben sich gegen eine Operation entschieden und sind trotzdem nach Neuseeland geflogen. Wie schwierig war es, diese Wanderung zu machen?

Auch diesem Thema habe ich mich sehr ausführlich in meinem Buch gewidmet. Kurz gesagt: Ich habe mich gegen eine Operation entschieden, obwohl mir alle dazu geraten haben. Zum Glück fand ich einen Arzt, der mich verstanden und sich bereit erklärt hat, auf meine Wünsche und Bedürfnisse als Patient einzugehen, und wir entschieden uns für eine aktive Beobachtung des Krebskarzinoms. Meine Abenteuerwanderung durch Neuseeland widmete ich dieser Krebserkrankung oder vielmehr meiner Krebsheilung. Als ich zurückkam war das Karzinom geschrumpft und nach einiger Zeit sogar ganz weg. Mein Arzt meinte damals zu mir: „Herr Wiednig, sie können den Champagner aufmachen, das Karzinom ist weg.“ Heute weiß ich, dass vieles möglich ist. Das möchte ich den Menschen mitteilen – deshalb habe ich auch dieses Buch geschrieben.

© Roland Wiednig

Was hat sich während dieser langen Wanderung körperlich und auch psychisch bei Ihnen getan?

Körperlich war diese Wanderung ein extremes Trainingslager. Ich war danach in der Bestform meines Lebens. Psychisch ist diese Frage schwieriger zu beantworten. Ich habe mir in diesen Monaten sehr viele Gedanken über mein Leben gemacht und mir die Frage gestellt: „Ist das Leben, so wie ich es bisher gelebt habe, auch wirklich das, was ich will?“ Seither hat sich vieles geändert. 

Sie sind trotz schlechter Witterung nie krank geworden, haben keine Blasen an den Füßen bekommen, sogar der Krebs war danach nicht mehr nachweisbar. Woran, glauben Sie, liegt das?

An einer unerschütterlichen Überzeugung gesund zu bleiben und es zu schaffen, sowie an einer gewissen Vorsicht, Risikokompetenz und auch etwas Glück. Diese Faktoren waren ausschlaggebend dafür, dass ich meine bisherigen Abenteuerwanderungen alle gut und gesund beenden konnte.  Warum der Krebs verschwand ist nicht so einfach zu erklären. Wahrscheinlich war einerseits mein Mindset, das vollständig auf Heilung programmiert war, dafür verantwortlich und andererseits die Lebensweise auf meinen Abenteuerwanderungen. Der Geist steuert ja bekanntlich unseren Körper, daran glaube ich fest.

© Roland Wiednig

Sie sind Erlebnispädagoge, Pädagoge, Trainer, Coach und Vortragender. Sie leiten und begleiten Menschen in den Bereichen Prävention, Gesundheitsförderung, soziale Kompetenzen, Lebenskompetenzen, Fitness, Motivation, Konfliktklärung, Sucht- und Gewaltprävention. Was bringt Körper, Geist und Seele in Einklang? Gibt es da zusammenfassend etwas, was es auf den Punkt bringt?

Es braucht die Überzeugung, in der Lage zu sein, das eigene Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich in die Hand nehmen zu können. Es braucht ein großes Maß an Selbstreflexion. Man sollte zu sich sagen können: „Ich kenne mich, ich mag mich, ich weiß, was ich will und ich gehe meinen Weg, ohne andere zu benachteiligen oder gar zu verletzen.“ Liebe, Dankbarkeit, Demut, Zufriedenheit und Zuversicht sind sicher wichtige Eigenschaften auf dem Weg zum Einklang von  Körper, Geist und Seele. Und eine gute Portion Spiritualität.

Was machen Sie als Erlebnispädagoge?

Ich unterstütze Menschen, durch eigene Erfahrungen zu lernen und das Gelernte in den Lebensalltag zu transferieren. Handlungsorientiertes Lernen nennt man diese Art der Weiterbildung, bei der es nicht um Wissensvermittlung, wie wir sie aus der Schule kennen, geht, sondern um eine persönliche Weiterentwicklung im Bereich der eigenen Lebenskompetenzen. Das sind Fertigkeiten wie zum Beispiel Selbstbewusstsein, soziale Kompetenzen, Umgang mit unangenehmen Gefühlen uvm. Ist man darin gut, wird das Leben, insbesondere in herausfordernden Situationen, viel leichter bewältigbar. 

© Roland Wiednig

Sie sind durch Neuseeland, Lappland, die Kanaren und natürlich Österreich gewandert. Können Sie in etwa sagen, wie viele Kilometer Sie bereits gegangen sind und wo es Ihnen am besten gefallen hat? 

Insgesamt an die 5.000 Kilometer. Alle mit Zelt und Schlafsack, vogelfrei sozusagen. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass es in Österreich und den Regionen rund um Österreich am schönsten ist. Ich lebe in einem unglaublich schönen, guten und sicheren Land mit vielen Möglichkeiten. Dafür bin ich sehr dankbar.

Was war das schönste Erlebnis auf Ihren Wanderungen?

Es gab unglaublich viele schöne Erlebnisse. Mit dieser Frage tue ich mir immer hart. Zwischenmenschlich gab es ein unglaublich emotionales Erlebnis in Neuseeland. Am Anfang meiner Abenteuerwanderung, am 24. Dezember, war ich komplett fertig. Ich war auf endlosem, hügeligem Weideland unterwegs, weit und breit keine Menschenseele. Dieses Weideland gehörte zur Birchwood Station, das ist eine riesengroße Farm. Ich war vom Trail abgekommen und lief erschöpft in Richtung Norden. Auf einmal hörte ich hinter mir ein knatterndes Motorengeräusch. „How are you?“, meinte ein Mann in Arbeitskleidung. Es war der Farmer, der der Ansicht war, zu Weihnachten sollte man nicht durch die Gegend laufen, sondern ein gutes Essen und ein Bier genießen. Er hat mich zu sich auf die Farm eingeladen, seine Frau Sarah kochte ein tolles Abendessen und am 25. Dezember haben wir gemeinsam mit den Farmkindern Weihnachten gefeiert. Ähnliche Begegnungen hat es auf meiner Wanderung noch einige gegeben, und natürlich auch viele unvergessliche Natur-
erlebnisse.

Was war das schlimmste Erlebnis?

Als Roger, ein Neuseeländer, der mich 14 Tage lang begleitet hat, vor mir gestürzt ist. Aus seinem Unterschenkel spritzte fontänenartig das Blut. Wir waren völlig alleine und verbrauchten die Mullbinden unserer Verbandspäckchen, um einen Druckverband anzulegen und die Blutung zu stoppen. Es war ein langer Weg, den wir bei extrem schlechtem Wetter zurücklegen mussten, um zum nächsten Ort und zu einem Arzt zu kommen. Telefonverbindung gab es keine, aber wir haben es geschafft. Das war ein sehr schlimmes Erlebnis.

Wenn jemand eine Abenteuerreise machen möchte, wie sollte man beginnen und worauf muss man sich einstellen?

Ganz wichtig ist, eine sehr leichte und hochwertige Ausrüstung einzupacken. Meistens hat man zu viel mit, aber das Überflüssige kann man verschenken oder auch irgendwo hinterlegen. Je mehr Luxus man haben möchte, desto mehr muss man schleppen. Wie man unterwegs kocht, ist zum Beispiel eine Frage des Anspruchs und des Gewichts. Und natürlich ist eine gute Planung das Um und Auf. Jede Frau, jeder Mann, der eine solche Wanderung plant, sollte sich bewusst sein, worauf sie oder er sich einlässt. Es ist auch sicherer, wenn man zu zweit geht. Das ist allerdings nicht immer möglich. Außerdem muss man das Wetter immer im Auge behalten. Es gibt noch so vieles, was man beachten muss, vielleicht mache ich darüber einmal ein Seminar. Oder noch besser, ich schreibe einen Ratgeber (lacht).

Gibt es schon wieder ein neues Ziel?  

Ja, heuer möchte ich den Zentralalpenweg fertig machen. Mir fehlen noch geschätzte 800 Kilometer, auf die ich mich sehr freue. Danach würde mich auch eine Abenteuerwanderung in der Mojave-Wüste, am Anfang des „Pacific Crest Trails,“ oder durch Montana, am Ende des „Great Divide Trails“, interessieren. Allerdings sollte ich mir auch Zeit nehmen, um mein drittes Buch fertig zu schreiben. Mal sehen.   

Buchtipp

„Wandern Abenteuer Natur –Abenteuerwandern für Körper, Geist und Seele“.

von Roland Wiednig, Hardcover, Buchschmiede, 160 Seiten,
ISBN: 978-3-99152-957-6, € 29,80

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