Er ist ein waschechter Oberösterreicher und meistens in Bewegung. Um zu malen oder zu reisen. Oder beides gleichzeitig. Reisen bedeutet für ihn Inhalation anderer Landschaftsatmosphären. So erweitert sich der Horizont für die Hebenstreit-Werke immer wieder aufs Neue. Über die Jahre entstanden Bilderserien von mehrwöchigen oder mehrmonatigen Aufenthalten von Indien über Schottland, Arizona bis Australien, aber auch „hierzulande“. Seine Werke sind in Nationalmuseen in Europa genauso vertreten wie in renommierten Privatsammlungen und Ausstellungen – in Oberösterreich, etwa im Lentos Kunstmuseum oder im Museum Angerlehner, bis hin zum Leopold Museum in Wien oder der europaweiten Sammlung Würth.
In Bildbänden findet sich Hebenstreit in Gesellschaft von Künstlerpersönlichkeiten wie Georg Baselitz, Max Beckmann oder René Magritte wieder. Vor dreizehn Jahren schuf der in Altheim geborene Kunstschaffende und gelernte Feinmechaniker gemeinsam mit seiner Frau Billa die begehbare Skulptur „Kometor“ in Peuerbach, wo Glasbilder mit Film, Licht und Klang zum Leben erweckt wurden. In jüngerer Zeit widmete der Landeskulturpreisträger, der auch mehrere große „Kunst am Bau“-Aufträge realisierte, seine Aufmerksamkeit verstärkt dem Salzkammergut und seinen Seen. Wir haben das Künstlerpaar Manfred und Billa Hebenstreit auf ihrem ländlichen Anwesen im Hausruckviertel besucht und bei einem Rundgang erfahren, wie es gelingt, ein Leben für die Malerei zu führen und was den 66-Jährigen über Motive wie Wasser, Wolken und Wind hinaus noch reizt.
Sie sind seit Ihrem Studium an der Kunstuniversität Linz hauptberuflich Künstler und einer von ganz wenigen, der zur Gänze davon leben kann. Wenn heute jemand sagt, er möchte von Kunst leben, wie kann das gelingen?
Also wirklich von der Kunst existieren, das können nur ganz wenige. Wie das gelingt, ist eine schwierige Frage. Es mag manchmal über Jahre gut gehen, und dann kann es passieren, dass sich jemand nicht mehr weiterentwickelt oder die Kunst ist nicht mehr in Mode. Ich rede jetzt von jenen, die es wirklich aus eigener Kraft schaffen. Denn, finanziellen Background von den Eltern zu haben oder sich international in Kunstmessen einkaufen zu können, ist eine andere Geschichte. Ich finde es wesentlich, seine eigene Handschrift zu finden und sich immer wieder weiterzuentwickeln. Das ist auch der Grund, warum ich so viele Reisen mache. Weil ich mich immer wieder neu entdecken will und nach neuen Motiven suche.
Mit ihrer aktuellen Ausstellung „hierzulande“ in der Galerie Schloss Parz bewegen Sie sich im Spannungsfeld „Wasser sehen – Land spüren“. Wo haben Sie die Motive dafür gefunden?
Hauptsächlich in Gewässern und Seen in Oberösterreich. Aber auch beim Schnorcheln in Mauritius, mit dem Fokus auf Wasser, Wolken und Wind.
Ob Arizona, Indien oder das Salzkammergut. Ihr Weg als Künstler war immer ein Auf-der-Reise-Sein, die permanente Suche nach typischen Farben und Motiven, nach besonderen Orten und Plätzen auf der ganzen Welt. Was ist das nächste Reiseziel?
Südafrika, Äthiopien und die Wüste Namibias.
Ist Afrika Neuland für Sie?
So wie es jetzt geplant ist, schon. Ich war natürlich schon in Ägypten oder Marokko, aber diesmal möchte ich das ureigene Afrika erleben und werde auch Zeit bei den Kopten auf 3.000 Metern Höhe verbringen, die noch ganz einfach leben. Das richtige Afrika kennenzulernen, dafür interessiere ich mich sehr. Das habe ich schon seit vielen Jahrzehnten im Kopf.
Sie blicken auf rund 47 Jahre künstlerisches Schaffen, das bereits in Ihrer Kindheit begann. Wie viele Bilder in Summe entstanden sind, steht in den Sternen. Was bedeutet Ihnen das Malen nach so vielen Jahren der Produktivität?
Der berühmte Theologe Professor Dr. Günter Rombold formulierte es einmal so: Für den Hebenstreit bedeutet Malen einfach die Existenz. Man sieht in seinen Arbeiten den Kampf des Lebens, die Existenz. So empfinde ich es auch. Ich kann mich durch die Malerei ausdrücken. Ich kann das Leben, wie es lebt, ausdrücken. Der Kunstkritiker Alexander Borovksy bezeichnete mich als „Der Navigator“, im Raum des Mythos (Anm. d. Red.: Bildband „Die Welt als Gemälde“, Manfred Hebenstreit). Das trifft es auch gut.
Bekommen Sie mit dem Älterwerden einen anderen Blick auf die Welt und Ihre Motive?
Das Gute am Älterwerden ist, dass man schon einen Erfahrungsschatz hat. Man kann sich mit einer gewissen Gelassenheit auf Neues einlassen und es genießen. Es ist kein Druck da, dass etwas entstehen muss. Wenn nichts entsteht, entsteht halt nichts. Der Blick auf die Welt verändert sich insofern, dass ich mir natürlich selbst immer wieder bestimmte Herausforderungen auferlege, wie zum Beispiel in Schottland. Ich schaue, was mit mir psychisch passiert, wenn ich einmal sechs Wochen ganz alleine bin. Wie komme ich damit zurecht? Der Atlantik, die Einsamkeit, das Wetter, die Wolkenveränderung – da passiert einfach wahnsinnig viel mit mir. Das ist, wonach ich suche. Als Nächstes in Südafrika und Namibia. Da werde ich diesmal die Perspektive wechseln und in einem Kleinflugzeug gemeinsam mit einem befreundeten Piloten unterwegs sein. Ich suche also immer wieder neue Motivation, neue Herangehensweisen.
Auf den Reisen, entstehen dort Skizzen oder auch schon Bilder?
Das hängt davon ab, ob ich das jeweilige Ziel mit dem Auto erreichen kann. In Andalusien, wo ich sieben Monate gelebt habe und mit dem Auto angereist bin, entstanden fertige Arbeiten auf Kleinwänden. Wenn ich nach Indien reise, habe ich nur einen kleinen Koffer dabei für Skizzen. Viele meiner Bilder entstehen aufgrund von Fotografien.
Vielen Ihrer Bilder liegen demnach eigene Fotografien zugrunde. Sehen Sie in der Aufnahme oft schon ein fertiges Bild oder ist das Malen ein Prozess, dessen Ende offen ist?
Es ist ein Prozess, der auf den Fotografien, auf Skizzen und den faszinierenden Farbigkeiten des jeweiligen Landes, die ich dort erlebt habe, basiert. Auch Menschen, Tänze, Klänge oder Lebensweisen können einfließen. Es ist auch eine bestimmte Atmosphäre, die ich im Bild einfangen möchte.
Ich bewege mich gerne zwischen den Welten, auf zwei Ebenen.“
Manfred Hebenstreit
Die Natur ist ein zentrales Leitmotiv Ihrer Werke. Ist die Klimaerwärmung etwas, was Sie beschäftigt?
Klar, wir sind sehr gefordert, dass wir noch die Kurve kratzen. Vom Verkehr in Indien über die Tanker auf den Weltmeeren, giftigen Jeansfärbungen in Bangladesch bis hin zur Abholzung in Arizona – das sind ganz klare Beispiele, dass es so nicht weitergehen kann. Und da muss man natürlich weltweit agieren.
Wissen Sie, von welcher Reise bisher die meisten Bilder entstanden sind?
Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich tippe auf Indien, weil ich so oft dort war. Mindestens 17 Jahre hintereinander, ein oder teilweise zwei Mal im Jahr.
Was war das größte Bild, das Sie bisher gemalt haben?
Das waren zwei Mal fünf Meter große Bilder für ein Privathaus.
Sie malen nicht nur auf Leinwand, sondern genauso auf Glas oder Spiegel. Bekannt sind Sie auch für große Glasleuchtbilder. Wonach entscheidet sich die Wahl des Materials?
Das entscheidet sich je nach Gegebenheit oder Serie. Spiegel habe ich erstmals für die indische Gottheiten gewählt, weil es auf Papier oder Leinwand nicht funktioniert hat, eine Art Illusion zu erzeugen, mit Spiegel aber sehr wohl. Die Serie heißt Maya, und Maya bedeutet ja Illusion. Jetzt bin ich gerade dabei, auf Aluminium zu arbeiten, weil ich gemerkt habe, dass die Darstellung von Wasser darauf so richtig zu leben beginnt. Solche Materialien veranlassen mich, mit neuen Pigmenten und Farben zu experimentieren. Dadurch verändert sich auch meine Arbeit immer wieder.
Sie sind auch ein Meister des lasierenden Malens – eine hohe Kunst, die besonders bei Ihren Wassermotiven zur Anwendung kommt. Eine Technik, die auch an die Alten Meister angelehnt ist, wo viele Schichten aufgetragen werden. Ist Wasser ein Element, das Sie besonders fasziniert?
Ja, ich liebe das Wasser, es ist mein Element. Ich war schon als Bub eine Wasserratte und bis zur Sperrstunde im Schwimmbad oder am Badesee.
In welche Stilrichtung würden Sie sich selbst als Künstler einordnen?
Ich sage immer, ich abstrahiere die Welt in meiner eigenen Kürzelsprache. Und ich lasse mich von der Natur inspirieren. Eine Historikerin meinte einmal, ich würde mich zwischen den Welten bewegen, auf Zwischenebenen. Zwischen real und metaphysisch bzw. spirituell.
Erfahrungsschatz und Gelassenheit sind das Gute am Älterwerden.
Manfred Hebenstreit
Von der Botanik über Höhlen, Unterwasserwelten und Landschaften haben Sie bereits ein breites Spektrum an Naturmalerei abgehandelt. Was reizt Sie noch?
Also, der nächste Schritt wird sein, eben in Afrika die Welt von oben zu sehen. Diese Größe des Landes, die Wüste, damit verbunden die Ehrfurcht vor der Natur. Diese ganz andere Betrachtungsweise von oben reizt mich sehr. Eine Zeit lang werde ich auch mit Einheimischen leben, was ich faszinierend finde. Bei dieser Reise möchte ich mich eher meiner Wurzeln, der Zeichnung, besinnen. Aber wie das später zu Hause alles nachwirkt, wird wieder eine Überraschung werden. Und darauf freue ich mich.
Ist Ihre Motivation als Künstler auch ein Bewahren vor Vergänglichkeit?
Die Motivation ist eher, den Betrachter mitzunehmen auf eine Reise. Als Resonanz höre ich immer wieder, dass sich Menschen durch meine Bilder in ihrer Seele angesprochen fühlen. Oder sie entdecken etwas, das ihnen guttut oder sie positiv anregt. Das sehe ich im wahrsten Sinne und mit einer gewissen Demut als meine Aufgabe.