Die Zukunft ist hybrid

Andreas Haider im Coverinterview

16 Min.

Dkfm. Andreas Haider über die Zukunft des Lebensmittelhandels

Seit zwei Jahren ist der 54-jährige Visionär Alleineigentümer und Geschäftsführer der UNIGruppe (Unimarkt, Nah&Frisch, UNILogistik). Uns hat er verraten, warum er auf automatisierte Miniläden wie die UNIBox setzt, wie wir in zehn Jahren einkaufen werden und welchen Führungsstil er als Chef von 3.000 Mitarbeitern hat.

Dkfm. Andreas Haider über die Zukunft des Lebensmittelhandels © Thom Trauner

Als passionierter Marathonläufer, der die gut 42 Kilometer in durchschnittlich drei Stunden läuft, ist Dkfm. Andreas Haider eines, nämlich ausdauernd. Und diese Eigenschaft braucht der Alleineigentümer und Geschäftsführer der UNIGruppe auch, um als „Kleiner“ im hochkonzentrierten Lebensmittelhandel in Österreich bestehen zu können. Denn nirgendwo im Handel ist der Wettbewerb härter. Warum er bereits nach der Lehre im Großhandelsbereich in die Lebensmittelbranche ging, was ihn täglich antreibt und wie wir in Zukunft einkaufen werden, hat uns der 54-jährige Schwertberger in seinem Büro der UNIGruppe Handels-GmbH in Traun erzählt.  

Herr Haider, wann sind Sie in die Lebensmittelbranche gegangen und was hat Sie dazu bewogen? Sind Sie familiär vorbelastet?
Nein, ich bin nicht familiär vorbelastet. Ich habe eine Lehre im Großhandelsbereich gemacht und bin direkt danach im Jahr 1987 in die Lebensmittelbranche eingestiegen. Vor dieser Lehre habe ich überlegt, ob ich Koch werden sollte, daher rührt wahrscheinlich auch mein Bezug zu Lebensmitteln. 

Können Sie kochen?
Ja, klar. Die Küche zu Hause gehört mir. Aber da wir berufsbedingt während der Woche kaum zu Hause sind, tue ich mir leicht (lacht). Wir haben hier am Standort in Linz eine gute Kantine, in der frisch gekocht wird – das ist natürlich ein großer Vorteil.

Nachdem Sie vor zwei Jahren von Georg Pfeiffer 80 Prozent der Unimarkt-Gruppe gekauft haben, sind Sie Alleineigentümer der Handelsgruppe. Was hat Sie zu diesem Kauf bewogen?
Nachdem ich mittlerweile seit 34 Jahren in unterschiedlichen Stationen in der Firma und seit 1999 bei Unimarkt tätig bin, kenne ich das Unternehmen sehr gut. Nach der Insolvenz der Handelskette Zielpunkt sind der Einzelhandel mit dem Großhandel und Unimarkt verblieben, und ich habe mit Georg Pfeiffer entschieden, mich 2017 mit 20 Prozent am Unternehmen zu beteiligen. 2021 habe ich dann die Option auf 100 Prozent gezogen. 

Was macht für Sie den Unterschied vom Teilhaber von 20 Prozent zum Inhaber der gesamten Gruppe aus?
Es gibt für mich keinen Unterschied und es gab auch nie einen. Ob als Angestellter oder als Teilhaber – da ich mich schon immer stark mit der Firma identifiziert habe, habe ich schon immer so agiert als wäre es mein Unternehmen. Somit war es für mich keine Veränderung. 

Die Coronakrise mit den Lockdowns hat den Lebensmittelhandel beflügelt. Die Unimarkt Handels-GmbH erzielte im Geschäftsjahr 2021/22 einen Umsatz von 432 Millionen Euro. Wie laufen die Geschäfte derzeit, wo viele Menschen sparen müssen?
Wir haben während Corona einen riesigen Boom erlebt und die Gunst der Stunde für uns genützt. Sensationell war, dass wir auch nach Corona, im Jahr 2021, den Umsatz gut halten konnten und ihn auch 2022 abgesichert haben. Durch die Teuerung haben wir allerdings weniger Mengen verkauft, weil die hochpreisigen Produkte weniger nachgefragt wurden. 

© Thom Trauner

Beim Jahresgespräch im Vorjahr haben Sie angekündigt, dass im Geschäftsjahr 2022/23 vor allem die Standortentwicklung in den beiden Vertriebsorganisationen Unimarkt und Nah&Frisch sowie die stetige Weiterentwicklung im Bereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung Priorität haben. Dazu war eine Investitionssumme von rund 15 Mio. Euro geplant. Wie ist hier der Stand der Dinge?
15 Millionen Euro haben wir nicht investiert, weil sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert haben. Zum einen war kein Handwerker mehr zu bekommen, zum anderen haben Rohstoffe gefehlt. Daher haben sich die geplanten Bauprojekte verzögert. Eröffnungen, die wir im Dezember 2022 am Plan hatten, haben sich bis ins Frühjahr hinein verschoben. 

Wie sehr betreffen Sie die hohen Energiekosten?
Wir haben einen eigenen Energiepool mit zwei Tranchen. Einerseits haben wir die Preise gesichert und zahlen dasselbe wie im Jahr 2021. Wo das nicht der Fall ist, haben wir eine gute Tarifkondition, weil wir die Preise bereits im Jahr 2021 für die Jahre 2022 und 2023 fixiert haben. Parallel dazu arbeiten wir natürlich auch daran,  den Energieverbrauch zu minimieren. Das neueste Thema sind Energiegemeinschaften, die lokale Unimärkte mit der jeweiligen Bevölkerung in den Gemeinden bilden. 

Können Sie das genauer erklären?
Hauseigentümer, Landwirte, Gewerbetreibende vor Ort können über und an den jeweiligen Unimarkt überschüssigen Solarstrom vertreiben. Gesteuert und abgerechnet wird monatlich über eine digitale Plattform, private Stromlieferanten werden bar oder mit Unimarkt-Gutscheinen bezahlt. Dieses Projekt haben wir zwei Jahre lang in Waldhausen im Strudengau pilotisiert und digitalisiert. Das Ganze wird über eine App von „neoom“ gesteuert. 

Als erster Lebensmittelhändler hat Unimarkt 2015 die österreichweite Hauszustellung von Lebensmitteln angeboten und beliefert bis heute sowohl Ballungszentren als auch ländliche Regionen in ganz Österreich. Wie wird das Online-Service angenommen? 
Wir haben jedes Jahr im Onlinebereich ein Wachstum, der große Hype war aber während der Coronakrise zu verzeichnen. Was wir merken, ist, dass der urbane Bereich sehr stark von anderen Onlinehändlern und Zustellern bearbeitet wird. Dadurch ist hier die Konkurrenz größer. Im ländlichen Bereich passt es noch sehr gut und wir arbeiten laufend an unserer Online-Strategie. 

Welcher europäische Markt ist im Onlinebereich federführend?
Mit Sicherheit England, wo rund 20 Prozent des Handelsumsatzes bereits online generiert werden. In Österreich hingegen sind das ein bis zwei Prozent. Das hängt allerdings mit der großen Dichte an Supermärkten, die es hierzulande gibt, zusammen.

Unimarkt ist seit mehr als 30 Jahren ein starker Partner für selbstständige Kaufleute. 70 von insgesamt 132 Unimarkt- Filialen werden von Franchisenehmern geführt, 250 Nah&Frisch-Märkte von eigenständigen Kaufleuten. Ist es schwierig, neue Franchisepartner zu gewinnen?
Bis dato haben wir jährlich circa zehn Unimarkt-Franchisenehmer rekrutiert. Durch Themen wie Krieg in der Ukraine, Inflation und Teuerung ist die Unsicherheit groß. Daher suchen weniger Menschen den Weg in die Selbstständigkeit. Unser Ziel ist, jährlich wieder fünf Franchisenehmer gewinnen zu können. 

Was ist der Vorteil von Franchisepartnern?
Eigentümergeführt bedeutet, eigene Initiative zu ergreifen, eigene Entscheidungen zu treffen, kurze Entscheidungswege und das Ohr viel näher beim Kunden zu haben, als ein zentral geführter Standort. Weichere Faktoren wie Kontinuität und Kundenansprache machen den Mehrwert von einem eigentümergeführten Unternehmen aus. 

Unimarkt erwirtschaftet ca. 20 Prozent des Umsatzes mit regionalen Produkten und bietet auch ein Bio-Segment mit rund 400 Natürlich-für-uns-Produkten. Seit wann setzen Sie auf diese Produktgruppen?
Im Jahr 2010 haben wir unsere Bio-Marke Natürlich für uns eingeführt, das Thema Regionalität haben wir 2013 zu forcieren begonnen. In all unseren Märkten gibt es einen eigenen regionalen Genussplatz, auf dem unsere Partner ihre Produkte präsentieren können. 

Merkt man angesichts der Teuerungen einen Rückgang bei Bioprodukten, die ja bekanntlich teurer sind als herkömmliche Produkte, oder ist der Trend ungebrochen?
Dieser Trend entwickelt sich zwar noch stetig weiter, aber der große Hype ist vorbei. Das merkt man vor allem auch bei den lokalen und regionalen Produkten, weil diese teurer sind wie die Massenprodukte. 

Unimarkt arbeitet mit rund 600 lokalen Lieferanten zusammen. Was ist Ihnen im Umgang mit diesen wichtig? 
Wir wollen dieser Kleinstruktur in den jeweiligen Standorten und Regionen die Möglichkeit geben, ihre Produkte zu platzieren. In Summe ist es in jedem Standort ein kleines Ökosystem. Die Konsumenten kennen den Bauern, der Bauer produziert und liefert seine Produkte zum Händler, dieser bietet den gesamten Warenkorb, damit der Konsument eine gute Auswahl zu leistbaren Preisen treffen kann. 

Bauern kritisieren immer wieder, dass Supermärkte ihre Margen an sie und Verarbeiter weitergeben. Ist diese Kritik berechtigt?
Bei den großen, marktbeherrschenden Industriepartnern ist diese Kritik berechtigt. Es versucht jeder, die Situation auszunutzen, weil dort und da – aufgrund von fehlenden Rohstoffen – eine Verknappung vorhanden war und jener den Zuschlag bekommt, der zu zahlen bereit ist. Da haben wir als kleiner Händler sicher einen Wettbewerbsnachteil, weil wir es so akzeptieren, wie es kommt. Wir brauchen die Ware. Die Großen fighten das Ganze teilweise über die Medien aus. Das schaffen wir nicht und das ist auch nicht unser Naturell. 

„Nimm 3, zahl 2!“ – wie stehen Sie zu dieser „Geiz ist geil“-Mentalität?
Wir haben grundsätzlich seit dem Jahr 2010 die Aussage: „Jeder Aktionspreis gilt ab dem ersten Stück.“ Im Vorjahr haben wir damit begonnen, bei Produkten, die lange haltbar sind, wie Mehl, Reis, Grieß und so weiter, auch Familienpackungen oder -angebote anzubieten, aber wir bieten das nicht bei frischen Produkten. 

Mit Regionalität, Bio und Nachhaltigkeit lässt sich gut Werbung machen. Glauben Sie, dass da auch viel Schindluder getrieben wird?
Ja, aber mit dem Nachweis in den Lieferketten wird alles nochmal transparenter. Wir waren 2018 sicher die ersten Händler, die das gesamte Unternehmen klimaneutral gestellt haben. Natürlich verursachen wir auch CO2 , aber das Bewusstsein bei den Mitarbeitern, an den Standorten nachhaltiger zu agieren, ist relevant. 

Seit 2021 bieten Sie mit den sogenannten UNIBoxen eine Sicherung der Versorgung in ländlichen Gebieten. Zur Erklärung: UNIBoxen sind kleine Selbstbedienungsläden, bei denen Käufer mittels einer Handy-App oder in ausgewählten Standorten auch per Bankomatkarte Zutritt haben und aus einer Auswahl von tausend Produkten einkaufen können. Bezahlt wird mittels Bankomat- oder Kreditkarte an der Kasse. Wie viele UNIBoxen gibt es mittlerweile?
Mittlerweile betreiben wir 17 UNIBoxen in Oberösterreich und in der Steiermark. Nach zwei Jahren Erfahrung wissen wir, welche Standorte funktionieren und welche nicht. In Gemeinden, wo es jahrelang keine Nahversorgung mehr gab, ist es schwieriger, weil viele Menschen, die dort untertags wohnen, digital nicht sehr affin sind. 


UNIMARKT hat klein angefangen und Schritt für Schritt expandiert. Der Grundstein für den Erfolg wurde bereits Anfang der siebziger Jahre gelegt. Aus UNITAS wurde schließlich 1975 UNIMARKT. Heute ist UNIMARKT ein österreichisches Unternehmen mitmehr als 130 Standorten in fünf Bundesländern. Unter dem Dach der UNIGruppe – vormals Unimarkt Gruppe – firmieren die Unimarkt Handelsgesellschaft, der UNIGroßhandel (vormals Pfeiffer Großhandel) und die UNILogistik (vormals Pfeiffer Logistik).  © Thom Trauner

Um künftig auch in ländlichen Gebieten eine Nahversorgung aufrechterhalten zu können, wird man an der
Digitalisierung nicht vorbeikommen.

In einigen UNIBoxen funktioniert bereits der Zutritt mit Bankomatkarte statt mit der Handy-App, was es vor allem für ältere Kundschaften sicher einfacher macht. Warum ist das nicht überall möglich?
Das ist ein Sicherheitsthema. In Enns betreiben wir zum Beispiel seit zwei Jahren eine UNIBox am Bahnhof, wo es aufgrund des Klientels schwierig ist. Wir hatten dort seit der Eröffnung sicher an die zehn Einbrüche, die aufgrund der App und der Kameraüberwachung alle aufgeklärt werden konnten. Da würde ein Zugang mit Bankomatkarten nicht funktionieren. In Standorten, wo die UNIBoxen mitten im Ort stehen, funktioniert das hingegen sehr gut, da schauen aber auch viele Augen auf die Box (schmunzelt).

Was hat Sie zur UNIBox inspiriert?
Vorbild der UNIBox war „Amazon Go“ in den USA. Denn um in Zukunft langfristig auch in ländlichen Gebieten eine Nahversorgung aufrecht erhalten zu können, wird man an der Digitalisierung nicht vorbeikommen. Daher haben wir uns gefragt, wie wir den digitalen Zugang nutzen können, um etwas zu entwickeln, damit diese Nahversorgung gewährleistet werden kann. Daraus entstanden die UNIBoxen und in weiterer Folge auch unsere Hybrid-Supermärkte, bei denen am Vormittag Mitarbeiter im Geschäft sind und die Kunden bedienen. Am Nachmittag ist kein Personal vor Ort, die Kunden kaufen ihre Produkte in Selbstbedienung und scannen diese an der Kasse selber. Diese Form ist aus jetziger Sicht das zu präferierende System, weil man am Vormittag noch den Mitarbeiter zur Unterstützung hat. 

Der erste Nah&Frisch Hybrid-Supermarkt wurde vergangenen Sommer in Gaflenz eröffnet. Wie kommt das Konzept bei den Kundinnen und Kunden an?
Sehr gut! Mittlerweile gibt es bereits in fünf Gemeinden Hybrid-Supermärkte und wir werden heuer noch 20 weitere eröffnen.  

Was bringt dieses Konzept betriebswirtschaftlich gesehen?
Wir gehen davon aus, dass wir zwei Mitarbeiter weniger brauchen werden, und das bei längeren Öffnungszeiten. Das macht betriebswirtschaftlich gesehen natürlich Sinn, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Kundschaft das System auch annimmt. Vor allem muss man der älteren Generation die Scheu nehmen und aufzeigen, dass sie auch ohne Personal im Supermarkt einkaufen können. Diesbezüglich befinden wir uns gerade in einer Transformation. 

Was, wenn die Kassa streikt oder etwas nicht funktioniert?
Dann kann man eine Notrufnummer anrufen. 

Laut Öffnungszeitengesetz dürfen in Österreich Läden lediglich 72 Stunden in der Woche geöffnet haben, sofern sie nicht an Bahnhöfen oder Tankstellen stehen, selbst wenn keine Mitarbeiter dort arbeiten. Sie fordern eine 24-Stunden-Öffnung für die automatisierten Miniläden. Gibt es diesbezüglich schon Fortschritte?
Wir sind in Österreich, also nein (lacht). Allerdings hat die Wirtschaftskammer in Oberösterreich abgestimmt, dass man die Ladenöffnungszeiten für diese Struktur auf „konsumentenfreundlichere“ Öffnungszeiten ausweitet, das heißt von sechs bis 22 Uhr. Leider kann aber Oberösterreich vom Gesetzgeber her keinen Alleingang machen, und im Bund wurde das Anliegen wieder abgeschmettert. 

Wissen Sie, warum das so schwierig ist?
Weil marktbeherrschende Unternehmen glauben, dass wir diese Ausweitung nicht brauchen, weil wir unsere großen stationären Läden haben. 

Wie stehen Sie zur Sonntagsöffnung?
Eine Sonntagsöffnung brauchen wir nicht. Es ist für mich allerdings nicht nachvollziehbar, dass jede Tankstelle am Sonntag geöffnet haben darf, aber Kleinstflächen, wie die UNIBox oder auch Selbstbedienungs-Hofläden, nicht. Da hinkt der Gesetzgeber hinten nach, diesbezüglich ist eine Liberalisierung notwendig. 

Wie groß ist die Gefahr, dass der Mitbewerb schon bald auch automatisierte Miniläden und Hybrid-Supermärkte eröffnet?
Natürlich wird der Mitbewerb da nachziehen. Vor allem auch, weil die Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter in dieser Menge zu bekommen, immer größer wird. Der Konsument wird sich daran gewöhnen, gewisse Dinge in Eigenregie zu erledigen. Ich denke da nur an das Bankgeschäft, das ist ein Entwicklungsprozess. Für den Mitbewerb liegt der Schwerpunkt momentan im großen stationären Handel. Da können wir nicht mithalten, also konzentrieren wir uns auf Nischen. Diese werden eine Zeit lang halten, dann wird wieder etwas Neues kommen. 

Wo holen Sie sich Inspiration?
Auf internationalen Kongressen, bei denen es um den Handel geht. Beim GDI Handelsforum in der Schweiz zeigen Speaker aus England und Amerika Strömungen, die kommen werden, auf. Natürlich muss man immer nachfragen, inwieweit diese auch bei uns eine Relevanz haben. 

Laut Statista beherrschen Spar, die Rewe Group, Hofer und Lidl 94 Prozent des Marktes in Österreich. Wie schwierig ist es, bei einem derartigen Mitbewerb mithalten zu können?
Es ist täglich eine Herausforderung. Aber bei uns geht es nicht um dementsprechende Marktanteile. In unserer Struktur und in unserer Größe muss etwas übrigbleiben, damit sich das Unternehmen weiterentwickeln kann.

Wie stehen Sie zu den vielen Märkten auf engstem Raum?
Leider hat der Gesetzgeber verabsäumt, die Raumordnung zu regeln, was jetzt nachgeholt wurde. Man darf nicht mehr ungebremst am Kreisverkehr bauen, jetzt ist wieder die Belebung der Zentren ein Schwerpunkt. Das alles läuft in Zyklen. 

Ein großes Thema ist die Lebensmittelverschwendung, wie gehen Sie damit um?
Wie vorher schon angeführt, verkaufen wir Multipacks nur mehr bei Produkten, die lange halten. Wenn Brot und Gebäck zum Ladenschluss hin schon sehr ausgesucht sind, wird nicht mehr nachgebacken. Dann haben wir eben nicht mehr alles, niemand wird verhungern. Lebensmittelverschwendung ist in unserer DNA anders zu bewerten wie in einem Konzern.  Da hilft uns auch die Strategie mit den Franchisenehmern, und da wir 20 Prozent des Umsatzes mit regionalen Produkten erwirtschaften, sind wir auch näher an den Produzenten in den Regionen dran. Zudem haben wir eine große Mehrwegquote. Unser Grundzugang lautet, bewusster einzukaufen und nicht stimulierende Maßnahmen für den Mehrkauf zu setzen. 

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie aktuell?
Insgesamt beschäftigen wir mehr als 3.000 Mitarbeiter, davon ca. 1.600 in der Zentrale, in den Eigenfilialen und der Logistik. Die restlichen Mitarbeiter teilen sich auf die Unimarkt-Franchisepartner und Nah&Frisch-Kaufleute auf. 

Wie werden wir in zehn Jahren einkaufen?
Wir haben eine starke Hybridisierung und es wird nicht mehr überall offene Ware (Fleisch, Wurst) angeboten werden, sondern nur in ausgewählten Läden. Die Qualität der Lebensmittel wird sukzessive steigen. Es geht immer mehr in Richtung kontrolliert produzierte Lebensmittel in Bioqualität. Auch wenn es momentan schwieriger ist, aber wir sind auf einem Produktionslevel, der sich weiterentwickeln wird. 

Wie kaufen Sie privat ein?
Beim Unimarkt im Ort natürlich. 

Geben Sie uns noch einen kleinen Einblick in Ihr Privatleben. Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Ich mache fünfmal die Woche je eine Stunde Ausdauersport wie Laufen oder Schwimmen – das brauche ich, um den Kopf freizubekommen. Im Winter gehe ich auf gerne langlaufen und Skifahren. Und ich laufe auch Marathons.

Sind Sie auch ein Genießer?
Ja, nachdem ich gerne koche und viel Kalorien verbrenne, kann ich mir das erlauben. Ich esse viel, gerne und gute Lebensmittel – und ich erlaube mir auch zu Anlässen einmal ein Bier oder ein gutes Glas Wein. 

Wie ist Ihr Führungsstil?
Kooperativ!

Was motiviert Sie? 
Etwas zu bewegen und Dinge zu entwickeln, die sich nicht jeder aneignen kann. Auch kurze, schnelle Entscheidungswege und der Drang, anders zu sein wie die Großen, motiviert mich. 

Was ärgert Sie?
Wenn etwas nicht so schnell geht wie angenommen. 

Was ist für Sie in Ihrem Job momentan die größte Herausforderung?
Die Organisation auf die neuen Gegebenheiten, die sich laufend ändern, einzustellen. Jeder Mitarbeiter hat seine Routine, durch Ausbruch der Pandemie und den Krieg in der Ukraine wurde alles auf den Kopf gestellt. Die Organisation mit den 3.000 Mitarbeitern auf diese Neuerungen einzustellen, dass plötzlich alles anders ist und anders sein muss als früher, ist die größte Herausforderung. 

Wie schwierig ist es, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?
Bis voriges Jahr war es sehr schwierig, jetzt ist es konjunkturbedingt einfacher. Aber das wird aufgrund der demografischen Entwicklung sicher wieder ändern.

Am Flipchart in Ihrem Büro steht das Zitat: „Great things never come from comfort zones.“ Ist das Ihr Motto?
Ja, ich bin ein Ausdauersportler. Also einen Marathon zu laufen, nur dass ich ihn laufe, funktioniert bei mir nicht. Ich habe immer das Ziel vor Augen, in welcher Zeit ich ihn laufen möchte. Das ist auch im Unternehmen so. Wenn man in so einem konzertierten Umfeld agiert, in dem vier Mitbewerber 94 Prozent des Marktes ausmachen – und daneben gibt es noch ein paar Kleine, zu denen wir gehören –, da muss man sich schon beweisen und kann nicht in den Tag hineinleben. Das ist kein Selbstläufer. 

Wie viele Marathons haben Sie schon absolviert und in welcher Zeit?
Insgesamt 15 Marathons in 3 bzw. 3,15 Stunden.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Ich bin Unternehmer, das ist mein Leben. Wenn ich Sport mache, komme ich erst um acht Uhr ins Büro, wenn ich keinen Sport mache, bin ich um sieben Uhr im Büro.

Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Wir sind in einer Konsumgesellschaft aufgewachsen und haben nicht nachgedacht, wie Lebensmittel produziert wurden oder wer dahintersteckt.  Erfreulich ist, dass die jungen Menschen durch Information und Transparenz wieder bewusst schauen, was dahintersteckt. Man legt wieder Wert darauf, was man zum Tanken für den eigenen Organismus zu sich nimmt. Letztendlich entscheidet immer der Konsument mit seinem Einkauf, in welche Richtung es gehen wird.   

© Thom Trauner

Einen Marathon zu laufen, nur dass ich ihn laufe, funktioniert bei mir nicht.

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